Als die amerikanischen Bischöfe im Juni dieses Jahres in Dallas „Grundsätzliche Normen“ zur Behandlung von Priestern und kirchlichen Angestellten bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen sowie eine pastorale „Charta zum Schutz von Kindern und Jugendlichen“ vor sexuellem Missbrauch verabschiedeten, handelten sie unter einem so starken innerkirchlichen und öffentlichem Druck, dass sofort mehrere Punkte ihrer Maßnahmen in die Kritik gerieten. Vor allem die strikte „Null Toleranz“ - Norm in ihrer unterschiedslosen Anwendung gegen alle Beschuldigten – ob mehrfache oder einmalige Vergehen, ob im akuten oder 20 Jahre und mehr zurückliegenden Fall – riefen Priestervereinigungen auf den Plan, die Rechtsschutz und bischöfliche Fürsorge-Pflicht anmahnten. Schon im August hatte die Konferenz der Ordensoberen in Philadelphia modifizierte Vorgehensweisen gegen Verfehlungen von Ordensangehörigen angekündigt (ein Drittel aller Geistlichen, 15 000 von insgesamt 46 000, sind Ordensangehörige). Sie bekräftigten, schuldig gewordene Priester nicht mehr in der Seelsorge einzusetzen, sie aber in einem kontrollierten Gemeinschaftsleben unter Ordensaufsicht zu behalten.
Mit Spannung war deshalb beobachtet worden, wie der Vatikan die Normen beurteilen würde. Rom sah sich vor das schwierige Problem gestellt, die Richtlinien wegen zu großer Mängel abzulehnen und damit die amerikanischen Bischöfe zu brüskieren, oder mit Änderungen ad experimentum zugenehmigen. Im Einverständnis mit dem Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz, Bischof Wilton D. Gregory, der während der vatikanischen Prüfung mehrfach mit Experten nach Rom reiste, entschied der Vatikan sich Mitte Oktober für die Einsetzung einer gemischten Kurien/US-Kommission, die eine Neufassung erarbeiten sollte.
Den amerikanischen Bischöfen war bei der eiligen Verabschiedung ihrer für alle US-Bistümer verbindlichen Richtlinien selbst schon klar gewesen, dass es sich nur um einen ersten Schritt auf einem langen Weg der „Selbstreinigung“ promovierte mit einer Arbeit handelte, wie es Medienbischof Joseph Galante (Dallas) auf dem Jahrestreffen der katholischen Journalisten in Minneapolis nannte. Alswichtigste nächste Aufgabe bezeichnete er die Erneueben und Erziehen“. Seit dem rung und Stärkung des Priesterbildes. Allerdings war im Verlauf der monatelangen Enthüllungen über die sexuellen Vergehen und ihre diskrete (und meist die Opfer diskriminierende) Behandlung auch deutlich geworden, dass es ein großes Defizit in der Mitwirkung der Laien auf verschiedenen Entscheidungsebenen und bei allen nicht die Glaubenslehre betreffenden Fragen gibt. Im Zusammenhang mit dem geheimen Umgang mit den Vergehen durch die bischöflichen Behörden hatte als erster der Chefredakteur des Jesuitenmagazins „America“, Thomas J. Reese, die Einrichtung von Laienkomitees zur unabhängigen Untersuchung solcher Fälle gefordert. Nicht nur für solche Laienkommissionen zur Behandlung klerikaler Vergehen, sondern generell für einen neuen Dialog zwischen Priestern und Laien sowie stärkerer Einbeziehung der Laien in die kirchliche Mitverantwortung hatte auch die katholische Professorin Mary Jo Bane von der Harvard-Universität plädiert. Doch als im Erzbistum Boston, wo Anfang des Jahres die Enthüllungswelle ihren Ausgang nahm, die Gründung eines bistumsweiten Verbandes von Pfarrgemeinderatsvertretern (unter Einbeziehung von Priestern als Mitgliedern) angestrebt wurde, rief der Generalvikar sofort per Fax alle Priester zum Boykott auf, indem er auf „die hierarchische Struktur der Kirche“ hinwies und eine solche Laieninitiative als „überflüssig und in der Tendenz spalterisch“ bezeichnete.
