Die Voraussetzungen für die spätere Einführung von Kirchensteuern, die heute den größten Teil der kirchlichen Einnahmen bringen, bildeten jene tiefen Eingriffe der Staaten in das Kirchenvermögen, die vor zwei Jahrhunderten erfolgten. Dabei spielte weniger die Aufhebung der geistlichen Fürstentümer im Jahr 1803 („Herrschaftssäkularisation“) eine Rolle, die seit dem Hochmittelalter entstanden und als mehr oder minder große Staaten eine Stütze des Alten Reiches waren. Bei der Säkularisation von 1803 wurden drei geistliche Kurfürstentümer, 19 Fürstbistümer und 44 Reichsabteien, insgesamt also 66 geistliche Staaten aufgehoben, in denen Kurfürst-Erzbischöfe, Fürstbischöfe, Fürstäbte und Fürstäbtissinen regierten. Ihre Gebiete und Vermögenswerte wurden weltlichen Staaten zugesprochen. Diese waren die ersten Gewinner der Säkularisation. Die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer wurde kirchlicherseits schon bald als notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer Vergeistlichung der Kirche gesehen. Für die Geschichte der Kirchenfinanzierung spielte dagegen seit 1803 unabhängig davon in den meisten deutschen Staaten erfolgende „Vermögenssäkularisation“, das heißt die Enteignung der Bischöfe, Domkapitel, Klöster, Pfarreien, Schulen, Priesterseminare und Hospitäler, eine große Rolle. Es gab und gibt ja kein Vermögen der Gesamtkirche. Träger des Vermögens sind vielmehr die einzelnen kirchlichen Einrichtungen. Infolgedessen gab es im 18. Jahrhundert auch keine gesamtkirchliche, ja nicht einmal eine gesamtdiözesane Finanzwirtschaft. Das Vermögen der vielen kirchlichen Einrichtungen – es bestand meist aus Liegenschaften oder Rechtsansprüchen – war von unterschiedlicher Bedeutung. Oft war es den Kirchen schon im Mittelalter als Schenkung zugewandt worden. Bei den Klöstern spielte neben Stiftungen und Schenkungen auch die Kultivierungsarbeit der Mönche eine Rolle. Dadurch waren im Laufe der Jahrhunderte große Besitzungen aufgebaut worden.
Das Kirchenvermögen erweckte beim Staat finanzielle Begehrlichkeiten
Bei den Pfarreien gab es solche mit ausgedehntem Grund- und Hausbesitz und andere, deren Seelsorger am Rande des Existenzminimums lebten. Durch die einschlägige Arbeit von Alois Schmid sind wir diesbezüglich gut über die Lage in Altbayern informiert (Alois Schmid, Weltklerus und Landwirtschaft, in: Erwin Gatz, Der Diözesanklerus, Freiburg 1995). Dort gehörten 1800, also unmittelbar vor der Säkularisation, 22,7 Prozent aller Bauernanwesen Einrichtungen des Weltklerus, und die Hälfte davon den Pfarreien. Deren Vermögen war wiederum unterteilt in das für den Unterhalt der Geistlichen („Benefizium“ oder „Pfründe“) und das für den Unterhalt der Kirchengebäude („Fabrikvermögen“) bestimmte Vermögen. Um 1800 lebten noch 90 Prozent der deutschen Bevölkerung in Dörfern. Auch die Mehrheit der Priester war daher in die dörfliche Lebenswelt eingebunden und da sie kein Gehalt bezogen, betrieben sie den landwirtschaftlichen Betrieb, der mit ihrer Stelle verbunden war, persönlich, oder sie verpachteten ihn und lebten von der Pacht. Man könnte diese Pfarrer, die zugleich Bauern waren, als Vorläufer der Arbeiterpriester bezeichnen. Es war allerdings umstritten, ob die Tätigkeit als Landwirt mit der des Seelsorgers sinnvoll verbunden werden konnte. Heute spielen landwirtschaftliche Besitzungen für die Kirchenfinanzierung nur noch eine untergeordnete Rolle.
