Für eine internationale Tagung eines kirchlichen Dachverbands ist dieser Tagesordnungspunkt etwas Besonderes: Alle mehr als 350 Delegierten der Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds (LWB) besuchen am heutigen Freitag die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Mit einem gemeinsamen Gebet wollen sie an die Opfer des größten Menschheitsverbrechen aller Zeiten erinnern, der Shoa.
Was gerade in Zeiten des russischen Angriffskriegs mitten in Europa angebracht ist. Was gerade in Zeiten von Lagersystemen in China und dem Aushungern der Bevölkerung von Berg-Karabach angebracht ist. Und was auch angesichts zahlreicher, in Europa längst vergessener Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent mehr als angebracht ist. Denn die Shoa darf sich nicht wiederholen. Den Anfängen muss gewehrt werden. Und deswegen ist es wichtig, dass nicht nur Europäer Auschwitz besuchen. Aber eben auch. In der letzten Woche nämlich war noch eine weitere Delegation zu Gast in der Gedenkstätte. Kulturminister mehrerer Bundesländer, darunter die Brandenburgerin Manja Schüle (SPD) und ihre Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese (SPD), reisten unter Leitung des Thüringer Ministers Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) nach Auschwitz, um über das Gedenken in einer Zeit nachzudenken, in der es keine Zeitzeugen mehr gibt. Besuche in Gedenkstätten können da eine wichtige Rolle spielen.
Und gerade in einer Zeit, in denen eine vom Verfassungsschutz beobachtete, rechtsextremistische Partei bei Landtagswahlen in mehreren Bundesländern mehr als ein Drittel der Wählerstimmen erhalten würde, und immer mehr rechtsradikale Vorfälle an Schulen bekannt werden, muss ein Besuch in Auschwitz dazu gehören. Eine Klassenfahrt in die polnische KZ-Gedenkstätte sollte zum verpflichtenden Curriculum jedes einzelnen deutschen Schülers gehören, egal, ob er das Abitur ablegt oder nach dem mittleren Schulabschluss eine Lehre anstrebt. Denn auch in Deutschland ist es wieder nötig, den Anfängen zu wehren.