Fassungslos steht die Welt auch genau einen Monat nach dem Angriff vor dem Grauen, das die Terrororganisation Hamas in Israel anrichtet und das sie auch in Gaza zu verantworten hat: Der Krieg gegen Israel geht auf das Konto der Organisation, die es in Jahrzehnten nicht ansatzweise geschafft hat, in Gaza eine stabile, für das Wohl der Bevölkerung sorgende Regierung zu bilden.
Der mörderische Krieg kann nun nur beendet werden, wenn zwei grundsätzliche Voraussetzungen geschaffen sind. Erstens muss die Machtvergabe in Gaza vom Tag 1 eines Friedens feststehen: Wer tritt an die Stelle der Hamas, wer kann die verelendete Bevölkerung vertreten und aus dem Chaos führen? Eine palästinensische, israelische, ägyptische, internationale Vertretung? Keine der Möglichkeiten erscheint unproblematisch – im Gegenteil wird sich an dieser folgenreichen Frage auch die Dauer des Krieges bemessen.
Zweitens wird auch die Regierung in Israel massiv infrage gestellt. Hat sich die rechtsextreme Koalition unter Benjamin Netanjahu nicht delegitimiert, indem sie die Sicherheit der Israelis (nicht nur) in der Grenzregion zum Gazastreifen nicht gewährleisten konnte? Netanjahus Regierung hat eine so heftige Niederlage erlitten, dass auch ihre Existenz kaum über den Krieg hinausreichen kann. Was kommt danach in Israel mit seiner höchst heterogenen Bevölkerung?
Eine der vielen, stets auch umstrittenen Positionen vertritt Avraham Burg, ehemaliger Sprecher der Knesset. Er sieht zwei Möglichkeiten, wie sich eine neue Regierung mit dem neuen nationalen Trauma auseinandersetzen kann. Eine mögliche Antwort sei eine „übersteigerte Opferhaltung“, in der „Israel zu einem neuen Masada“ gemacht wird, „der antiken Festung über dem Toten Meer, deren Bewohner lieber Massenselbstmord begingen, als sich den Römern zu ergeben.“ Die zweite Möglichkeit sei „der demokratische Weg“. Dafür müsste eine israelische, nicht eine jüdische, Koalition gebildet werden inklusive gleichberechtigter Vertreter der arabischen Gesellschaft. Es müsse gelten: „Kein ethnischer Nationalismus mehr“, sondern Gleichberechtigung und gegenseitiger Respekt, vereint „gegen die religiösen, illiberalen und undemokratischen Extremisten auf beiden Seiten“. Auch dieser Weg bleibt steinig.
Was heißt das für Deutschland und alle anderen Demokratien der Welt? Neben Unterstützung der Kriegsopfer wohl auch: Demokratie muss sich selbst ernst nehmen. Ausgrenzungen ganzer Bevölkerungsgruppen können, je radikaler sie durchgeführt werden, desto absehbarer langfristig nur zu noch größeren Problemen, ja Katastrophen führen.