Die Zen-Rezeption im ChristentumAus der Balance?

Schon lange wird auch in vielen kirchlichen Exerzitien- und Bildungshäusern Zen-Meditation praktiziert. Der folgende Beitrag zeichnet die Rezeption dieser Meditationstechnik innerhalb des Christentums nach und stellt sich der Frage, inwieweit diese Anleihen beim Buddhismus mit den Traditionen des christlichen Glaubens vereinbar sind.

Im Januar 2002 wurde der Benediktinerpater Willigis Jäger, einer der Pioniere der Zen-Meditation im christlichen Kontext, von der vatikanischen Glaubenskongregation mit einem Redeverbot belegt. Seine theologische Bewertung der Bedeutung Jesu Christi für die Menschheitsgeschichte stimme nicht mit der Lehre der Kirche überein. Die einen nahmen es mit Bestürzung, die anderen mit Genugtuung wahr.

Religionen nicht auf bestimmte Stereotypen festlegen

Jäger, Autor zahlreicher Bücher und ehemaliger Leiter des Hauses St. Benedikt in Würzburg, sieht die Religionen auf dem je eigenen Weg zum gemeinsamen Ziel, zum „Einen und Wahren“, der „Ersten Wirklichkeit“, an deren Ort es keine Religionen mehr gibt. „Die Sinnhaftigkeit des Menschen (liegt) im evolutionären Geschehen des Kosmos“, so heißt es in seinem Buch „Die Welle ist das Meer“ (Freiburg 2000, 75 ff.). Für manchen tut sich am eindrucksvollen Denken Jägers jedoch die Frage auf, wie weit es noch den Balanceweg zwischen Zen und Christentum findet oder nicht längst zu einem eigenen esoterischen System wurde.

Das Christentum – die monotheistische und extrovertierte Ethik-Religion? Der Buddhismus – die nicht-theistische ethikarme Meditationsreligion? Keine große Religion läßt sich auf bestimmte Merkmale und Stereotypen unter Ausschließung anderer festlegen. Die Vielheit und Pluralität ihrer jeweiligen Anhänger und Gläubigen hat dazu geführt, dass sich unterschiedliche Spiritualitäten und Frömmigkeitstypen unter einem Dach ausprägen und entfalten konnten. So haben die großen monotheistischen Traditionen Judentum, Christentum und Islam, die in ihren jeweiligen Hauptströmungen den Beziehungsaspekt zwischen dem Schöpfergott und dem von ihm erschaffenen Menschen betonen, auch mystische und kontemplative Zweige und Traditionen ausgebildet. Umgekehrt kennen Traditionen, die eher zur Versenkung und zum kosmischen Einheitsdenken neigen, auch monotheistische Zweige und Konstellationen eines deutlichen Gegenübers zwischen dem Menschen und einer anzubetenden göttlichen Bezugsgröße. Religionen, die eher kontemplativ und introvertiert angelegt waren, haben auch sozialethisch engagierte Aktivitäten und Denkstrukturen hervorgebracht, und umgekehrt haben als sozialgestalterisch geltende Religionen die Meditation für sich entdeckt.

Immer aber gilt jeweils eines als Hauptstrom und das andere als Randphänomen. Und es sind in der Begegnung nie die Religionen als solche, die in Kommunikation miteinander treten, sondern immer bestimmte Menschen, die jeweils einen für sie wichtigen Teil ihrer religiösen Tradition leben.

Verwischen die Konturen?

So sind auch die Begegnungen zwischen Christen und Buddhisten zu verstehen, die auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Weit verbreitet sind diese zwischen Zen-Buddhisten (die aus dem Hauptstrom ihrer Tradition heraus agieren) und meditationsbereiten Christen (die sich eher als Wiederbeleber eines randständig geworden Seitenstroms betrachten müssen), sowohl im diskursiven Dialog als auch in der an vielen Orten geübten Praxis: Diese Verschränkung wird oft kurz „Zen“ genannt und damit suggeriert, dass Methoden ohne den philosophisch-religiösen Hintergrund überreligiös benutzt werden können. Oder es wird von „ungegenständlicher Meditation“ geredet, insbesondere bei dem Jesuiten Hugo M. Enomiya-Lassalle und seinen Schülern.