Dennoch sind im Hinblick auf die Einbeziehung von Laien erste offizielle Schritte geschehen. Die Normen von Dallas sehen die Einrichtung von Review Boards in jedem Bistum vor, die mehrheitlich von Laien besetzt sind. Und auch die Verbesserungsvorgaben aus Rom verlangen ausdrücklich, dass in diesen Räten in erster und zweiter Instanz „die Laien die Mehrheit haben sollen“. Laien stellen bereits die Mehrheit in dem neu eingerichteten Office for Child and Youth Protection bei der US-Bischofskonferenz in Washington und bei dem ebenfalls dort errichteten National Review Board, das die Durchführung aller Maßnahmen in Bezug auf sexuellen Schutz und sexuelle Vergehen in den Bistümern überprüfen und der Bischofskonferenz regelmäßig einen Jahresbericht vorlegen soll.
Inzwischen setzt sich in der US-Kirche die Erkenntnis durch, dass es nicht nur um eine Krise des Klerus, sondern der ganzen Kirche geht, in der die Rollen der Laien ebenso neu definiert werden müssen wie die Position der Bischöfe. Nicht von ungefähr überschrieb im Juniheft der Monatszeitschrift der Claretiner, „US Catholic“, der aus Deutschland stammende Chefredakteur Scherer-Emunds seinen Leitartikel „Let’s talk – but all of us!“ Und er brachte eine neue Überlegung ins Spiel: Es sei Zeit, eine „nationale Synode der katholischen Kirche in den USA einzuberufen“. Sie solle sich zusammensetzen aus Bischöfen, Repräsentanten des Klerus, der Orden, der Delegierten aller nationalen Verbände sowie aus gewählten Laienvertretern aller Bistümer. Anfang August wurde bekannt, dass acht Bischöfe in einem Rundschreiben an alle ihre Amtskollegen den Vorschlag unterbreitet hatten, die Einberufung einer Nationalsynode in Erwägung zu ziehen, „um die Wurzeln der gegenwärtigen Krise“ aufzudecken, auch um dem Wunsch des Papstes nachzukommen, den er bei der Sonderkonferenz mit den US-Bischöfen über die Priesterskandale im April in Rom geäußert hatte: Eine „Reinigung des gesamten katholischen Volkes“ zu bewirken: „eine heiligere Priesterschaft, einen heiligeren Episkopat und eine heiligere Kirche insgesamt“.
Vorstöße zugunsten einer nationalen Synode
Nach dem vorzeitigen Bekanntwerden dieser Bischofsinitiative veröffentlichte die Zeitschrift des Nationalen Pastoralzentrums in New York, „Church“, vorab einen Leitartikel, in dem gleichfalls eine Nationalsynode vorgeschlagen wird, weil „die gegenwärtigen Herausforderungen in der katholischen Kirche in den USA nicht innerhalb der bestehenden Strukturen gelöst werden können, sondern eines Plenarkonzils bedürfen, wie es das Kirchenrecht vorsieht“. Der Vorschlag des Pastoralzentrums unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem der acht Bischöfe, der in kurzer Zeit von weit über 50 Bischöfen unterstützt wurde. Die Bischöfe wollen sich inhaltlich auf den Dienst, die Identität und das Leben der Priester konzentrieren und die Lehre der Kirche über Sexualmoral und Zölibat bekräftigen. Das Pastoralzentrum schlägt vor, das Thema breiter anzugehen und institutionelle Fragen der Verantwortung der Bischöfe, des Verhältnisses zwischen Bischöfen und Priestern, Klerikern und Laien sowie eines ständigen Dialogs in der Kirche zu behandeln. Während so die einen ihren Ruf nach einer nationalen Pastoralsynode mit der Krise nach den Priesterskandalen begründeten, hat der frühere Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der US-Bischofskonferenz, Russel Shaw, diesen Gedanken im Zusammenhang mit der generellen Frage der Rolle der Laien in seinem Anfang 2002 erschienenen Buch „Ministry or Apostolate?“ aufgegriffen. Shaw hält die Zeit für Überlegungen zu einer Pastoralsynode schon auf Grund aktueller Änderungen in der Leitungsstruktur der US-Kirche gekommen. Bei der Neuordnung der Bischofskonferenz im vergangenen Jahr ist die Laienmitwirkung in den verschiedenen Bereichen der kirchlichen Organisation zwar personell nicht beeinträchtigt worden, tritt aber in der Repräsentanz gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr zutage.
