Ob das eigene Handeln weise oder töricht ist, weiß man oft erst später. Den Diplomaten des Papstes blieb das Risiko dieser späten Erkenntnis erspart – sie waren vorher klüger in einem aktuellen Fall von Brisanz: Bereits vor Monaten lehnten sie die Einladung ihres Chefs zur Einweihung der Pariser Kathedrale ab. Nach fünf Jahren Sanierung sollte die Kirche Notre-Dame in einem feierlichen Akt übergeben werden. Dutzende Staatschefs waren geladen und kamen auch, und die Welt sah zu. Nur der Papst fehlte, genauer gesagt: Er fehlte nicht. Denn Franziskus und seine Berater hatten geahnt, dass Präsident Emmanuel Macron einen Staatsakt zur eigenen Ehre plante und kein Hochamt. Den Heiligen Vater hätte man mutmaßlich zwischen dem Großherzoge von Luxemburg und Brigitte Macron platziert und damit deplatziert.
Oder neben Donald Trump, dem designierten US-Präsidenten, der bereits wie ein amtierender Präsident auftritt. Macron hatte den Wahlsieger vom November überraschend eingeladen und damit das Jahrhundert-Ereignis in Notre-Dame radikal instrumentalisiert. Gut, dass im römischen Staatssekretariat erfahrene Prälaten sitzen mit Gespür für historische Momente. Sie mögen sich an das Jahr 1804 erinnert haben, an dem sich der Konsul Napoleon in Notre-Dame zum Kaiser krönte. Im Hintergrund saß damals ein geknickter Papst Pius VII. Der Eroberer und Kirchenfeind Napoleon hatte Pius nach Paris zitiert und vor den Altar gesetzt – als Staffage seiner imperialen Inszenierung. Dieser Tag von Paris markiert einen Tiefpunkt der päpstlichen Geschichte.
Mit dieser Erinnerung im Hinterkopf konnte Franziskus nicht nach Paris reisen. Dafür setzte er nach Korsika über, segnete Kinder, sprach mit seinen Priestern, predigte in der Kathedrale Ajaccio über Demut und Alter. So soll es sein.