Wie christlich ist das noch? Als Friedrich Merz seinen Fünf-Punkte-Plan für eine verschärfte Migrationspolitik vorlegte, reagierten sowohl katholische als auch evangelische Kirchen entrüstet: Merz verlasse „wissentlich in der Frage des Asylrechts den Boden des Grundgesetzes“, sagte Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Essens Bischof Franz-Josef Overbeck nannte die gemeinsame Abstimmung mit der AfD „schrecklich“.
In einer Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro in Berlin und der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland heißt es: Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen hätten einen Anschlag nicht verhindert. Ursache sei vielmehr ein „Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker“. In einem Begleitschreiben warnen Kirchenvertreter davor, „dass die deutsche Demokratie massiven Schaden“ nehmen könne, wenn Merz ein Gesetz auf den Weg brächte, das von der Zustimmung der AfD abhängig ist.
Für einen Kanzlerkandidaten, dessen Partei das „C“ im Namen trägt, sind solche Vorwürfe einen Monat vor der Wahl besonders heikel. Noch 1945, im Jahr ihrer Gründung, sprach sie sich in den Kölner Leitsätzen für „soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe“ aus. Zum Ziel setzte sie sich eine soziale Ordnung, die „die der demokratischen Überlieferung der deutschen Vergangenheit ebenso entspricht wie der Weite und dem Geiste des christlichen Naturrechts“.
Gerade für potenzielle christliche Wähler waren die letzten Tage verstörend. Kirche und CDU drohen auseinander zu driften – und das in einer ohnehin zunehmend gespaltenen Gesellschaft. Inzwischen ruderte die Deutsche Bischofskonferenz zurück und distanzierte sich von der Stellungnahme. Das Schreiben sei nicht von den Bischöfen abgesegnet worden. Der hessische Ministerpräsident, Boris Rhein (CDU), zeigte in einem Gespräch mit der „Frankfurt Allgemeinen Zeitung" andererseits Unverständnis dafür, warum sich Kirchen gegen „die letzte verbliebene, sich klar zum Christentum bekennende politische Kraft aussprechen“. Wo aber bleibt eine selbstkritische Stellungnahme der Christdemokraten gegenüber Kirchenvertretern? Ein solcher Schritt steht bislang noch aus.