Der Methodismus 300 Jahre nach John WesleyErbe und Zukunft

Als Reformbewegung innerhalb der anglikanischen Kirche von England entstanden, ist der Methodismus heute ein wichtiges Element der weltweiten Christenheit. Methodistische Theologie und Frömmigkeit wurden auch über die methodistische Kirchen hinaus wirksam, die derzeit in der Dritten Welt Mitgliederzuwächse zu verzeichnen haben. In Deutschland leben etwa 65 000 Methodisten.

Im Sommer dieses Jahres haben Methodisten in der ganzen Welt den 300. Geburtstag John Wesleys gefeiert. Der Begründer der methodistischen Bewegung wurde am17. Juni 1703 in Epworth, England, geboren. 1790, kurz vor seinem Tod im Alter von 88 Jahren, zählten die unter seiner Aufsicht stehenden Gemeinschaften 120 233 Mitglieder im In- und Ausland und 511 Prediger. Heute gehören zum Weltrat Methodistischer Kirchen etwa 90 Kirchen, die in 145 Ländern arbeiten, etwa 38 Millionen Mitglieder haben und mit ihrer Arbeit etwa 75 Millionen Menschen erreichen. Trotz dieser enormen Wirkungsgeschichte des Lebenswerks von John Wesley ist in Deutschland sein 300. Geburtstag über den methodistischen Bereich hinaus kaum zur Kenntnis genommen worden. Hier wird John Wesley sowohl in der theologischen Zunft als auch in der kirchlich interessierten Öffentlichkeit als ein rein angelsächsisches Phänomen gesehen, mit dem sich zu beschäftigen kaum lohnt. Dennoch möchte ich versuchen, die Bedeutung des theologischen Erbes John Wesleys herauszuarbeiten und daran einige Überlegungen zur gegenwärtigen Situation und zur Zukunft des Methodismus anzuschließen.

Rechtfertigung und Heiligung

Lebensthema John Wesleys war die Heiligung. In Einklang mit Gottes Willen zu leben und damit gemäß Hebräer 12,14 befähigt zu werden, „den Herrn zu sehen“, wurde mehr und mehr zum Inhalt seines Lebens. Und als er bei einer der ersten Konferenzen, die er jährlich mit den Reisepredigern abhielt, die unter seiner Leitung in der neuen Bewegung arbeiteten, die Frage stellte: „What may we reasonably believe to be God’s design in raising up the preachers called Methdodists?“ war die Antwort: „Not to form any new sect; but to reform the nation, particularly the church; and to spread scriptural holiness over the land.“ (The Works of John Wesley, 3. Auflage, 1872 u.ö., VIII, 299.) Als junger anglikanischer Geistlicher suchte John Wesley den Weg zur Heiligung zunächst in einer disziplinierten Lebensweise, die persönliche Frömmigkeitsübungen, karitatives Handeln, regelmäßiger Besuch der Eucharistie und intensive Gemeinschaft mit Gleichgesinnten miteinander verband. Wahrscheinlich war es diese Lebensweise, die schon in Oxford der kleinen Gruppe, die sich ab 1729 um die Brüder Charles und John Wesley und George Whitefield sammelte, den Spitznamen „Methodisten“ einbrachte. Die Krise dieser Lebensform erlitt John Wesley in Georgia, wohin er 1735 mit einigen Gesinnungsgenossen gegangen war, um als Missionar unter den Indianern und als Seelsorger der Auswanderer in der Wildnis der neuen Welt mit einem geistlichem Leben wie dem der Urchristenheit neu beginnen zu können. Er scheiterte kläglich, nicht nur in der Indianermission, sondern auch als Seelsorger, weil seine rigiden Vorstellungen von Gemeindezucht und die Wirklichkeit des (eigenen) Lebens nicht zu vereinbaren waren.

Als er Anfang 1738 fluchtartig nach England zurückkehrte, zog er eine vernichtende Bilanz im Blick auf das eigene Christsein. Er war – so schrieb er in seinem Tagebuch – nach Amerika gegangen, um andere zu bekehren, und war selber nicht bekehrt; vor allem aber fehlte ihm der rettende Glaube, der zum Frieden mit Gott führt (Journal, January 24 – February 1, 1738). In dieser Situation völliger Verunsicherung traf er in London auf den Herrnhuter Peter Boehler, der ihm die paulinisch-reformatorische Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben nahe brachte. Wesley erkannte deren biblische Fundierung an, suchte aber mehrere Wochen hindurch vergeblich nach der inneren Gewissheit, dass dies auch für ihn persönlich gelte. Erst am 24. Mai 1738, als er eine Versammlung in der Aldersgate Street in London besuchte und dort Luthers Vorrede zum Römerbrief hörte, wurde ihm gewiss, dass er auf Christus vertraute, „auf Christus allein zum Heil“, und dass Christus „meine Sünden hinweggenommen hat, gerade meine, und mich vom Gesetz der Sünde und des Todes errettet hat“ (Journal May 24, 1738).

