Wie kein anderes großes Land in Europa ist Deutschland seit der Reformationszeit durch das Nebeneinander zweier konfessioneller Blöcke geprägt. Zuerst durch die Koexistenz katholischer und protestantischer Territorien im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“, dann durch protestantische Dominanz bei Gegenwehr der katholischen Minderheit im „Deutschen Reich“, zuerst unter dem König von Preußen als deutschem Kaiser, dem die kurzlebige Weimarer Republik folgte. Im „Dritten Reich“ gingen Protestanten und Katholiken in Deutschland ideologisch weitgehend getrennte Wege. Nach der Zäsur von 1945 kam es in der Bundesrepublik zur zahlenmäßig katholisch-protestantischen Parität, engagierte sich der katholische Volksteil sehr stark für die Gestaltung der neuen demokratischen Ordnung. Gleichzeitig wurde Deutschland zu einem der Mutterländer der Ökumenischen Bewegung.
Inzwischen ist der Prozentsatz der Bundesbürger, die den beiden großen christlichen Kirchen angehören, auf unter die Hälfte der Bevölkerung gesunken. Die markanteste Veränderung in der konfessionellen Landschaft Deutschlands betrifft dabei zweifellos den katholischen Teil: Unter dem „verlorenen Himmel“ (Thomas Großbölting) hat sich das katholische Deutschland mit seinen bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Strukturen als identifizierbarer Block weithin aufgelöst oder ist in Auflösung begriffen. Es bleiben kulturell-religiöse Restbestände (wie Oberbayern und Oberschwaben mit ihren unzähligen Barockkirchen). Aber traditionelle katholische Frömmigkeit mit ihren Formen ist genauso verschwunden wie das politisch-soziale Engagement mit katholischem Hintergrund, von den die Bundesrepublik lange in erheblichem Umfang profitiert hat.
Der deutsche Katholizismus wird so vermutlich immer mehr zu einer der vielen, mehr oder weniger attraktiven, Varianten am großen Baum des Christlichen in der späten Moderne. Das macht die klassische ökumenische Arbeit in Zukunft nicht unnötig, aber sie wird noch mehr zu einem reinen Minderheitenprogramm.