Nach dem Konzil hatte man die seit 1919 in den USA eingerichteten Jahrestreffen der Bischöfe in zwei feste Körperschaften strukturiert: Die National Conference of Catholic Bishops (NCCB), die eigentliche Bischofskonferenz, und die United States National Conference (USNC), gleichsam der Arm der Bischöfe in die Gesellschaft hinein. Die Komitees dieser USNC wurden von Bischöfen geleitet, setzten sich aber vorwiegend aus Laien zusammen, die Fachleute für Erziehung, soziale und caritative Fragen, Entwicklungshilfe und Friedensarbeit waren. Für diesen „weltlichen Arm“ der Bischofskonferenz wurde zusätzlich ein National Advisory Council gegründet, ein Ratsgremium, das der gesamten gesellschaftspolitischen Aktivität der Kirche die Richtung weisen sollte. Der erste Vorsitzende der beiden neuen Körperschaften, Kardinal John Dearden (Detroit), sagte damals: „Ein funktionierender Advisory Council gilt als erhoffte Instanz für die gemeinsame Verantwortung in der Kirche auf nationaler Ebene.“ Shaw ruft in seinem Buch in Erinnerung, dass dieser Rat im Zuge des allgemeinen Konzilsaufbruchs als erstes Projekt die Einberufung einer nationalen Pastoralsynode verfolgte, so wie in anderen Ländern auch. Im August 1970 hatten auf einer Konferenz in Chicago Vertreter von über 100 Bistümern und 36 nationalen Organisationen dem Plan zugestimmt, aber eine gründliche Vorbereitung gefordert. Doch zur Ausführung kam er nicht, weil der Vatikan auf Grund der für ihn negativen Erfahrungen beim Niederländischen Pastoralkonzil allen Bischöfen der Welt mitteilen ließ, er halte solche Treffen zur Zeit nicht für opportun.
1976 kam es zu einem anderen nationalen Kongress, der allerdings ebenfalls für den Vatikan und die amerikanischen Bischöfe problematisch wurde. Unter dem Leitthema „Call to Action“ waren Resolutionen über verheiratete Priester, Frauenordination, Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten und die Einrichtung eines Schiedsgerichts bei umstrittenen Bischofsentscheidungen verabschiedet worden, die die Kirchenführung in Rom und Washington mehr aufschreckten als ähnliche Petitionen anderer nationaler Synoden der siebziger Jahre. Die Resolutionen verschwanden jedoch in den Schubladen; auf Petitionen aus den USA antwortete der Vatikan ebenso wenig wie auf diejenigen der deutschen Synode. Die 2001 geschaffene United States Catholic Conference of Bishops (USCCB) ist jetzt eine reine Bischofskonferenz. Die gemischten Komitees des früheren „weltlichen Arms“ sind zwar eingegliedert, doch die Laien haben kein Stimmrecht mehr. Als Hauptziel einer nationalen Pastoralsynode sieht Russel Shaw, der weiterhin engste Kontakte zu der Bischofskonferenz hat und auch Mitglied des Päpstlichen Medienrates ist, eine Hinwendung zu den Konzilsaussagen über die gemeinsame Berufung aller Getauften zur Heilsverkündung an, die sich entsprechend unterschiedlicher Gaben in verschiedenen Diensten äußern müsse. Dabei sei auch eine repräsentative Stimme der Laien gefordert, die auf nationaler oder regionaler Basis als Pendant zur Hierarchie in die Gesellschaft hineinwirke.