Da in den agrarischen Regionen Deutschlands traditionell ein großer Teil des Priesternachwuchses aus Bauernfamilien stammte, konnten nachgeborene Söhne, die den heimatlichen Hof nicht erbten, als Pfarrer dennoch zu selbständigen Bauern aufsteigen. Die Priester wurden in manchen Regionen seit der Aufklärung planmäßig auf ihren Einsatz in Dorfpfarreien vorbereitet. Dieser Aspekt wurde im Fächerkanon der bayerischen Lyzeen und späteren Philosophisch-Theologischen Hochschulen berücksichtigt. Danach sollte der Pfarrer durch seinen musterhaft geführten Betrieb innovativ für den landwirtschaftlichen Bereich wirken. Viele Pfarrer waren auf diesem Gebiet auch literarisch tätig und gewannen eine beachtliche Reputation. Seit dem späten 19. Jahrhundert waren viele an der Gründung landwirtschaftlicher Genossenschaften und Darlehenskassen beteiligt. Eine dieser Einrichtungen ist beispielsweise die 1911 in Regensburg gegründete „Liga“. Die Notwendigkeit eines Vermögens für die Kirche stand zwar seit den Anfängen der Christenheit außer Zweifel, doch das Herrenwort Mt 10,8: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ hielt die damit verbundene Problematik stets im Bewusstsein der Gläubigen. Das Zweite Vatikanische Konzil und ihm folgend das kirchliche Gesetzbuch von 1983 haben daher betont, dass die Kirche Vermögen und Einkünfte nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben besitzen darf, näherhin für die Feier des Gottesdienstes, den Unterhalt der Geistlichen und anderen Mitarbeiter sowie für Seelsorge und Caritas.
Das Kirchenvermögen weckte immer dann die Begehrlichkeit, wenn die Staaten sich in finanziellen Schwierigkeiten befanden. Ein tiefer Eingriff erfolgte am Ende des 18. Jahrhunderts durch Kaiser Joseph II. (1780–90) in den habsburgischen Ländern im Rahmen jener umfassenden Reformen, die nach der Niederlage im Siebenjährigen Krieg durch Kaiserin Maria Theresia eingeleitet und durch ihren Sohn fortgeführt wurden. Eine Modernisierung der habsburgischen Länder war aber ohne die Kirche und ihr Vermögen nicht denkbar. Dieses sollte entsprechend der Vorstellungen der Aufklärung vor allem für eine effizientere Seelsorge eingesetzt werden und damit der gesamten Gesellschaft zugute kommen. Daher wurden seit 1782 etwa 700 „unnützliche“ Klöster aufgehoben, ihr Vermögen aber nicht vom Staat eingezogen, sondern in staatlich verwaltete „Religionsfonds“ eingebracht. Aus deren Ertrag wurden neue Seelsorgestellen finanziert und deren Inhaber, die ja im Gegensatz zu den alten Pfarreien keinen Bauernhof als Existenzgrundlage besaßen, ein Gehalt gezahlt. Dieses System blieb bis zur Aufhebung des Religionsfonds durch die nationalsozialistischen Machthaber 1939 bestehen.
