Sie wissen, was sie getan habenVertuschung

Warum kommt es immer erst infolge von Studien und juristischen Gutachten zum Schuldeingeständnis? Eine Mehrheit der Deutschen ist inzwischen für einen kollektiven Rücktritt der Bischöfe.

Benjamin Leven, Redakteur der Herder Korrespondenz
Benjamin Leven, ehemaliger Redakteur der Herder Korrespondenz

„Man sei mit einem Rücktritt (Bischof Franz-Josef Bode, 72, aus Osnabrück) glimpflich davongekommen und die Kirchensteuerausfälle infolge von Austritten seien gut verkraftbar.“ Mit dieser Einschätzung zu den Auswirkungen des Missbrauchsskandals zitiert Nikolaus Harbusch in der „Bild am Sonntag“ am 16. April 2023 „kirchliche Insider“. Eigentlich kaum vorstellbar, dass man in Kirchenkreisen derart zynisch auf den Missbrauchsskandal blickt.

Und doch ist immer wieder ein bestimmtes Handlungsmuster erkennbar: Verantwortung wird, wenn überhaupt, erst dann eingestanden, wenn kein Weg mehr daran vorbeiführt. War der ehemalige Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch wirklich auf die Untersuchungsergebnisse eines eigens beauftragten Juristen angewiesen, um zu erkennen, dass er Bischof Georg Bätzing über die Vorwürfe gegen den Priester Christof May hätte informieren müssen, als dieser May 2018 zum Regens seines Priesterseminars ernannte? Musste erst eine Kommission jahrelang nachforschen und einen vielhundertseitigen Bericht erstellen, bevor der emeritierte Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch in der Lage war, einzugestehen, dass er mit der Vertuschung von Missbrauchsfällen Schuld auf sich geladen hatte?

Man würde doch annehmen, dass katholische Geistliche regelmäßig ihr Gewissen erforschen und wissen, was sie getan haben. Ist es also nötig, die Ergebnisse weiterer Studien, Gutachten und Untersuchungen abzuwarten, bevor Kirchenführer zu ihrer Verantwortung stehen?

Harbusch fordert einen „kollektiven Rücktritt mit glaubwürdigem Bekenntnis zur Schuld“. Auch eine relative Mehrheit der Deutschen würde einen solchen Schritt begrüßen. Laut einer von der „Tagespost“ in Auftrag gegebenen repräsentativen Befragung sehen 44 Prozent einen Rücktritt aller deutschen Bischöfe als Voraussetzung für eine Lösung des Missbrauchsproblems in der Kirche an. 31 Prozent sieht das nicht so, 21 Prozent haben zu der Frage keine Meinung und vier Prozent möchten keine Angabe machen.

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