Zuwachs bei den hauptamtlichen Laiendiensten
Ein solches nationales Organ der Laien hat es in der amerikanischen Kirche nie gegeben. Seit den Gründerjahren der protestantisch fundierten demokratisch-freiheitlichen „Vereinigten Staaten“ als unamerikanisch, weil „papsthörig“ abgestempelt, bildeten die Katholiken immer eine Minderheitenkirche, die eine strenge hierarchisch-klerikale Leitung brauchte, um sich gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen. Die Laien scharten sich von Anfang an um ihre Hirten, die sie wiederum als ihre Schafe behüteten und leiteten. Laien waren zwar „in der Welt“ im Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialwesen tätig, aber wiederum nur in kirchlichen Institutionen. Als sich Anfang des 20. Jahrhunderts größere Laienaktivitäten entwickelten, geschah dies ganz im Sinne der von Pius IX. stark geförderten Katholischen Aktion, und das Laienapostolat galt vorwiegend als „weltlicher Arm“ der Bischöfe. Im Zuge dieser Entwicklung bildeten sich zahlreiche Standesverbände christlicher Angestellter, Arbeitgeber und Arbeiter, der Krankenschwestern und Studenten, der männlichen und weiblichen Jugend. Die National Catholic Welfare Conference (NCWC), Vorgängerin der Bischofskonferenzen, gab eine Zeitschrift „Catholic Action“ heraus und gründete eine Abteilung, die sich vor allem im Sinne christlicher Soziallehren um die Arbeiterbildung kümmerte. Kennzeichnenderweise waren es jedoch Kleriker, die diese katholischen Laieninitiativen leiteten, darunter der Theologe John Austin Ryan an der Spitze der Sozialabteilung in der Welfare Conference, oder der Pfarrer Charles Edward Coughlin, der eine National Union for Catholic Action gegründet hatte. Als „Arbeiterpriester“ wurde in den vierziger Jahren George Higgins bekannt, der sich über 30 Jahre im Rahmen der Bischofskonferenz für die Belange der Arbeiter einsetzte. Weit über Amerika hinaus bekannt wurde die Journalistin Dorothy Day, die zusammen mit Peter Maurin das Catholic Worker Movement gründete, das jedoch zahlenmäßig nur ein kleiner Verband blieb. Obwohl die meisten Verbände und Organisationen keine nationale Verbreitung hatten, ganz zu schweigen von einem gemeinsamen nationalen Dachverband, vergleichbar dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, waren sie von gesellschaftlicher Relevanz und bildeten Mitte des vorigen Jahrhunderts das, was man dann als amerikanische katholische Subkultur bezeichnete. In seinem Standardwerk über den „American Catholic“ schrieb Charles R. Morris von ihrem „dominierenden, wenn nicht dominanten religiösen und kulturellen Einfluss im ganzen Land“. Dies änderte sich durch zwei gegenläufige Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Einerseits assimilierten die katholischen Verbände sich immer stärker in die plurale demokratische Gesellschaft und büßten dadurch ihre Identität als katholische Subkultur weithin ein. Andererseits lenkte das Zweite Vatikanum die Laienaktivitäten in eine neue Richtung: Die Teilhabe am kirchlichen Dienst durch Mitwirkung und Mitverantwortung.
