Militärseelsorge macht auch vor königlichen Häuptern nicht Halt. Prinz Max von Sachsen, der jüngste Bruder des letzten sächsischen Königs, war Priester geworden und begleitete das deutsche Heer 1914 auf dem Belgienfeldzug. Das Grauen, das er dort erlebte, veranlasste ihn zu einer für die damalige Zeit radikalen Hinwendung zum Pazifismus. Dass die Soldaten der geistlichen Begleitung bedurften, stellte er aber nie in Abrede. Denn Militärseelsorge ist ein wichtiges, verantwortungsvolles Amt, ihren Kritikern zum Trotz.
Gerade geht in Salzburg ein internationales Treffen der Militärbischöfe aus aller Welt zu Ende. Geistliche aus aller Welt, die für ihre jeweiligen Soldaten verantwortlich sind, beraten über Themen wie den Krieg in der Ukraine, die Wahrung der Menschenrechte oder die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Stets können sie damit rechnen, dass Initiativen von friedensbewegten Kritikern ihnen vorwerfen, Militärseelsorge und christlicher Gewaltverzicht passten nicht zusammen; die Militärseelsorge sei ein Relikt aus einer Zeit, als „Thron und Altar“ eng verwoben waren. Die Bilder vom Beginn des Ersten Weltkrieges, als Priester Kanonen segneten, wirken lange nach. Aktuell kommen die Predigten eines Kyrill von Moskau hinzu.
Doch diese Kritik übersieht, dass die Militärseelsorge seit der Zeit Konstantins des Großen nicht nur die älteste kirchliche Gruppenseelsorge ist, sondern auch eine der wichtigsten. Papst Franziskus fordert, dass Kirche auch dahin gehen soll, wo es dreckig und dunkel ist. Damit sind nicht nur die Slums der Städte gemeint, sondern auch die Schlachtfelder der menschlichen Kriege. Soldatinnen und Soldaten bleiben mit der Beteiligung an Kriegen und Konflikten auch weiterhin Christen, die der Seelsorge bedürfen. Gerade in einer Zeit der immer undurchschaubareren Krisen und der daraus erwachsenen zahlreichen moralischen Konflikte ist Militärseelsorge ein unverzichtbarer Bestandteil der Pastoral. Der Vorwurf, geistliche Militärbegleitung würde kriegerische Auseinandersetzungen legitimieren und schlimmstenfalls segnen, macht nicht nur aus einigen historischen Beispielen eine unzulässige Verallgemeinerung, er ignoriert auch das legitime spirituelle Bedürfnis einer Personengruppe, die sich einer existenziellen Herausforderung gegenübersieht.
Zudem wäre es eine falsch verstandene und fatale Form missverstandener „Entweltlichung“, wenn sich Kirche aus der Beschäftigung mit den Krisen der Welt zurückziehen würde, beziehungsweise einseitig die Truppe exkludiert. Deren Bedürfnis nach geistlicher Begleitung ist ein großes, und das nicht nur auf katholischer Seite. Die Existenz von Militärrabbinern oder auch Militärimamen wie in Österreich – und für die Rabbiner inzwischen auch in Deutschland – gibt davon eindrucksvoll Zeugnis.