Kirche und AfDWortführer des „christlichen Abendlandes"

Die AfD beansprucht für sich, christlicher zu sein als jede andere Partei. Sie droht, der Kirche damit ein Stück Autorität zu nehmen.

Isabel Barragán
Isabel Barragán, freie Journalistin© privat

Soll man AfD-Mitglieder von der Ausübung kirchlicher Laien-Ämter ausschließen? Mit dieser Forderung sorgte Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), für Diskussionen. „Ein aktives Eintreten für die AfD widerspricht den Grundwerten des Christentums“, sagte sie in einem Gespräch mit dem Onlineportal „Kirche und Leben“. Eine AfD-Mitgliedschaft sei mit der Übernahme eines Kirchenamtes unvereinbar.

Gegenüber dem evangelikalen Informationsdienst Idea wies Joachim Kuhs, Vorsitzender der „Christen in der AfD“, die Vorwürfe zurück. „Die Äußerungen der Präsidentin des ZdK zeugen von einer großen Unkenntnis der Programmatik und der aktuellen politischen Arbeit der AfD“, so Kuhs. In mehreren Medien diskutierten Juristen zu der Frage, ob der Ausschluss arbeitsrechtlich überhaupt möglich sei. Mit einer Satzungsänderung ja, erklärte etwa der Kirchenrechtler Thomas Schüller im Bayerischen Rundfunk. Diese dürfe sich aber nicht ausschließlich gegen die AfD richten.

Zumindest eine gezielte institutionelle Abgrenzung der katholischen Kirche von der AfD ist aber unabdingbar: Die AfD reklamiert immer wieder christliche Werte für sich und stellt sich damit als vermeintliche Stimme des, so AfD-Ko-Vorsitzende Alice Weidel, „christlichen Abendlandes“ dar, in Abgrenzung zum Islam. Auch im Wahlprogramm 2021 stellte die Partei unter dem Begriff „christliche und humanistische Kultur der europäischen Völker“ christlichen Glauben und Zugehörigkeit zu Europa in unmittelbaren Zusammenhang.

Weidel ging bereits 2017 in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus noch weiter: Die AfD sei „die einzige christliche Partei, die es noch gibt“. Eine ähnlichen Ansatz wählt Kuhs in seinem Gespräch mit Idea: Die AfD sei die einzige Partei, die sich „ohne Wenn und Aber für die christlichen Werte des Lebensschutzes zu Beginn und am Ende des menschlichen Lebens“ ausspreche.

Die AfD versucht über eine christliche Selbstidentifikation nicht nur Einfluss zu nehmen auf kirchliche Debatten – sie beansprucht gar die alleinige Befugnis, christliche Themen zu bedienen. Kirche muss sich weiterhin zur Wehr setzen und sich von der Partei klar abgrenzen. Sie darf sich nicht das Wort nehmen lassen.

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