Eher für akademische Theologen beider Seiten interessant ist das evangelische Gespräch mit dem Glaubens-Buddhismus des „Reinen Landes“: Dieser erwartet die Erlösung des Glaubenden allein aus der Gnade des angerufenen Bodhisattva Amitabha (jap. Amida) – sofern man nicht spätestens seit der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung“ von 1999 auch dem Katholizismus eine ähnlich geartete Interessenlage unterstellen wollte.

Der Reichtum der Begegnungen aber löst nicht nur Harmonie und Dialogfreude aus: Zumeist akzeptiert und öffentlich gefördert wird der akademische Dialog mit klar verteilten Rollen. Schwieriger ist es mit der komtemplativen Praxis in Einkehrhäusern, die sich immer wieder dem Verdacht aussetzt, die Konturen verwischen zu lassen. Bereits 1989 sah sich die Glaubenskongregation veranlasst, in einem Brief „über einige Aspekte der christlichen Meditation“ vor der Übernahme östlicher Meditationswege zu warnen (vgl. HK, Februar 1990, 79 ff.). Er schließt mit der Ermahnung, „Vorschläge, christliche Meditation mit östlichen Techniken zu harmonisieren, (seien) immer wieder gründlich auf ihre Inhalte und Methoden (zu untersuchen), um die Gefahr zu vermeiden, in Synkretismus zu verfallen“. Die Bezugnahme auf die „negative Theologie“ könne dazu führen, das buddhistische „Absolute“ ohne konkrete Vorstellungsgehalte völlig auf die Ebene des in Christus geoffenbarten Gottes zu heben, der aber noch jenseits der letzten Realität sei. Das Veröffentlichungs- und Redeverbot gegen Willigis Jäger wurde unter anderem damit begründet, dass er genau diese Grenzen überschritten habe. Noch 1987 hatte allerdings Johannes Paul II. anlässlich eines Besuchs von Zen-Buddhisten in Rom gesagt: „Ich freue mich, dass der zwischenreligiöse Dialog sich auf dieser grundlegenden Ebene bewegt. Diese Art von Erfahrung muss fortgesetzt werden.“

Am intensivsten fand und findet die Kommunikation zwischen den beiden Religionen mit Blick auf die christliche Mystik und die spezifischen Meditationsformen des Zen-Buddhismus statt. Sie gipfelte bereits Ende der fünfziger Jahre in dem inzwischen klassischen Satz von Lassalle: „Im Zen kommt die Seele Gott bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten entgegen“ – eine Einsicht, die damals sowohl bei Christen als auch bei Buddhisten Anstoß erregen musste. Denn im Christentum wird die Kontemplation eher als häretischer Seitenarm betrachtet – lebendig in der frühen Christenheit, in der Blütezeit der mittelalterlichen Mystik und jetzt nach der Wiederentdeckung durch östliche Einflüsse seit den siebziger Jahren. Westliche Augen sehen sie hingegen als „Markenzeichen“ des Buddhismus. Lassalle, der Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils war, wurde zum Spiritus Rector einer breiten spirituellen Bewegung. In seinem ersten wichtigen Büchlein „Zen – Weg zur Erleuchtung“ (erste Ausgabe 1959) differenziert er sehr deutlich zwischen den Zielen von zen-meditativer Erleuchtung und christlicher Mystik: „In der Erleuchtung wie in der christlichen Mystik wird das eine absolute Sein erfahren; jedoch ist es im ersten Fall eine apersonale, im zweiten dagegen eine personale Erfahrung des Absoluten (Gott).“

Die Philosophie des „Nichts“

In seinem Band „Am Morgen einer besseren Welt“ von 1981 kommt Lassalle dann allerdings dem New-Age-Denken seiner Zeit sehr nahe und nimmt das Bewusstseinsstufenmodell des Schweizer Kulturphilosophen Jean Gebser auf. Die aus dem Zen gelernte ungegenständliche Meditation führe auch den Christen zur Überwindung der Dualität, zur Ich-Freiheit, zum „integralen Bewusstsein“. Ganzheit, kosmisches Bewusstsein, Energie werden zu zentralen Begriffen einer gemeinsamen spirituellen Sprache. Auch Luther hatte bisweilen dieses Gedankengut verwendet, es hatte sich aber in der dualistisch geprägten Theologiegeschichte nicht durchgesetzt (Hugo M. Enomiya-Lassalle, Zen und christliche Mystik, Freiburg 1986).