Während die Maßnahmen Joseph II. zwar gewaltsam waren und der Kirche aufgezwungen wurden, dieser aber zugute kommen sollten, verlief die Entwicklung zur Zeit der Französischen Revolution wesentlich radikaler. Da seit dem Frieden von Lunéville (1801) die links des Rheines gelegenen deutschsprachigen Gebiete zu Frankreich gehörten, wurde auch dort die revolutionäre Gesetzgebung eingeführt. Angesichts des Staatsbankrotts hatte die französische Nationalversammlung nämlich 1789 das gesamte Kirchengut eingezogen. Ebenso große Gewinne wie der Staat zogen die neuen Besitzer daraus, die die ehemals kirchlichen Liegenschaft preiswert ersteigerten. Die Geistlichen erhielten seitdem ein staatliches Gehalt, wurden damit aber auch vom Staat abhängig. Die Gehälter wurden bis zur Trennung von Staat und Kirche 1905 gezahlt. In einigen Nachfolgestaaten des damaligen Frankreich, nämlich in Belgien und Luxemburg, aber auch im Elsass und in Lothringen, ist das auch heute noch so. Die Französische Revolution wirkte sich über Frankreich hinaus wie ein großes Erdbeben auf ganz Europa aus. In den deutschen Staaten führte sie 1803 zur Säkularisation der geistlichen Staaten und anderer kleiner Herrschaften. Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 überließ es darüber hinaus aber auch allen regierenden Fürsten, „zur Erleichterung ihrer Finanzen“ das Vermögen der Bischöflichen Stühle, Domkapitel, Stifte und Klöster einzuziehen. Von der riesigen Enteignungswelle wurden allerdings im Gegensatz zu Frankreich die Pfarreien ausgenommen, denn die ordentliche Seelsorge sollte nicht gestört werden. Bis auf das Königreich Sachsen, in dem die Katholiken nur eine marginale Rolle spielten, machten alle Staaten von der Möglichkeit zur Enteignung Gebrauch. Eine auch nur annähernde Schätzung der dadurch eingetretenen kirchlichen Vermögensverluste ist – ganz abgesehen vom Verlust an Kulturgütern – nicht möglich. Als dann nach dem Wiener Kongress (1815) und der Neuordnung der deutschen Staaten die einzelnen Regierungen in Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl das Kirchenwesen neu ordneten – die zum Teil bizarre Umschreibung mancher Bistümer geht auf diese Zeit zurück – verpflichteten sie sich zur Rückgabe eines Teiles der enteigneten Vermögenswerte zur Finanzierung der Bischöfe, Domkirchen, Domkapitel und anderer Einrichtungen. Die Rückgabe wurde jedoch nur zu einem geringen Teil durchgeführt. Die Staaten zahlten aber stattdessen jährlich an die einzelnen Bistümer bestimmte Summen. Diese „Staatsleistungen“ werden bis heute geleistet. Sie waren und sind von höchst unterschiedlichem Zuschnitt. Im Preußen waren sie so knapp, dass 1850 der damalige Kölner Erzbischof Johannes von Geissel anlässlich seiner Erhebung zum Kardinal nicht nach Rom reisen konnte, um dort den roten Hut entgegenzunehmen, weil ihm das zu kostspielig war. Wesentlich großzügiger waren und sind die Staatsleistungen dagegen in Bayern und Württemberg, heute Baden-Württemberg. Hier übernahm die Regierung insbesondere die Baulast an den ehemaligen Stifts- und Klosterkirchen. Die Folgen zeigen sich bis heute, denn in Süddeutschland wird eine geringere Kirchensteuer erhoben als im nördlichen Deutschland.
Die ganz auf die einzelnen Pfarreien und kirchlichen Institutionen bezogene Finanzierung – jede musste für sich selbst aufkommen – erwies sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer mehr als unzulänglich, denn die Diözesen hatten keinen Spielraum, um überörtliche Aufgaben zu finanzieren. Nach Lage der Dinge blieb daher nichts anderes übrig, als immer wieder an die Spendenbereitschaft der Gläubigen zu appellieren. Ob es sich nun um die Gründung neuer Gemeinden in der Diaspora, um den Wiederaufbau einer abgebrannten Kirche oder um Hilfe für die allmählich einsetzende Mission handelte, stets wurden Kollekten durchgeführt, und soweit diese überörtlich waren, mussten sie staatlich genehmigt werden. Mehrere noch heute bestehende Hilfswerke entstanden damals, so Missio München als Ludwig-Missionsverein (1838), Missio Aachen als Franziskus-Xaverius-Verein (1842) und das Bonifatiuswerk als Bonifatiusverein (1849). Es waren Sammelvereine. Den Höhepunkt erreichte diese Sammeltätigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als in den wachsenden Großstädten und Industrieagglomerationen eine immense Zahl neuer Gemeinden gegründet wurde. Dabei wurden nicht nur neue Kirchen und Pfarrhäuser, sondern auch Vereins- und Schwesternhäuser (mit Kindergärten) sowie Hospitäler geschaffen. Eine Krankenversicherung wurde im Deutschen Reich ja erst seit 1883 stufenweise eingeführt. Diese immensen Leistungen wurden von der katholischen Bevölkerung in Eigenleistung und durch Spenden erbracht. Eine auch nur annähernde Schätzung der dadurch erbrachten Vermögenswerte ist nicht möglich.
