Machtwechsel in SyrienFester Zusammenhalt

Wie sicher sind Christinnen und Christen nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien? Gerade im Chaos des Neuanfangs ist Solidarität gefragt.

Isabel Barragán
Isabel Barragán, freie Journalistin© privat

Wenige Tage nach dem Sturz des Assad-Regimes ist die Lage noch unübersichtlich. Christen begegnen ihr mit gemischten Gefühlen. Auch sie freuen sich über den Umbruch. Zugleich befürchten viele von ihnen neue Gefahren unter der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham. Übergriffe auf Christen hat es nach Medieninformationen (Stand am Donnerstag) bislang noch keine gegeben. Der Nahost-Experte Pierre-Jean Luizard aber etwa warnte in einem Interview mit Radio Vatikan vor Verfolgungen religiöser Minderheiten. Insbesondere christliche Gemeinschaften liefen Gefahr, „ausgelöscht zu werden“.

Die meisten Einwohner Syriens sind Muslime. Christen machen einen Bevölkerungsanteil von zehn Prozent aus. Der Anteil religiöser Minderheiten liegt insgesamt bei 13 Prozent. Ein Großteil der Christen gehört der Assyrischen Kirche des Ostens an, einer unabhängigen Glaubensgemeinschaft. Streitereien zur Einführung des gregorianischen Kalenders führten in den Sechzigerjahren zu einer Spaltung in eine „Kirche des Ostens“ und eine „Alte Kirche des Ostens“. Patriarch Louis Sako der chaldäisch-katholischen Kirche hatte noch vor wenigen Monaten zur Zusammenarbeit aufgerufen, um gemeinsam den Herausforderungen in Nahost zu begegnen.

Gerade jetzt, nach dem Sturz des Assad-Regimes, wird Solidarität umso wichtiger – und das auch international. Die meisten Angehörigen der Assyrischen Kirche des Ostens leben heute in der Diaspora, ein Großteil davon in den USA. Elias Zaidan, Bischof der Eparchie Our Lady of Lebanon in Los Angeles und Vorsitzender des Komitees für Internationale Gerechtigkeit und Frieden der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten (USCCB), rief in einer Erklärung deshalb dazu auf, Syrien zu unterstützen, da nun „ein neues Kapitel in seiner reichen Geschichte beginnt“.

Der Papst dagegen äußerte sich zur Situation in Syrien bislang vorsichtig zurückhaltend. Laut Radio Vatikan sagte Franziskus, er hoffe, „dass eine politische Lösung gefunden wird, die ohne weitere Konflikte und Spaltungen die Stabilität und Einheit des Landes verantwortungsvoll fördert“. Dabei gab es in den letzten Jahrzehnten bereits vielversprechende Annäherungen mit der Assyrischen Kirche des Ostens. 1994 unterzeichneten Papst Johannes Paul II. und Patriarch Mar Dinkha IV. bereits die Gemeinsame Erklärung zur Christologie.

Papst Franziskus sprach in diesen Tagen, 30 Jahre später, von einem „menschlichen, vollständigen Dialog“ und lud vor einem Monat den Primas, Katholikos-Patriarch Mar Awa III. zu sich nach Rom. Bleibt zu hoffen, dass es nicht beim Dialog bleibt. In der Erklärung von 1994 verpflichten sich die beiden Unterzeichner zumindest, „alles zu tun, um die Hindernisse der Vergangenheit zu beseitigen, die immer noch die Erlangung der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen verhindern, damit wir besser auf den Ruf des Herrn nach der Einheit seiner eigenen reagieren können, eine Einheit, die sichtbar ist“.

Anzeige: Geschichte der Päpste seit 1800. Von Jörg Ernesti

Die Herder Korrespondenz im Abo

Die Herder Korrespondenz berichtet über aktuelle Themen aus Kirche, Theologie und Religion sowie ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld. 

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen