Im sizilianischen Catania gibt es eine berühmte Süßspeise, die „Minne di Sant’Agata“, die Brüste der Heiligen Agata. Die kleinen Kuchen in Brustform, garniert mit einer Kirsche, erinnern an jene Heilige aus dem 3. Jahrhundert, der der Legende nach die Brüste abgetrennt wurden. Von dem Martyrium berichten auch viele Kunstwerke vor allem aus dem Barock; sie zeigen die Heilige, die ihre abgeschnittenen Brüste auf einem Tablett trägt. Auch andere heilige Brüste spielen in der Kunst eine Rolle, nämlich die Brüste Mariens. „Maria lactans“, ein ursprünglich aus dem alten Ägypten stammendes Motiv, zeigt die Gottesmutter beim Stillen und ziert viele Kirchen.
Im Linzer Dom kam Ende Juni ein weiteres Werk hinzu. Die Skulptur „crowning“ der Künstlerin Esther Strauß stellt Maria beim Geburtsakt dar – auf dem Rücken liegend, den Bauch und die Schenkel entblößt. Nur wenige Tage später wurde die Skulptur zerstört, Unbekannte sägten ihr den Kopf ab. Der Bayerische Rundfunk berichtet von einem möglichen Bekenner-Schreiben aus dem rechtskatholischen Milieu. Auf einschlägigen Plattformen wurde die Tat bejubelt: Schließlich sei es schändlich, ja gar blasphemisch, die Gottesmutter in so intimer Pose zu zeigen, regten sich Katholikinnen und Katholiken auf, ein Skandal, und was für einer!
Dabei war und ist der Skandal im christlichen Glauben doch eigentlich ein anderer, nämlich der Tod Christi am Kreuz. Ein Akt kaum zu überbietender Brutalität; da hängt er, der geschundene Leib des Herrn, in all unseren Kirchen – und wenn es nach Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder geht, auch in vielen anderen Einrichtungen des Freistaats. Kaum auszuhalten, der Schmerz des leidenden Gottessohnes, und so zentral dieser so öffentlich zur Schau gestellte, intime Moment des Todes für den christlichen Erlösungsglauben!
Nur bei Maria, der Reinen, der Jungfrau, da misst manch einer mit zweierlei Maß. Geburt ist körperlich, ist laut, ist schmerzhaft, auch für Maria. Und Menschwerdung bedeutet eben auch: Geboren werden. Menschwerdung und Tod am Kreuz bekennen Christinnen und Christen jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis. Wer also jubelt, wenn der gebärenden Muttergottes der Kopf abgetrennt wird, der hat vielleicht gar kein Problem mit Blasphemie, die allenfalls als Ausrede gelten kann. Sondern vielmehr eins mit dem weiblichen Körper.