Die buddhistische Meditation kennt die beiden großen Stränge der Samatha-Meditation und der Vipassana-Meditation. Erstere dient in erster Linie der Beruhigung des Geistes, der Leidenschaften und allgemein der Sinneswahrnehmungen und Empfindungen, während letztere vom Wortsinn „vipasyana“ (klarer Blick) her über die Achtsamkeit zum Perspektivenwechsel auf die Welt und das Sein führen soll. Die Methoden, die weithin aus dem in Indien entwickelten vielfältigen Yoga stammen, sind beiden Strängen gemeinsam, abgesehen von spezifischen Ausprägungen. Bei uns ist die später im sechsten Jahrhundert entwickelte Zen-Meditation populär: Das Denken soll abgeschaltet werden, um in einem wachen Zustand von Leerheit und Abgeschiedenheit für die Erleuchtung empfänglich zu sein. Diese kann nicht herbeigezwungen werden. Unter den vielfältigen Meditationswegen dürften am weitesten voneinander entfernt sein auf der einen Seite die Übungen des tibetischen Tantrismus, die den gesamten Körper und alle seine Verrichtungen als symbolträchtig und heilsfähig einbeziehen, und auf der anderen Seite der karge japanische Stil des Soto-Zen-Buddhismus: ausschließlich schweigend zu sitzen. Von buddhistischer Seite hat sich die kleine japanische Zen-Tradition Sambô Kyôdan am stärksten dem westlichen christlichen Meditationsbedürfnis geöffnet: In ihrem Tempel in Kamakura gehen Deutsche und andere Westler ein und aus; „Dokusan“, meditationsbegleitende Gespräche mit dem Meister, sind auch auf Englisch möglich.

Lassalle hatte bereits in „Zen – Weg zur Erleuchtung“ gesagt, „dass die Erleuchtung, obwohl sie eine echte Intuition ist, weder zur Erkenntnis eines persönlichen Gottes noch zur christlichen Mystik führen muss“. Das schwer Begreifbare der Gratwanderung auf dem meditativen Weg wird von dem irischen Jesuiten William Johnston 1979 mit folgendem Erlebnis, einem Dokusan-Gespräch mit seinem Zen-Meister, illustriert (Christian Zen, San Francisco 1979): Auf die Frage, was er beim Zazen (der Praxis des Zen-Buddhismus) tue, antwortet er: „Ich sitze schweigend in der Gegenwart Gottes, ohne Worte, Gedanken, Vorstellungen oder Ideen.“ „Dein Gott ist überall?“, fragt der Meister zurück, „du bist völlig von Gott umgeben?“ Johnston bejaht. Er wird vom Meister angewiesen, so fortzufahren, und schließlich werde er erleben, dass Gott verschwinde und nur noch Johnston übrigbleibe. Johnston ist schockiert über diesen Hinweis und antwortet: „Gott wird nicht verschwinden, aber es mag sein, dass Johnston verschwindet und nur Gott übrigbleibt.“ Die Antwort des Meisters, ebenso schockierend wie die vorherige: „Ja, das ist das Gleiche, genau das meine ich.“ Johnston war, so will er hier suggerieren, mit seinem Denken und Sinnen noch der Subjekt-Objekt-Struktur verhaftet, die der Vorstellungswelt der ungegenständlichen Versenkung nach dem Zen fremd ist. Johnston war auch derjenige, der 1973 die im 14. Jahrhundert entstandene „Wolke des Nichtwissens“ im englischen Original neu zugänglich machte, ein christlich-mystischer Text eines englischen Kartäusers, der vieles von dem vorwegnimmt, was sechs Jahrhunderte später im „christlichen Zen“ als interreligiöse Meditation wieder auftaucht. Die Philosophie des „Nichts“, ein wichtiger Bestandteil des Mahayana-Buddhismus und der Zen-Philosophie, wird in den Abschnitten 68 bis 70 der „Wolke des Nichtwissens“ dargelegt. „Wer wird dieses ,Nichts‘ wohl als ,Leere‘ verspotten? Natürlich unser oberflächliches Selbst, nicht unser wahres Selbst“ (Abschnitt 68).