Nachkonziliare Reformen waren in der amerikanischen Kirche nur zögerlich eingeführt worden, etwa die Einrichtung von Pfarrgemeinderäten oder der Gebrauch liturgischer Texte in der Muttersprache. Bis heute wird aber in Teilen des Kirchenvolkes der Friedensgruß abgelehnt, und auch über die Handkommunion entstehen Irritationen, wenn mancherorts verlangt wird, sie weiterhin kniend wie die Mundkommunion zu empfangen. Die starke hierarchische und klerikale Ausrichtung der amerikanischen Kirche ist auch dadurch bedingt, dass das kirchliche Leben bis heute durch die traditionelle Volksfrömmigkeit der Einwanderergeneration aus Irland, Italien und Polen geprägt wird. Besonders der Rückgang an Priester- und Ordensberufungen eröffnete den Laien eine vielfältige Teilnahme am kirchlichen Dienst. Verglichen mit westeuropäischen Kirchen sind die USA mit Priestern noch gut versorgt. Zwar sank die Zahl der aktiven Priester (Diözesan- wie Ordensklerus) von rund 60 000 Ende der sechziger Jahre auf heute 46 000, aber von den 19 500 Pfarrgemeinden waren im Jahr 2000 „nur“ 2500 priesterlos. Allerdings sieht die Prognose infolge wachsender Überalterung und sinkender Zahlen bei den Priesteramtskandidaten ungünstig aus: im Jahr 2010 wird jede vierte Pfarrei ohne Priester sein. Gewachsen ist dagegen die Zahl der ständigen Diakone von 2000 auf 12 000 sowie der freiwilligen wieder im Kirchendienst angestellten Laien. Trotz Priestermangel, sinkendem Kirchenbesuch und innerkirchlichen Kontroversen beurteilen sowohl konservative Beobachter wie der Konvertit Richard John Neuhaus (wie etwa der als liberal geltende Priestersoziologe Andrew Greeley) das Gemeindeleben als engagiert und stark. Selbst nach den Priesterskandalen sieht der Papstbiograph George Weigel kaum eine Beeinträchtigung des aktiven Lebens in den Gemeinden. „Das Problem“, so Andrew Greeley, „liegt nicht an der Basis (vgl. dieses Heft, 647).“ Neben vielen freiwilligen Lektoren, Kommunionhelfern, Kinder- und Altenbetreuern ist vor allem die Zahl der hauptamtlichen Pastoralassistenten, Gemeindereferenten, Katechisten und Jugendleiter gewachsen. Und nicht nur die Zahl: Auf einem 1997 von der US-Bischofskonferenz veranstalteten Kolloquium über den Laiendienst in der Kirche bezeichnete der Dominikaner Thomas O’Meara die Laienmitwirkung als „qualitativ höher“ als die Laienaktivitäten in früheren Verbänden. In diesem Jahr gab es in 63 Prozent aller Pfarrgemeinden insgesamt rund 20 000 angestellte Laien im Kirchendienst, davon waren 80 Prozent Frauen (ein Drittel dieser im Kirchendienst stehenden Laien waren jedoch Ordensschwestern und -brüder). Wie aus einer Übersicht des Sekretariates für Familien, Laien, Frauen und Jugend bei der US-Bischofskonferenz hervorgeht, ist der Andrang zu den in 150 Diözesen eingerichteten Lay Ministry Formation Programs weiter ansteigend: 1999 hatten sich dafür über 19 000 Teilnehmer eingeschrieben, davon zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer.
Die Frage nach dem Amt ist nicht zu umgehen
Während die Laienmitarbeit sich auf diesen Ebenen positiv entwickelte, stagnierte die Mitverantwortung in den Räten und kirchlichen Institutionen. Nach dem Konzil wurden Diözesan-, Pastoral- und Pfarrgemeinderäte gegründet, die sich jedoch aus mehreren Gründen schwer taten. „Wir haben diese Räte mit Begeisterung gegründet“, sagt Thomas Reese, „aber wir wussten nicht, wie sie funktionieren sollten.“ Viele Laien und Priester seien bald auch frustriert gewesen, wenn Diskussionen über heikle Fragen blockiert wurden. Schließlich hätten Laien sich in allen wesentlichen Entscheidungen ausgeschlossen gefühlt, Priester wären in eine Identitätskrise geraten und Bischöfe sowie bischöfliche Behörden hätten weiter autoritär entschieden.
