Schöpfungs- und TierethikDie Kreatur

Unser Umgang mit der Natur zeugt noch immer von einer kindlichen Naivität.

Wenzel Widenka
© Florian Nütten

Vor einigen Wochen fiel ein italienischer Jogger einem Bärenangriff zum Opfer. Die Bärin wurde als „Problembär“ klassifiziert, einige Verhaltensregeln bei Begegnungen mit Bären kolportiert und die Sache geriet in Vergessenheit. Gleichzeitig wurde vermeldet, in Deutschland stiegen die Anmeldungen zum Erwerb des Jagdscheines auf ungeahnte Höhen.

Unser Umgang mit der Mitkreatur entwickelt sich, Klimawandel und Schöpfungs-Debatten hin oder her, weitgehend zu einer infantilen Naturromantik. Für unsere Ahnen war es selbstverständlich, dass der biblische Herrschaftsauftrag eine Frage des puren Überlebens war. Die Schöpfung und mit ihr die Geschöpfe waren vielleicht in Gottes Augen „gut“, immerzu freundlich waren sie keinesfalls. Die Zivilisation bot Schutz vor dem Chaos, das vor den Toren der Stadt sich ausbreitete. Wer sich in die Natur begab, kam darin um. Niemand erwartet Gnade von einem Bären. Oder Rücksichtnahme von einem Wolf.

Heutige Schöpfungs- und Tierethiken wirken angesichts einer fortwährenden Entfremdung des Menschen von der ihn umgebenden Natur unfertig. Wer konsequenterweise Kunstfleisch in Laboren züchtet oder sich Ersatzprodukte auf den Grill schmeißt, mag damit vielleicht zum Tierwohl beitragen. Der Natur näher kommt er dadurch nicht, ganz im Gegenteil. Die damit einhergehende Begeisterung für die „unberührte Natur“ mit ihren faszinierenden Geschöpfen gleicht damit einem Kind, das ein Bilderbuch liest. Gleichzeitig werden Naturphänomene und Katastrophen instinktiv dem menschengemachten Klimawandel zugerechnet. Damit werden diese aber nur verfügbar und verstehbar gemacht, der Mensch als Quelle allen Übels einer guten, intakten Natur diametral gegenübergestellt. Doch wer eine Sache zerstören kann, beherrscht sie. Hinter all der Naturromantik verbirgt sich also wiederum nur menschliche Hybris – die aber beispielsweise am Bären scheitert.

Es ist gut, dass sich wieder mehr Menschen für die Jagd begeistern. Vielleicht trägt dies zu einer neuen Demut bei, die die Natur nicht als bemitleidenswertes Opfer des Menschen begreift, sondern als Meisterwerk des Schöpfers: überwältigend, gütig, aber auch tödlich und herausfordernd.

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