Die Vordenker in der christlich-mystischen Tradition

An anderen Stellen deutet sich stärker eine „negative Theologie“ an, eine Vorstellung von Gott, der sich jenseits des Sag- und Denkbaren aufhalte. „Manchmal kommt ihm (dem Sich-Versenkenden; U. D.) dieses ,Nichts‘ vor wie ein himmlisches Paradies – wegen der wunderbaren Stärkung und dem unaussprechlichen Gefühl der Freude und des Gutseins, das er empfindet. Mitunter erlebt er dieses Dunkel als einen solchen Frieden und als eine solche Ruhe, dass er glaubt, Gott selbst zu erfahren“ – aber: „Gleich, wie er dieses ,Nichts‘ erfährt, bis zuletzt wird eine Wolke des Nichtwissens zwischen ihm und Gott bleiben“ (Abschnitt 69). Der Text, der stark vom Neoplatonismus und Dionysius Areopagita geprägt ist, äußert sich jedoch an anderen Stellen auch in Richtung eines kosmischen Bewusstseins (Willi Massa [Hg.], Kontemplative Meditation – Die Wolke des Nichtwissens, 6. Aufl., Mainz 1986). Meister Eckhart vertrat wenige Jahrzehnte vor dem englischen Mystiker einen geistig-energetischen Gottesbegriff: „Gott ist seiender, schöpferischer, lebendiger Geist, nicht eigentlich Sein zu nennen, das erst seine Schöpfung ist. Und so ist auch sein Ebenbild, unser Geist, als ewige persönliche Idee in Gott schöpferische Geistigkeit.“ Ein vollständiges Aufgeben der persönlichen Gottesvorstellung oder eine absolut undualistische Einheitsidee Gott-Welt im engsten Sinne finden wir hier nicht, der Schöpfungsgedanke impliziert immer auch ein Gegenüber, wenn auch ein solches miteinander „harmonierender Gegensätze“. So ist der Hinweis von Willigis Jäger, dass die Mystik „ihren Grund in einer Einheitserfahrung (hat), in der die Grenze von Gott und Welt aufgelöst ist“ (Die Welle ist das Meer, 80) schon stark aus der buddhistischen Erfahrung gespeist, aber er bewegt sich durchaus im Grenzbereich dessen, was die christlich-mystische Tradition vorgedacht hat. Die Kenntnisnahme dieser Tradition schärft das Bewusstsein dafür, dass man sich beim Betrachten der Begegnungsfelder vom Denken in scharfen Kontrasten und Stereotypen verabschieden muss. Dies muss nicht den Abschied von unaufgebbaren und unterscheidbaren Glaubensgewissheiten bedeuten. Vertreter eines christlich praktizierbaren Zen wie Johnston oder der japanische Jesuit Kakichi Kadowaki haben nicht zuletzt deshalb vorgeschlagen, auf die Benutzung von chinesisch-japanischen Koan zu verzichten, die im Rinzai-Zen als Meditationshilfe verwendet werden.

Es handelt sich dabei um überlieferte kurze Gespräche zwischen Meister und Schüler, die auf den ersten Blick meist einen paradoxen Eindruck machen. Sie können nur in einem spirituellen Sinne „verstanden“ werden und sollen dem Meditierenden helfen, seine rationalen Denkwege zu verlassen. Johnston und Kadowaki verweisen auf biblische paradoxe Perikopen, die einen ähnlichen Zweck erfüllen können, wie etwa der Ausspruch Jesu über das Kamel und das Nadelöhr. Jäger fügt dieser Einsicht allerdings diejenige hinzu, dass jeder Religion zum einen eine exoterische, die Traditionen trennende Dimension innewohnt: Bekenntnisse, Rituale, heilige Schriften, die Merkmale, die eine Glaubensgemeinschaft erkennbar machen, und zum anderen eine esoterische: Mystik, Yoga, Zen, Sufismus, Kabbala, die vergleichbare Methoden haben und ein gemeinsames Ziel anstreben. So kann er Zen „enteignen“ und für Christen anwendbar machen, umgekehrt müssten Buddhisten sich auch als „Kabbalisten“ oder „Yogis“ bezeichnen dürfen.

