In den meisten europäischen Ländern ist der Glaube eine Privatsache. Ein Bundeskanzler kann bei der Vereidigung im Parlament den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ sprechen – er kann es aber auch lassen. Donald Trump zog bei der Einführung ins Amt ganz andere Register. „Mein Leben wurde von Gott gerettet“, behauptete der neue Staatschef in seiner ersten Rede im Amt. Eine Rede, die nicht nur Nord- und Südamerikaner überraschte.
Es ist offenkundig, dass sich Trump nicht nur als Mandatsträger auf Zeit sieht, sondern als etwas Besonderes. Von einer „Mission“ war schon bisher die Rede. In der ebenfalls eingestreuten Metapher vom Goldenen Zeitalter klingt ein biblisches Geschichtsbild an. Und dann die persönliche Rettung vor dem Attentäter? Gott soll demnach verhindert haben, dass der Schütze den Wahlkämpfer Trump tötet. Vielmehr lenkte er die Kugel so, dass sie nur Trumps Ohr streifte. Es ist übel, wie der neue Mann im Weißen Haus das gescheiterte Attentat ausschlachtet. Freilich, seinen Wählern und damit gut der Hälfte der Bevölkerung wird es gefallen: Viele und vor allem weiße US-Bürger sind noch immer durchdrungen von der exklusiven Stellung ihres Landes in der Weltgeschichte. Die frühen Pioniere, die damals die Neue Welt besiedelten, nannten das ungeheure Land bereits „Gods own Country“. Trump nimmt den Faden der Auserwähltheit geschickt auf und spinnt ihn auf seine eigene Person. Seine Logik: Wenn der Allmächtige sein Leben schützt und die Kugel vorbeilenkt, wird er auch die nächsten Schritte des Präsidenten lenken.
Zur Selbststilisierung passt aber eines nicht: Der Präsident vergaß beim Eid, seine Hand auf die Familienbibel zu legen, die seine Frau Melania bereithielt. Offenbar ist es mit der Glaubenstiefe des neuen Präsidenten nicht so weit her, wenn er diese Tradition aus Zeiten der Gründerväter ignoriert.