Von der Orts- zur Diözesankirchensteuer
Trotz dieser großen Leistungsbereitschaft erwies sich die Finanzierung durch Spenden jedoch immer mehr als unzulänglich. Daher wurde in den einzelnen deutschen Staaten allmählich – in Preußen 1875, in Bayern 1892 – die Möglichkeit zur Erhebung von Kirchensteuern gesetzlich geregelt. In Preußen geschah das mitten im Kulturkampf, denn es handelte sich wie allenthalben nicht um Diözesan-, sondern um Ortskirchensteuern, und die preußische Regierung wollte die Gemeinden gegenüber den angeblich übermächtigen Bischöfen stärken. Diese Steuern konnten von den einzelnen Pfarrreien erhoben werden, soweit diese unzureichende Einnahmen hatte. Es handelte sich also um eine „Bedarfskirchensteuer“. Es gab nämlich reiche, mit großen Liegenschaften ausgestattete, und arme Pfarreien, die nichts besaßen und daher eine Steuer von ihren Mitgliedern erhoben. Die Erhebung von Steuern bildete eine wichtigen Schritt auf dem Weg zur modernen Kirchenfinanzierung. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, dass die preußischen Bischöfe, die als erste in Deutschland mit dieser Frage konfrontiert wurden, der Erhebung von Kirchensteuern zunächst mit großer Reserve gegenüberstanden. Diese wurzelte im tiefen Misstrauen gegenüber dem preußischen Staat, der während des Kulturkampfes die Bischöfe und viele Geistliche durch Sperrung der Gehälter unter Druck gesetzt hatte. Dieses Misstrauen bestimmte weit über die Beilegung des Konfliktes hinaus (1887) die Atmosphäre. Außerdem war es unter den Bischöfen umstritten, ob es angemessen war, die kirchliche Arbeit durch Steuern, also durch Pflichtabgaben, die sogar unter Zwang eingetrieben werden konnten, zu finanzieren. Sie hätten es vorgezogen, dass es bei den alten Abgaben anlässlich der Spendung der Taufe, der Trauung und der Beerdigung geblieben wäre, die der Staat nicht verhindern konnte.
