Der Papst und die DiktaturenVon allen Römern verlassen

Wenzel Widenka, Volontär
Wenzel Widenka, Volontär bei Christ in der Gegenwart© Florian Nütten

Bischof Rolando Álvarez wird die nächsten 26 Jahre unschuldig in Haft verbringen. Am vergangenen Freitag verurteilte ihn ein Gericht in Nicaragua wegen Regimekritik und Hochverrat. Der Bischof hatte sich zuvor geweigert, zusammen mit einem Großteil der Opposition zwangsexiliert zu werden. Ob ihn Papst Franziskus im Gefängnis besucht, ist zweifelhaft.

Am Sonntag erwähnte ihn Franziskus immerhin erstmalig im Angelus-Gebet und drückte seine „Besorgnis“ über die Kirche in Nicaragua aus. Freilich blieb der Papst seiner Linie treu, Diktatoren wie den sandinistischen Gewaltherrscher Daniel Ortega nicht beim Namen zu nennen. Er betete um die „Öffnung der Herzen“ der „verantwortlichen Politiker“. Zuvor hatte die vatikanische Diplomatie das erwähnte Exilierungsangebot ausgehandelt. Doch das ist zu wenig für die verfolgten Christen Südamerikas. Weder in Kuba noch in anderen Verfolgerstaaten wie Venezuela können Christen darauf vertrauen, dass Franziskus öffentlich Stellung gegen lupenreine Demokraten wie Nicolás Maduro oder Miguel Díaz-Canel bezieht. Bischof Álvarez hatte das Pech, von einer linksradikalen Macht unterdrückt zu werden.

Diese Erfahrung teilt er sich mit den Christen im kommunistischen China. Das erst kürzlich erneuerte Abkommen des Vatikan mit der Regierung Xi Jinpings hat die Situation der Christen in China nachweislich nicht verbessert. Noch immer werden Bischöfe ohne Absegnung des Vatikan geweiht. Der Prestigegewinn für die KP ist enorm, der Nutzen für Rom überschaubar. Allein gelassen fühlen sich die jahrelang romtreuen Bischöfe und Gläubige der chinesischen Untergrundkirche. Bischof Álvarez wird sie verstehen.

Es mag richtig sein, dass der Vatikan nur auf die Macht der Diplomatie setzen kann und spektakuläre Einzelkonfrontationen mehr Schaden als Nutzen erzeugen. Dennoch fällt die Einseitigkeit und Zögerlichkeit auf, mit der sich Franziskus zu Wort meldet, wenn es um linke, vor allem lateinamerikanische Diktaturen geht. Will der Vatikan als diplomatisches Schwergewicht wahrgenommen werden, so darf er nicht Sehschwierigkeiten auf einem Auge erkennen lassen. Will der Vatikan als moralisches Schwergewicht wahrgenommen werden, so muss er jegliche Romantisierung lateinamerikanischer Politik aufgeben. Gewaltherrscher sind nur allzu schnell bereit, diese kurzsichtige Beschwichtigungspolitik für ihre Zwecke auszunutzen.

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