Eine Kontroverse innerhalb der Deutschen Buddhistischen Union

Dass viele deutsche Zen-Buddhisten diese liberale Sicht der letztendlichen Einheit christlicher und zenbuddhistischer Meditationsziele nicht teilen, zeigt eine 1994/1995 ausgetragene Kontroverse innerhalb der Deutschen Buddhistischen Union (DBU), an der sich auch Willigis Jäger beteiligte. Die Zen-Gemeinschaft Mumonkai bezeichnete Zen als eine in sich geschlossene buddhistische Botschaft ohne Gemeinsamkeiten mit der christlich-abendländischen Theologie. Das Erleben der Leerheit allen Seins stehe gegen eine Welt des Dualismus und der Gegensätze. Mumonkai forderte die katholische Kirche auf, klare Grenzen zu ziehen und die Zen-Meditierenden in ihren Reihen zum Verzicht zu bewegen. Auch von liberaleren Positionen aus erhielt Willigis Jäger Gegenwind: Die damalige DBU-Aktive Regine Leisner hielt ihm vor, warum sich Christen nicht, wenn denn jede Tradition ihre „esoterische Dimension“ habe, mit der christlichen Mystik begnügten, anstatt nach dem Zen zu greifen. Sie fragte, was es für einen Christen bedeuten würde, wenn ein Buddhist sich das Rosenkranzgebet aneigne und bete: „Heilige Tara, Mutter des Universums, du bist gebenedeit... bitte für uns“, geleitet von tibetischen Lamas in christlich-liturgischen Gewändern. Dieser Hinweis zeigt deutlich, dass es oft nicht unbedingt Glaubensgrenzen, sondern eher Fragen der Ästhetik und der Gewohnheit sind, die das Klima der Begegnung prägen und die Grenzen ziehen. In der Begegnung von asiatischen Christen und Buddhisten sind inzwischen „interreligiöse Liturgien“ entwickelt worden, die an Radikalität weit über das von Leisner konstruierte Beispiel hinausgehen. Sie vermutet, dass es für Buddhisten schwierig sein könnte, Gottheit, Wesensnatur und Schöpfer mit Sunyata, dem Sanskrit-Begriff für Leere, gleichgesetzt zu sehen. Genau dies aber entspricht etwa dem Programm des japanischen buddhistischen Philosophen Masao Abe, der die christliche Trinitätslehre mit einem dynamisierten Begriff von Sunyata ins Gespräch bringt.

Dies zeigt, dass der christlich-buddhistische Dialog nicht zuletzt von gegenseitigen Projektionen lebt: Sie können die Begegnung befruchten, sie aber zuweilen auch auf höchst skurrile Weise verumständlichen. Das Pochen auf dem Bekenntnis, das in dieser Kontroverse von beiden Seiten zu hö ren war, ist vermutlich ein westliches, insbesondere deutsches Phänomen, das, sofern es auch von einem Buddhisten zu hören ist, von seiner Kontext-Gebundenheit zeugen mag – buddhistische „Bekenntnisse“ kennt man in Asien nicht.

Die Diskussion um kirchliche Kontemplationshäuser wird angesichts der gegenwärtigen Suchbewegungen oft von der Angst vor der Faszination östlicher Meditationsmethoden bestimmt. Hier wird zuweilen nicht bedacht, dass die religiös-weltanschaulichen Konnotationen meditativer Versenkung viel, wenn nicht alles mit dem Ambiente, dem Kontext der Versenkung zu tun haben. Der Weg ins Innere, sofern er zum Beispiel als ungegenständliche und aus dem Soto-Zen-Buddhismus erlernte Meditation begangen wird, macht mit Sicherheit nicht per se zum Buddhisten, wenn er in einer christlichen Meditationsgruppe in einem kirchlichen Gottesdienstraum stattfindet und von christlichen Gebeten begleitet wird. Selbst eine Meditationsbegleitung, die auf eine Fantasiereise mitnimmt und dabei auch von „kosmischer Weite“ wie der „Unendlichkeit des liebevollen Raumes Gottes“ spricht oder die dazu anleitet, auf das „dritte Auge“ zu meditieren, kann diesen Jargon als Metaphorik zur Förderung der Konzentration nutzen: Sie muss mich nicht unbedingt und automatisch auf östliche Glaubens(ab)wege bringen. Genauso muss das Reden von „Chakren“ und „Meridianen“ als vorwissenschaftlichen Metaphern für physiologische Funktionen des Körpers (Blut- und Nervenbahnen, Lebensadern) noch nicht bedeuten, dass man sich endgültig aus dem Raum des christlichen Glaubens verabschiedet – zumal es keine „christliche Physiologie“ gibt. In dieser Hinsicht scheint auch der Brief „über einige Aspekte der christlichen Meditation“ der Glaubenskongregation von 1989 im Irrtum zu sein. Er befürchtet, allein durch die Übernahme nichtchristlicher Methoden und Techniken für die christliche Meditation sei der Glaube unkontrollierbaren Gefahren ausgesetzt.