Hier wiederholte sich im Grunde jene Diskussion, die Jahrzehnte zuvor darüber geführt worden war, ob die Finanzierung der Armenpflege (Caritas) durch Steuern zulässig sei. Auch auf diesem Gebiet hatte sich erst gegen manchen Widerspruch die Einsicht durchgesetzt, dass eine neuzeitliche Versorgung der sozial Schwachen nicht mehr allein aus Stiftungen und Spenden möglich und dass die Heranziehung von Steuern unerlässlich geworden war. Es war dies ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Sozialstaat. Die preußischen Bischöfe wandelten ihre Auffassung erst nach der Jahrhundertwende, als die Gründung neuer Gemeinden in den Großstädten und Industriegebieten unabweisbar wurde. Die dort bereits bestehenden Gemeinden waren aber aus eigener Kraft finanziell dazu nicht in der Lage. Daher kam es 1903 und 1905 zu zwei Gesetzen, die die Errichtung von Gemeindeverbänden, die Erhebung von Kirchensteuern innerhalb dieser Verbände und damit die Finanzierung neuer Gemeinden ermöglichten. In anderen europäischen Ländern gab es nichts dergleichen. Während es etwa in Paris und Wien bei Pfarreien mit zum Teil über 50 000 Katholiken blieb, konnte das Netz der Gemeinden in Preußen dichter geknüpft werden. Die Erhebung von Kirchensteuern erfolgte auf der Grundlage staatlicher Gesetze. Nach dem Untergang der Monarchie und der Gründung der Weimarer Republik ergab sich jedoch die Notwendigkeit, das Verhältnis von Staat und Kirche neu zu bestimmen. Obwohl die Weimarer Nationalversammlung sich grundsätzlich für die Trennung von Staat und Kirche entschied, blieb es bei einer vielfältigen Zusammenarbeit. Diese betraf auch die Kirchenfinanzierung. Daher garantierte die Weimarer Reichsverfassung in Artikel 137 den Religionsgesellschaften, soweit sie Körperschaften des öffentlichen Rechtes waren, das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern auf der Grundlage der bürgerlichen Steuerlisten. Diese Verfassungsgarantie, die 1949 in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen wurde, war für die weitere Entwicklung von größter Bedeutung. Eine Änderung ist kaum zu erwarten. Die Weimarer Reichsverfassung bestimmte ferner in Artikel 138: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden... abgelöst.“ Dies ist jedoch nur in einzelnen Fällen erfolgt. Die meisten Bundesländer erbringen nach wie vor Staatsleistungen.
Das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern blieb während der nationalsozialistischen Herrschaft im Reichsgebiet unangetastet, doch wurden seit 1938 die sonstigen kirchlichen Einkünfte, vor allem Sammlungen, rigoros besteuert. Lediglich von den während der Gottesdienste durchgeführten Kollekten wurden keine Steuern erhoben. Das Kollektenaufkommen stieg während des Krieges deutlich an. Ganz anders sah die Politik des NS-Regimes in jenen Gebieten aus, die sich das Deutsche Reich seit 1938 anschloss, bzw. die es annektierte. Es waren dies Österreich, die Sudetenländer (1938), große Teile Polens (1939), das Gebiet von Eupen-Malmedy und Elsass-Lothringen (1940) sowie die Untersteiermark und Oberkrain (1941). Hier stellte das NS-Regime unter Ignorierung aller Gesetze und Verträge die finanziellen Leistungen an die Kirche ersatzlos ein. Den Auftakt machte es in Österreich, wo seit 150 Jahren die staatlich verwalteten Religionsfonds bestanden, aus deren Ertrag ein Großteil der Priester besoldet wurde. Ziel war die „Trennung von Kirche und Staat... mit dem Ziel, die Kirche als privaten Verein verkümmern zu lassen und sie zu gegebener Zeit zu liquidieren“ (K. Scholder). Stattdessen wurde den Kirchen jedoch die Möglichkeit zur Erhebung eines Kirchenbeitrages von ihren Mitgliedern gesetzlich ermöglicht. Die Einführung dieser in Österreich ungewohnten Abgabe sollte die Kirchen nach dem Willen des NS-Regimes finanziell ruinieren und eine Austrittsbewegung auslösen. Die Diözesen und nicht wie in Preußen die einzelnen Kirchengemeinden bauten daraufhin Kirchenbeitragsstellen auf und erhoben die Beiträge von ihren Mitgliedern. Es kam zwar zu manchen Kirchenaustritten, insgesamt bewährte das System sich jedoch. Die österreichischen Katholiken zeigten sich jedenfalls zahlungswillig und die beabsichtigte Finanzkrise blieb aus. Gegenüber Deutschland besaß das österreichische System sogar einen Vorzug, denn es war nicht auf die einzelnen Kirchengemeinden zugeschnitten, sondern ermöglichte erstmals eine diözesane Finanzwirtschaft. Das Beitragssystem bewährte sich so, dass es nach dem Krieg dabei blieb. In den anderen Okkupationsgebieten des Deutschen Reiches, nämlich in Eupen-Malmedy, Luxemburg, Elsass-Lothringen und in den Sudetenländern, kehrte man dagegen nach dem Krieg zum System der staatlichen Priesterbesoldung zurück. Lediglich in Polen und in Jugoslawien leisteten die Staaten ihre Verpflichtungen nicht mehr.
Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 änderte nichts an den Kirchensteuergesetzen und der Praxis des Steuereinzuges. In Österreich blieb es beim Kirchenbeitrag, in Deutschland bei der Ortskirchensteuer. Der Finanzbedarf hatte sich allerdings in Folge der Kriegszerstörungen und der Heimatvertreibung vieler Priester und Kirchenangestellten gewaltig verändert. In den ersten Nachkriegsjahren waren daher eine Zeit unmittelbarer Direkthilfe und die Stunde der Caritas. Große Probleme bereitete jedoch der Wiederaufbau. Unter allen Bistümern Deutschlands war Aachen am meisten zerstört, denn das Bistum war im Winter 1944/45 Kampfgebiet gewesen. Hier waren 147 Pfarrkirchen völlig und 151 teilweise zerstört und weitere 180 beschädigt. In dem viel größeren Erzbistum Freiburg waren dagegen nur 48 Kirchen zerstört, 68 schwer und 151 leicht beschädigt. Der eigentliche Wiederaufbau setzte erst nach der Währungsreform (1948) ein, doch zeigte sich nun die ganze Problematik der Ortskirchensteuer. Es ging ja nicht an, dass die zerstörten Gemeinden ihren Wiederaufbau allein trugen. Daher wurde, nachdem das Grundgesetz das Recht der Kirchen zur Erhebung von Kirchensteuern noch einmal bestätigt hatte, das Kirchensteuerrecht in den einzelnen Bundesländern neu gefasst. Die wichtigsten Neuerungen bestanden im Übergang von der Orts- zur Diözesankirchensteuer und im Einzug durch die staatlichen Finanzämter. Nunmehr konnten im Zeichen des finanziellen Lastenausgleiches der Wiederaufbau und Ausbau in den einzelnen Diözesen zentral gesteuert und finanziert werden. Auch in der SBZ/DDR wurde das System der Kirchensteuer nicht prinzipiell in Frage gestellt, doch wurde die Kirchensteuer dort weiterhin durch die Gemeinden erhoben und die Gläubigen zahlten im allgemeinen korrekt. Daneben blieb die mitteldeutsche Diaspora freilich stets auf Hilfe aus der Bundesrepublik angewiesen. Zeitweise wurden sogar mit harter West-DM bezahlte kirchliche Bauten durch DDR-Staatsbetriebe errichtet, während Parteibauten zurückgestellt werden mussten.
Die kirchliche Selbstbestimmung wahren
Bildeten schon der Wiederaufbau und die Integration der Heimatvertriebenen bedeutende Leistungen, so bauten die Katholiken in beiden Ländern nunmehr auch gänzlich neuartige Hilfswerke aus, während die älteren Hilfsvereine mit ihren Mitgliedsbeiträgen an Bedeutung verloren. Die Hilfswerke – als erstes entstand 1958 Misereor – widmen sich vor allem weltkirchlichen Aufgaben. Ihre wichtigsten Einnahmen bildeten Spenden. Zu ihrem enormen Spendenaufkommen – allein Misereor erhielt von 1959 bis 1998 3,8 Milliarden DM – konnte es allerdings nur deshalb kommen, weil die heimatlichen Finanzen durch die Kirchensteuer wohlgeordnet waren. Die französischen Katholiken, die über keine Kirchensteuer verfügen, mussten ihr Spendenaufkommen dagegen weitestgehend für die Aufrechterhaltung der heimatlichen Strukturen einsetzen und konnten sich finanziell weltkirchlich nur wenig engagieren. Eine weitere Steigerung der Solidarität innerhalb der deutschen Kirche bedeutete die Gründung des in der Weltkirche einzigartigen Verbandes der Diözesen Deutschlands (1968), zu dem sich alle Diözesen zu einem interdiözesanen Finanzaustausch und zur Förderung überdiözesaner Aufgaben zusammenschlossen. Dieser Verband verfügt 2000 über einen Haushalt von 336,6 Millionen DM.
