Fröhlich sein und singen, stolz das blaue Halstuch tragen, andern Freude bringen, ja, das lieben wir.“ So lautet die erste Zeile eines Liedes, das ich nur scheinbar vergessen habe und dass mir in einem Pappkarton am Straßenrand plötzlich unerwartet wiederbegegnet. Zwischen lauter anderen Büchern aus DDR-Zeiten, die irgendjemand, gut sichtbar, dort abgestellt hat. Plötzlich kommt auch mein altes Musikbuch zum Vorschein, und die Erinnerung ist wieder da: wie wir als Kinder zum Fahnenapell antreten mussten, die einen mit, die anderen ohne Halstuch, weil sie nicht an die Fahne, sondern an etwas anderes glaubten.
Religion wurde in meiner Kindheit immer wieder verächtlich gemacht. Fröhliche Gotteskindschaft war für junge Pioniere selbstverständlich keine Option. Trotzdem gab ich die Hoffnung nicht auf, dass selbst in aussichtslosen Situationen die Möglichkeit eines Neuanfangs wohnt. „We are absolute beginners“ – so singt David Bowie. Aber nicht nur bei ihm dreht sich alles um die Freiheit des Menschen. Denn: „Damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen“, hat schon Augustinus gesagt.
Davon lässt sich, von Nietzsche bis Arendt, auch die Philosophie inspirieren: In der menschlichen „Natalität“ (Hannah Arendt) liegt bis heute eine immer wiederkehrende Kraft und ein ungeheures Potenzial. Der Mensch muss, so Nietzsche, weder duldsames „Kamel“ noch starker „Löwe“ sein, sondern einfach bloß „Kind“, das, wie jedes Neugeborene, von einem göttlichen Schein umgeben ist. Kurz vor Weihnachten genügt ein Blick in die Krippe, um zu begreifen, was damit tatsächlich gemeint ist.
Die Botschaft dieses Kindes geht weit über die Idee eines politischen Umbruchs hinaus, denn in der Krippe von Betlehem wird der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf durch das rettende Kind selbst aufgehoben. Gotteskindschaft gleich Neuanfang. Anfang und Wachstum sind überall. Schließlich sind wir mit Gott, was wir immer schon waren: Absolute beginners!