Zum Verhältnis der Kirchen und der CDULangsam entfremdet

Die Christdemokraten und die beiden großen Kirchen – das wird mehr und mehr zu einer Geschichte der Entfremdung. Für die Pluralität in den Kirchen ist das ein Problem.

Benjamin Lassiwe
Benjamin Lassiwe, ständiger Mitarbeiter der Herder Korrespondenz© Ralf Zöllner

Am Ende ist der ganz große Eklat ausgeblieben. Das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der CDU scheiterte im Bundestag. Die befürchtete Verabschiedung eines gegen Migration und das Asylrecht gerichteten Gesetzes der CDU mit Hilfe der AfD blieb aus. Das freute auch die Kirchen – hatten doch die Berliner Büros beider großer Kirchen, aber auch die Diakonie oder das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vor solch einer Abstimmung gewarnt.

Schaut man allerdings genauer hin, wird man feststellen müssen, dass die allermeisten in kirchlichen Gremien engagierten Bundestagsabgeordneten von CDU und FDP dem Gesetzesentwurf zugestimmt haben. Thomas Rachel (CDU), EKD-Ratsmitglied. Hermann Gröhe (CDU), Mitglied der Synode der EKD. Anja Karliczek (CDU), Präsidentin des katholischen Deutschen Frauenbunds. Linda Teuteberg (FDP), Mitglied der EKD-Synode. Einzig ZdK-Mitglied Monika Grütters (CDU) nahm an einer der letzten Abstimmungen ihrer Parlamentskarriere nicht teil, und begründete das mit ihrem Glauben. Hier sieht man die Spuren einer allmählichen Entfremdung zwischen den Kirchen und einer bürgerlich-konservativen Politik: Während die Kirchen bei Themen wie dem Klimaschutz, der Bewahrung der Schöpfung und im Fall der Protestanten auch der Gleichstellung der Geschlechter eher liberal und progressiv unterwegs sind, interpretiert die CDU ihr „C“ im Parteinamen eher konservativ. Der Kampf gegen Abtreibungen, der Schutz verfolgter Christen in islamischen Ländern – und die damit verbundene Kritik am Islam –, restriktive Regelungen in der Sterbehilfe oder der Stammzellforschung sind Themen, bei denen sich die Unionsparteien gerne auf das „C“ berufen.

Doch gerade diese Themen und die von der CDU dazu bezogenen Positionen sind in den Kirchen oft die Stimmen einer Minderheit. Die genannten Abgeordneten werden in den Kirchen respektiert. Man achtet ihre aus einem starken persönlichen Glauben getragenen konservativen Haltungen der Christdemokraten. Man nimmt sie zur Kenntnis. Aber man teilt sie oft nicht. Man hat sich entfremdet – langsam, aber sicher. Für die Pluralität in den Kirchen ist das freilich ein Problem: Will man nicht zu einer NGO im politisch linken Lager werden, muss man darauf achten, dass die konservativen Stimmen an Bord bleiben. Man muss aufeinander hören, und ja – auch die Positionen der Konservativen müssen sich in Beschlüssen und Stellungnahmen der Kirchen wiederfinden. Denn ein Großteil der Kirchenmitglieder wählt auch weiterhin, aller progressiven Stellungnahmen von Synodalen und Pastoren zum Trotz, CDU und CSU.

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