Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele:Inklusiv

Die Olympischen Spiele haben begonnen und mit ihnen ein Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern einer kurzen Szene während der Eröffnungsfeier in Paris. Wurde das Abendmahl verhunzt – oder zeigte die Darstellung etwas ganz anderes?

Hilde Naurath, Redakteurin der Herder Korrespondenz

Katholische und orthodoxe Bischöfe sowie Donald Trump, Elon Musk und andere sprechen von einer Verhöhnung des Christentums. Laut Einschätzung der Französischen Bischofskonferenz wurden Christen auf allen Kontinenten durch Provokation und Übertreibung verletzt. Die Szene des Anstoßes: Dragqueens hatten gemeinsam mit Tänzern eine Szene dargestellt, die an das Meisterwerk „Das letzte Abendmahl“ Leonardo da Vincis erinnert. Als eins der berühmtesten Kunstwerke weltweit ist das Gemälde gleichzeitig eins der meistzitierten, damit auch meistparodierten Werke überhaupt. Jedes einzelne Referenzwerk in allen Genres von Computerspielen bis Werbung stellt selbstredend Form und Inhalt in einen je eigenen Zusammenhang. Die Olympiade aber schien für viele Beobachter der eine Tropfen zu viel zu sein: Das „queere Abendmahl“ sei ein Tiefpunkt und in der Inszenierung völlig überflüssig gewesen, so der Sportbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Oster.

Thomas Jolly, Regisseur der Eröffnungszeremonie, erklärte angesichts all der Aufregung: Da Vinci sei gar nicht seine Inspiration gewesen. Er habe ein olympisches Fest darstellen wollen; ein blau angemalter Mann mit einer Art Weinreben im Haar habe den griechischen Gott Dionysos dargestellt. Im Zentrum habe „eine Botschaft der Liebe und der Inklusion“ gestanden.

Kunstkenner fanden denn auch frappierende Ähnlichkeiten der Szene in dem Gemälde „Fest der Götter“ des holländischen Malers Jan Harmensz van Biljert aus dem 17. Jahrhundert: Die Götter des Olymps feiern die Hochzeit von Thetis und Peleus; in der Mitte des Tisches steht nicht Christus, sondern Apollo mit einem Strahlenkranz, umgeben von halbnackten Göttinnen und Göttern.

Jollys Erklärung lehnten viele Kritiker ab, schon aus Gründen der jeweiligen Bekanntheit der Gemälde. Stefan Oster untermauerte sogar seine Kritik. Es habe sich um ein großes Spektakel für alle Sinne gehandelt, zugleich sei aber deutlich geworden, „wie sehr im Grunde unser christliches Menschenbild auf dem Spiel steht“.

Beobachter tippten wiederum, schon van Biljert habe mit seiner Darstellung da Vinci aufgegriffen, vor allem als Kritik an der Kirche seiner Zeit.

Steht nun das christliche Menschenbild auf dem Spiel, wenn eine grellbunte Truppe bei einem Sportereignis von Weltrang auf ein zentrales Geschehen des christlichen Glaubens anspielen sollte, und das in einer Szene, in der es um Liebe und Inklusion gehen soll? Oder ist es nicht vielmehr beruhigend, dass die Darstellung eines biblischen Geschehens weiterhin weltweite Relevanz hat, auch und gerade bei einem Sportereignis antiken Ursprungs? Denn zwar lädt Höchstleistungssport seit jeher nur Ausnahmesportler ein. Doch nicht nur dionysischen, sondern auch christlichen Feiern wird dann eine sämtlich alle Sterbliche umfassende Einladung zugetraut: Alle Kinder Gottes sind willkommen. Dieses Menschenbild sollte doch christlich sein, auch und gerade in der Binnensicht.

Wenn man sich allerdings nicht nur das Meisterwerk da Vincis, sondern auch entsprechende katholische Feiern ansieht und wer dort üblicherweise um einen Tisch versammelt ist, dann fällt weiterhin vor allem der scharfe Kontrast zur olympischen Szene auf. Denn sie sind nicht nur weniger fröhlich, sondern vor allem weit weniger inklusiv.

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