Die Kirchen und die Gesellschaft haben in den vergangenen Wochen vor dem Hintergrund der Abstimmungskooperation der CDU/CSU-Fraktion mit der AfD intensiv um das „C“ in der Politik debattiert. Da ist die Aussage des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder am vergangenen Wochenende eine Art Retourkutsche, erklärt er nun den Kirchen, was sie im Blick auf ihre eigentliche Aufgabe zu tun hätten: Sich nicht in politische Fragen einmischen, aber für die entsprechende Regelung des Paragrafen 218 sorgen. Seine Einlassung begründete er damit, dass ja der Staat die Gehälter der Kirchen bezahle und die CSU die einzige Partei sei, die noch zur Kirche stünde.
In dieser Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten verschiebt sich offenkundig einiges. Dass ein Vertreter des Staates vorgibt, wie die Kirchen ihre Botschaft zu interpretieren und zu leben hätten, gehört eigentlich längst vergangenen Zeiten an. Zur Erinnerung: Wir feiern in diesem Jahr 1700 Konzil von Nicäa. Dort war es niemand anderer als Kaiser Konstantin, der letztendlich die entscheidende Formel zur Christologie festlegte. Solch eine Vermischung der beiden Bereiche von Religion und Politik ist in einer modernen, freiheitlichen und demokratischen Ordnung definitiv so nicht mehr möglich, ist hier doch die Trennung von Staat und Kirche ein entscheidender und konstitutiver Faktor.
Das aber scheint erneut bei Markus Söder in Vergessenheit geraten zu sein; er schließt damit exakt an den Grundduktus des Kreuzerlasses der bayrischen Staatsregierung aus dem Jahr 2018 an, demzufolge es doch auch der Staat sein sollte, der die Kreuze in allen öffentlichen Gebäuden (zumindest in Bayern) aufhängt. Solche religiösen Festlegungen sind nicht Aufgabe eines Politikers der Bundesrepublik. Und aus der Perspektive der Kirchen muss völlig klar sein, dass sie sich um der Treue zum Evangelium und des Dienstes am Menschen willen ihre kritische Präsenz in Gesellschaft und Politik in keiner Weise verbieten lassen können. Vielleicht kann sich Söder das vom renommierten Altmeister zu solchen Fragen, seinem Parteikollegen und ehemaligen bayrischen Kultusminister Hans Maier, sagen lassen, der dies 2018 mit einem Zitat aus seinem Buch von 1970 völlig klar formuliert: „Das Politische ist ja für die Kirche kein schlechthin externer Bereich. Dort, wo elementare Rechte des Menschen auf dem Spiel stehen, etwa das der körperlichen Unversehrtheit, dort muss die Kirche heute in der Tat der Politik, ,den Mächtigen' ins Gewissen reden und, wo möglich, in den Arm fallen; dort, wo die bürgerliche Freiheit angegriffen und zerstört wird, darf sie nicht in der illusionären Erwartung, die Freiheit der Kirche bewahren zu können, sprach- und tatenlos beiseitestehen".
Maier macht deutlich, dass er den Begriff der politischen Theologie für ungeeignet hält, weil dieser durch Carl Schmitt vorbelastet sei (daraus resultierte eine heftige Debatte mit Johann Baptist Metz in den Siebzigerjahren). Er betont aber deutlich, dass er sich „in der Sache […] mit Metz durchaus einig“ war; dass er dessen „These, dass das christliche Heil kein privates Heil sei, dass es vielmehr ‚draußen‘ stehe im Raum der Gesellschaft, dass seine Verkündung immer aufs Neue in die gesellschaftliche Verantwortung zwinge und im Grenzfall in den Konflikt mit der existierenden Gesellschaft führe, […] ausdrücklich zu(stimme)“.
Zudem: Es ist nicht die Frage, welche Partei (noch) an der Seite der Kirche steht, sondern einzig und allein die Frage, ob die Kirche an der Seite der Menschen in Not steht. Es ist auch nicht die Frage, ob der Staat die Gehälter der Kirchen bezahlt und er deswegen meint, Wohlverhalten in den Augen „der Mächtigen“ einfordern zu können. Zum einen wird hier auf die viel diskutierten Staatsleistungen angespielt, die aber nicht einfach die Zahlung der Gehälter der Hauptamtlichen der Kirchen sind; es stehen auch nicht einfach die Bischöfe auf der Gehaltsliste des Staates, vielmehr erhalten die Kirchen vom Staat einen entsprechenden Betrag, den sie dann für unterschiedliche Bereiche, zum Beispiel für den sozial-caritativen, einsetzen. Und zum anderen zu meinen, man habe damit das Recht, sich den Verzicht der Kirchen auf Kritik einkaufen zu können und sie zu parteigebundenen Jasagern zu machen, macht das gefährliche Spiel des Politikers deutlich.