Anders als in Deutschland und in Österreich erfolgt die Kirchenfinanzierung in der Schweiz. Auch dort wird in 23 von 27 Kantonen eine Kirchensteuer erhoben, dies allerdings nicht durch die Diözesen, sondern durch die von Staats wegen errichteten kantonalen „Landeskirchen“. Die Steuern fließen damit den Kirchgemeinden zu, während die Diözesen nur eine kleine Umlage erhalten und folglich nur über wenig Gestaltungsraum verfügen. 1984 wurde auch in Italien ein neues Finanzierungssystem für die Kirche eingeführt. Danach muss jeder Steuerzahler 0,8 Prozent seiner Steuerschuld einem der folgenden Zwecke zukommen lassen: einem staatlichen Hilfsfonds für humanitäre Zwecke (beispielsweise Entwicklungshilfe), einem Fonds der Italienischen Bischofskonferenz für kirchliche Zwecke (Besoldung der Priester, Kosten des Gottesdienstes, kirchliche Bauten) oder einer anderen anerkannten Religionsgemeinschaften. Aus diesem System kann kein Steuerschuldner aussteigen. Es gibt also keinen steuerlichen Anreiz, die Kirche zu verlassen. Wer seine 0,8 Prozent nicht für eine Religionsgemeinschaft bestimmt, muss für einen anderen wohltätigen Zwecke zahlen. Diese Zweckbestimmung muss jedes Jahr bei der Steuererklärung neu festgelegt werden. Zuletzt bezahlten 85 Prozent der italienischen Steuerschuldner ihre 0,8 Prozent für die katholische Kirche.
Ein schmerzlicher Aspekt der Kirchensteuer bzw. des Kirchenbeitrages besteht im finanziellen Anreiz zur Kirchenaustrittserklärung. In der Bundesrepublik Deutschland stieg die Zahl der Kirchenaustritte vor allem nach der Wiedervereinigung und der Einführung der Solidaritätsabgabe, besonders in den neuen Bundesländern, deutlich an. Untersuchungen ergaben zwar, dass die Ausgetretenen durchweg dem kirchlichen Leben entfremdet waren. Dennoch ist ihr Austritt schmerzlich, weil sie sich damit völlig von der Kirche trennen. Daher wurde in Deutschland wie auch in Österreich der Vorschlag gemacht, zum italienischen System der Kirchenfinanzierung überzugehen, weil dieses für einen Kirchenaustritt keinen finanziellen Anreiz bietet. In Italien handelt es sich letztlich um eine staatliche Kirchenfinanzierung. Es entspricht aber der Würde der Kirche eher, dass nur ihre Mitglieder zur Kirchenfinanzierung herangezogen werden und damit zugleich die kirchliche Selbstbestimmung gewahrt wird. Verbesserungen der Finanzierung sind auch auf andere Weise möglich. So sind die Bistümer zum Beispiel nicht mehr in der Lage, die Trägerschaft von Ordensschulen zu übernehmen, wie das seit Jahrzehnten geschah. Stattdessen werden neue Modelle entwickelt, bei denen die Kommunen und die Landkreise, die ja sonst die gesamte Schulversorgung tragen müssten, in die Trägerschaft eingebunden werden und sich an der Finanzierung beteiligen. Ähnliches ist auch auf anderen Arbeitsfeldern denkbar.