Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine neue Ratsvorsitzende. An diesem Dienstag wählten die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Kirchenkonferenz der EKD die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs zur Nachfolgerin von Annette Kurschus, die im vergangenen Jahr wegen Vorwürfen zum falschen Umgang mit einem Missbrauchsfall zurücktreten musste (vgl. HK, Januar 2024, 36).
Das Wahlergebnis der Theologin war eher bescheiden: Nur 97 von 130 Wahlberechtigten stimmten für Fehrs. Der Hintergrund dafür ist klar: Ein seit Jahren umherwabernder, eher fragwürdiger Missbrauchsfall, mit dem die Nordkirche, und hier auch die Hamburger Bischöfin, falsch umgegangen sein soll. Hier wird es darauf ankommen, dass die Kirche auch im weiteren Umgang damit transparent ist. Einen wie auch immer gearteten Ratsvorsitzenden-Bonus darf es nicht geben.
Doch die Zahlen des Wahlergebnisses sind das eine. Das faktische Ergebnis ist das andere: Synode und Kirchenkonferenz der EKD haben die Hamburger Theologin am Dienstag gewählt und ihr das Vertrauen ausgesprochen. Denn es gehört zur Wahrheit dazu, dass Fehrs seit vielen Jahren eine der Vorkämpferinnen der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Evangelischen Kirche ist (vgl. HK, September 2021,17–21). Und es kann die Aufarbeitung und die Prävention nur stärken, wenn sie nun als Ratsvorsitzende amtiert.
Allerdings geht es in der evangelischen Kirche nicht nur um Missbrauch. Die Kirche wird sich in den nächsten Jahren auch mit dem Mitgliederschwund und den daraus resultierenden finanziellen Einbußen beschäftigen müssen. Strukturelle Veränderungen werden auf die Kirche zukommen: Ist es noch zeitgemäß, Pfarrer zu verbeamten? Lohnt sich der Einzug der Kirchensteuer durch die Finanzämter noch? Wie geht es mit den Staatsleistungen weiter? Braucht es abgestufte Formen von Mitgliedschaft? Hier kann es der EKD zum Vorteil gereichen, dass Fehrs kommunikativ ist, das Gespräch mit Medien und Öffentlichkeit sucht, und mittlerweile nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit über starke und tragfähige Netzwerke verfügt.
Und auch für die Ökumene ist die Wahl von Kirsten Fehrs zur Ratsvorsitzenden ganz sicher ein Gewinn. Zum katholischen Erzbistum Hamburg pflegt Fehrs seit vielen Jahren enge Beziehungen, auch zu den kleineren Kirchen in der Hansestadt stimmt das Verhältnis. Die nächsten drei Jahre können deswegen – bei allen existierenden Schwierigkeiten – durchaus gute Jahre für die evangelische Kirche werden.