Als Tourist darf man auf alles gefasst sein – sonst wäre es ja kein Urlaub, wenn es im Ausland gleich zuginge wie in Deutschland. In Neapel stieß ich kürzlich auf so eine Merkwürdigkeit: An einer belebten Straße unweit vom berühmten Archäologischen Museum hingen zwei Todesanzeigen. Sie waren Oscar und Dikky gewidmet – zwei Hunde, deren Familien den Tod ihrer Lieblinge in antik anmutender Gefühligkeit beklagen. „Con grande emozione“ verabschieden sich die Besitzer von ihren Lieblingen, und jeder Passant kann an den familiären Tragödien teilhaben. Von Oscar heißt es, er sei „die größte Freude im Leben seiner Familie gewesen“. Die größte Freude!
Auch in Deutschland kommt Leid über ein Haus, wenn das treue Haustier geht. Zuvor werden alle medizinischen Hebel in Bewegung gesetzt, um den vierbeinigen Genossen zu heilen. Neben den klassischen Veterinären hat sich eine Branche etabliert, die den Dackel mit Physiotherapie oder mentalem Training wieder auf die Füße stellt. Und die Tierfriedhöfe mit liebevoll gestalteten Gräbern sind hierzulande gut bestückt. Aber eine Todesanzeige, dazu noch mit stark christlichen Anklängen – das ist eine andere Kategorie. Oscar und Dikky seien ein „Geschenk des Herrn“ gewesen, liest man gebannt in der Anzeige in Neapel.
Eine Frage liegt nach dem Abschied nahe: Wird man diese Hausgenossen eines Tages wiedersehen? Nicht nur Tierfreunde in Italien rätseln darüber. Mit einem Hund verbringen Menschen oft mehr Zeit als mit einem nahen Menschen. Man kennt sich. Das Tier zeigt Gefühle, es trauert und bellt vor Freude. Es kann warten und überschlägt sich fast beim Wiedersehen. Ein Hund ist Bruder und Schwester, etwa im Sinne des heiligen Franziskus. Ob er eine Seele hat? Die Witwe aus Neapel, die mit ihrem Mischling Tag für Tag durch die belebte Via Tribunali zieht, wird dies bejahen. Alles andere wird sich später klären, später.