Kirchliche ImmobilienTopographie des Glauben

Kirchen sind nicht einfach Immobilien, die man abstoßen kann. Es braucht neue Wege, sie zu erhalten.

Wenzel Widenka
© Florian Nütten

Das Erzbistum München und Freising will seinen Gebäudebestand reduzieren. Der „Dienst am Menschen“ habe „Vorrang vor dem Erhalt von Immobilien“, so das Bistum. Was jedoch bescheiden klingt, ist so wohlfeil wie falsch.

Eine Topographie von Sakralgebäuden durchzieht die Städte, Dörfer und Landschaften Europas und der Welt. Ein Netz von Kirchen und Kapellen, von Orten, an denen Eucharistie gefeiert, Taufen gespendet, Ehen gestiftet werden und wurden. Sie haben Landschaft wie Stadtbild unleugbar geprägt und geformt und bestehen, allen uniformen Glasfassaden und energetischen Betonkästensiedlungen zum Trotz, als Gesicht einer ganzen Kultur. Sie sind Fixpunkte im geistigen Wachsen und Erleben von Generationen von Christen. Für diese ist es unerheblich, ob es sich um eine kleine Kapelle oder prächtige Münster handelt: Kirchen sind Stein gewordene Glaubenshoffnung, ganz egal, ob man die Mehrheit bildet oder in der Diaspora lebt. Kirchen sind keine Museen oder bloße Zeugnisse einer großen Vergangenheit. Man reduziert nicht einfach ihren Bestand wie ein Immobilienportfolio. Künftige Generationen von Christen haben ein Anrecht auf diesen Erlebnisraum.

Die Logik der sakralen Infrastruktur folgt keinen Regeln eines angeblichen „Marktes der Sinnangebote“. Rein finanzielle Probleme mit dem „Dienst am Menschen“ kaschieren zu wollen, verkennt, dass die Errichtung und Instandhaltung einer Kirche nichts anderes als eben dies ist: Dienst am Menschen. Dienst am Gläubigen, Dienst an der Gemeinde.  Hier heißt es, kreativ sein und auf die Liebe der Gemeindemitglieder zu ihrem Sakralraum zu vertrauen. Warum nicht neue Formen der gemeindlichen Trägerschaft finden? Private Initiativen, Großspenden: alles, was die Profanisierung verhindert, sei willkommen. Jede Kirche, aus der ein Museum, eine Wohnhaus oder eine Kneipe wird, ist ein unwiederbringlicher Verlust und ein Zeichen der Resignation. Gerade eine Kirche, die durch die Krise geht, darf nicht aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Sie muss an der Basis der Gläubigen Aufbruch und Zuversicht verströmen. Kirchen sind gebauter Glaube. Eine zukünftige Kirche wird keine alten Kirchen verkaufen, sondern noch zusätzlich neue bauen.

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