In den Lesungen der Adventssonntage geht es in katholischen Gottesdiensten um die endzeitliche Ankunft des Menschensohnes, werden die alten prophetischen Verheißungen beschworen – inzwischen ein extremes Minderheitenprogramm. Flächendeckend sind dagegen quer durch Deutschland Advents- beziehungsweise Weihnachtsmärkte anzutreffen, weht all überall der Geruch von Glühwein und Bratwürsten. Es gibt in unserer Gesellschaft heute zwei Spielarten von Advent, wobei die Abstimmung mit den Füßen zwischen den beiden eindeutig ausfällt.
Traditionsbewusste Christenmenschen sind hier Bürger zweier Welten, wie auch sonst im alltäglichen Leben unter grundsätzlich säkularen Bedingungen in einem freien Land. Daran wird sich aller Voraussicht nach auch in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. Weihnachtsmärkte mit ihrem besonderen Flair sind mit der allgemeinen Säkularität kompatibel, wogegen sich die Botschaft von Adventsgottesdiensten eher sperrig ausnimmt. Es gibt zwar Brücken zwischen den beiden Wirklichkeiten, nicht zuletzt musikalisch-ästhetischer Art: Advents- und Weihnachtskonzerte, etwa mit Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“, finden durchaus ihr Publikum auch über den Kreis der praktizierenden Gläubigen hinaus. Durch Bachs Kunst wird auch ein Arientext wie „Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben“ zum Erlebnis. Aber das ändert im Allgemeinen nichts an der Fremdheit, mit der „normale“ Zeitgenossen dem vom Grundcharakter her eher kargen christlichen Advent gegenüberstehen.
Eine wichtige Brücke ist allerdings nicht zu übersehen. Im Advent häufen sich Spendenaktionen zugunsten Benachteiligter und Bedürftiger, hat Nächstenliebe sozusagen Hochkonjunktur, sitzt der Geldbeutel für soziale Zwecke bei nicht wenigen Menschen lockerer als sonst das Jahr über. Für Christen gilt die Zusage des Weltenrichters: „Was ihr für einer meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Sie könnten durch eine entsprechende Praxis nicht nur im Advent für ihren Glauben im besten Sinn, nämlich unspektakulär, werben.