Oppositionsgruppen hat es in der amerikanischen Kirche seit den siebziger Jahren gegeben, wenngleich beispielsweise die Bewegung „We are Church“ nur von geringem Einfluss blieb. Im Zuge der von Boston ausgehenden diesjährigen Enthüllungen über die Priesterskandale hat sich eine neue Oppositionsgruppe gebildet, die sich „Voice of the Faithful“ (VOF) nennt und vor allem über das Internet aktiv ist und starken Zulauf erhält. An einer Konferenz in Boston nahmen im Juli 4000 Katholiken aus 38 Bundesstaaten teil. Unter dem Motto „Keep the Faith – Change the Church“ traten sie für grundlegende Reformen der Kirche und Mitentscheidung der Laien ein. Durch Aufrufe zum Boykott von Gottesdiensten und Verweigerung von Kirchengeldzahlungen hat die Gruppe sich jedoch etwas ins Abseits begeben. Es gehe nicht nur um Strukturreformen, kritisierte Matthew L. Lamp, Theologieprofessor am Boston College, die „Voice of the Faithful“-Bewegung. Die katholische Kirche sei keine kongregationalistische Organisation, sondern das Volk Gottes, versammelt um Priester, Bischöfe und Papst. Während das von Jesuiten geleitete Boston College eine mehrjährige Untersuchung über ein neues Priesterbild ankündigte und die National Conference of Diocesan Vocation Directors neue Richtlinien zur Beurteilung von Priesterkandidaten erarbeitet, um vor allem Bewerber mit sexueller Unreife auszuschließen, hat der Direktor für religiöse Fragen der „Lilly Endowment“-Stiftung, Fred L. Hofheinz, einen für die Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien gefährlichen Zug im Priesterbild der jüngsten Generation festgestellt. Anfang Oktober wies er bei einer Preisverleihung an der Catholic University von Washington auf eine neue Studie hin, wonach unter dem Pontifikat des jetzigen Papstes großgewordene Priester ein neues „herausgehobenes Bewusstsein als Priester“ entwickelt hätten, das sich in einem größeren Abstand zu den Laien und deren Mitwirkung am kirchlichen Leben zeige. Wenn sich heute siebenmal so viele Laien auf einen kirchlichen Dienst vorbereiteten, wie es Priesteramtskandidaten gebe, sei die Frage nach dem Amt augenfällig.
Auf der Vollversammlung der amerikanischen Bischöfe vom 11. bis 14. November ist, so die katholische US-Nachrichtenagentur CNS, „die Verantwortung auf die Bischöfe zurückgefallen“. Dies betrifft sowohl die Normen gegen den sexuellen Missbrauch als auch die Frage nach einer Pastoralsynode. Die Normen wurden jetzt nach längerer Debatte mehrheitlich in der veränderten Fassung angenommen. Diese sieht eine differenzierte Behandlung beschuldigter Priester vor, die das Recht auf Klärung in einem Rechtsprozess mit Appellation erhalten sowie einer Verjährungsfrist für lange zurückliegende Verfehlungen. Überraschend beschloss die Konferenz zusätzlich auch Maßnahmen gegen Bischöfe, die sich verfehlt haben. Sie müssen ihren Fall sofort dem Nuntius und Rom zur Entscheidung vortragen und Geldzahlungen an die Opfer dem Metropolitanbischof und dem Nuntius melden. Andererseits schränken die veränderten Normen die Laienmitsprache wieder ein: Wie Rom es gewünscht hat, dürfen die Laiengremien nur „beratenden“ Charakter haben. Eine erste Entscheidung fällten die Bischöfe schließlich über eine Pastoralsynode. Da „außerordentliche Maßnahmen notwendig sind, die außerordentlichen Probleme in der Gesellschaft und in der Kirche zu behandeln“, soll eine Kommission bis zur nächsten Vollversammlung im Juni 2003 Diskussionsunterlagen darüber erstellen, ob eine nationale Pastoralsynode sinnvoll ist. Falls die Mehrheit der Bischöfe sich dafür ausspricht, sollen Entscheidungsvorlagen für die Juni-Vollversammlung 2004 erarbeitet werden. Der Vorbereitungsdiskussion unter Leitung des Benediktiner-Erzbischofs Daniel M. Buechlein von Indianapolis gehören unter anderem der Jesuitenkardinal Avery Dulles und der ehemalige Erzbischof von San Francisco, John R. Quinn, an, die beide in unterschiedlicher Weise für Kirchenreformen eintreten.