Ist die bisherige Theologie veraltet?

Bei Willigis Jäger ist weniger der Grenzgang zwischen Christentum und Buddhismus oder das Abgleiten in den Zen-Buddhismus problematisch, als vielmehr die Behauptung, mit neuen wissenschaftlichen Weltbildern sei die bisherige Theologie veraltet. Er lotet die Alternativen Aristoteles und Platon aus, diskutiert ein neues physikalisches Paradigma theologisch und versucht mit Hilfe des Gedankens des Einen (Holon) den alten schöpfungstheologischen Dualismus abzulösen, der sich von Aristoteles über Descartes bis in die Theologie unserer Tage zieht. Mit Gedanken dieser Art inspirierte er unter anderem im Mai 2000 eine Kontroverse in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“. Überzeugender und auch theologischer fundiert ist seine Argumentation in „Die Welle ist das Meer“ (2000), in dem er sich ausführlicher auf die mittelalterliche mystische Tradition beruft, und damit auf jenen Strang, der sich im Unterschied zu den Aristotelikern Albertus Magnus und Thomas von Aquin auf Platon und den Neuplatonismus bezog. Aber auch die kritischen Wendungen des Kosmos-bezogenen Einheitsdenkens, das Jäger befürwortet, lassen die Frage offen, ob der personale Gottesgedanke und das Gegenüber des geschaffenen Menschen, also ein beziehungsorientiertes theologisches Denken, allemal „dualistisch“ und nicht lediglich dual enden müssen: Auch das alte chinesische Denken lebt nicht von einem Dualismus, sondern von der Dualität von Yin und Yang.

Bleibende Unterschiede

Besteht nicht die Tendenz, die Bezogenheit des Menschen – auf Gott, auf den anderen Menschen, auf sich selbst – auf eine Befindlichkeit zu reduzieren, die ihn mit sich und dem Einen im Reinen sein lässt, aber auch einsam machen kann? Die Erfahrung der Non-Dualität im Buddhismus und die mystische Erfahrung großer christlicher Kontemplationslehrer wie Johannes vom Kreuz und Meister Eckhart strikt voneinander zu unterscheiden, ist wahrscheinlich ein eher rhetorisches Unternehmen: Das Anliegen ist den beiden – sich vermutlich sogar gegenseitig beeinflussenden – Traditionen gemeinsam. Wenn die entscheidende Schwelle darin bestehen mag, dass der Stellenwert des „Selbst“ als Subjekt beziehungsweise Resonanzbereich der Kontemplation gelegentlich unterschiedlich ist, so hat es doch auch hier Vermittlungsversuche gegeben: Der methodistische Theologe Lynn A. de Silva aus Sri Lanka hat die Nähe des Verständnisses des menschlichen Selbst in den Paulus-Briefen und der buddhistischen Anatta-Vorstellung, das heißt der Vorstellung des Nicht-Ich, aufgewiesen. Sowohl das Ich im Neuen Testament als auch Anatta seien nur in einer dialektischen Beziehung denkbar und insofern beide immer zugleich Ich und Nicht-Ich (Ulrich Dehn, Menschenwürde und Menschenrecht – Konzepte im buddhistisch-christlichen Dialog, in: Eilert Herms [Hg.], Menschenbild und Menschenwürde, Gütersloh 2001, 483– 492).

Nichtsdestoweniger bleiben Unterschiede, die weder durch das Gespräch noch durch das Ausloten der Traditionen am Rande aufgelöst werden können: Gerade mit der Anerkennung der Unterschiede und mit der fruchtbaren Auseinandersetzung fängt der wirkliche Dialog an, der die Gesprächspartner aneinander wachsen lässt – und zugleich immer ein Risiko bedeutet. Grenzgänge der obengenannten Art geschehen nie ohne Risiko. Aber auch der begegnungsfreie, seiner selbst angeblich ganz sichere Glaube beinhaltet dieses Risiko.

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