Ich bin stolz auf meinen Namenspatron. Michael, der Erzengel, ist loyal und kämpft gegen das Böse. Nach ihm benannt zu sein fand ich schon als Kind toll und anspornend. Namenstag zu feiern ist heute eher unüblich, während es früher in manchen Gegenden Deutschlands sogar wichtiger war als der Geburtstag. Eltern machen sich immer noch sehr viele Gedanken darüber, wie sie ihr Kind nennen werden; die Vorstellung, ihm damit einen heiligen Schutzpatron und ein christliches Vorbild zu geben, zählt allerdings kaum noch zu den Kriterien der Namenswahl.
Neulich im Gottesdienst schwärmte der Priester in seiner Predigt vom Tagesheiligen, einem Märtyrer der frühen Kirche. Nicht nur, dass er für seinen Glauben im Kolosseum auf grausamste Weise den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde, es ging ihm um die Deutung dieses Todes. Der zermalmte Körper sei zum Weizenkorn geworden, das reiche Frucht getragen habe, das vergossene Blut habe die Saat des Glaubens aufgehen lassen. So habe Ignatius von Antiochien (um den handelte es sich) seinen Tod als Nachfolge Christi verstanden.
Angesichts dieser Rhetorik war ich fast froh, dass keine Kinder im Werktagsgottesdienst waren. Es ist schlimm genug, dass Menschen auch heutzutage für ihren Glauben diskriminiert und verfolgt werden. Sie zu stärken, sich für sie einzusetzen und gegen die Verfolgung anzukämpfen ist eine – wichtige – Sache. Das Martyrium anzupreisen als den besten Weg, Gott zu dienen und Christus nachzufolgen, eine andere. Das erinnert mich zu sehr an junge Männer, die sich Sprengstoffgürtel umschnallen und unter der Anrufung Allahs andere mit in den Tod reißen. Ihnen wurde erzählt, dass im Paradies die Jungfrauen auf sie warteten und dass ihr (Selbst-)Mord Gottes Wille sei. Jeder gefallene Soldat, jeder Attentäter wird zum Helden und Gotteskrieger stilisiert in einem zerstörerischen Krieg. Wie viel Blutvergießen könnte verhindert werden, wenn der Lobpreis des Martyriums im Nahen Osten in dessen Ächtung umgemünzt werden könnte! Falsche Begeisterung für fragwürdige Vorbilder ist kein Weg zum Frieden und auch nicht zu Gott.