Wesley hat von dieser Erfahrung nie als von seiner Bekehrung gesprochen. Sie war die existenziell erfasste Entdeckung der Wahrheit des sola fide. Und dieses sola fide bezog er dann in der Weiterentwicklung seines theologischen Denkens nicht nur auf die Rechtfertigung, sondern auch auf die Heiligung. Gottes Heilshandeln – davon war er überzeugt – hatte zwei Dimensionen: Rechtfertigung und Heiligung. Rechtfertigung „schließt in sich, was Gott durch seinen Sohn für uns tut“, Heiligung, „was er durch seinen Geist in uns wirkt“ (Sermon 5, II, 1, 1746). Oder in einer anderen grundlegenden Definition: „Durch die Rechtfertigung werden wir von der Schuld der Sünde erlöst und zur Aufnahme in Gottes Huld wieder hergestellt, durch die Heiligung werden wir erlöst von der Macht und der Wurzel der Sünde und zum Bild Gottes wiederhergestellt“ (Sermon 85, II, 1, 1785). Beides, Rechtfertigung und Heiligung, sind Gottes Werk und Auswirkung seiner Gnade allein durch den Glauben – aber Heiligung ist die Weise des Heilshandelns Gottes, in der Gott Menschen umgestaltet und zu Werkzeugen seiner Gnade in dieser Welt macht. Das verstand Wesley unter „schriftgemäßer Heiligung“, deren Ausbreitung nicht nur die Kirche, sondern die Nation reformieren sollte, weil durch sie die Herrschaft der Liebe Gottes in den Herzen der Menschen auch zum herrschenden Prinzip in der Gesellschaft werden würde. Das war das theologische Erbe, das Wesley den „Leuten, die man Methodisten nennt“, weitergeben wollte.

Dass der Methodismus gegen den erklärten Willen seines Gründers nicht Reformbewegung blieb, sondern doch zur Denomination beziehungsweise zu einer Konfessionsfamilie wurde, hatte eine Reihe von Gründen. Einer liegt schon im Wirken Wesleys selber begründet. Er begnügte sich nicht damit, als Erweckungsprediger das Land zu bereisen oder als theologischer Schriftsteller die kirchliche Öffentlichkeit zu beeinflussen. Er hielt es für nötig, die Menschen, die durch seine Verkündigung angesprochen waren, nach Herrnhuter Vorbild in Gemeinschaften zu sammeln, damit sie einander auf dem Weg zum Glauben und im Glauben begleiten konnten. Dabei ging es ihm nicht nur um die Sammlung der Gläubigen. Bedingung, in eine der Gemeinschaften aufgenommen zu werden, war allein der Wunsch: „dem künftigen Zorn zu entfliehen und Vergebung der Sünden zu suchen“.

Kirchengründung wider Willen

Die Gemeinschaften waren offen für Suchende und für Glaubende, und auf dem gemeinsamen Weg sollten ihnen drei einfache „Allgemeine Regeln“ helfen, nämlich (1) nichts Böses zu tun, sondern Böses aller Art zu meiden; (2) in jeder Hinsicht Gutes zu tun, und sich nach ganzem Vermögen barmherzig zu erweisen; (3) durch den Gebrauch aller von Gott verordneten Gnadenmittel sich für Gottes Wirken zu öffnen.

Das Leben der methodistischen Gemeinschaften blieb also eingebettet in das Leben der Kirche von England. Und doch waren die Ziele der neuen Bewegung vielen ihrer Geistlichen fremd, und als sich trotz der dringlichen Appelle Wesleys nur wenige von ihnen diesem Anliegen öffneten, nahm Wesley nach anfänglichem Zögern Laienassistenten als missionarische Reiseprediger in seinen Dienst, weil er sich ihrer Berufung und Befähigung nicht verschließen konnte (in Ausnahmefällen galt dies auch von Frauen). Wesley war davon überzeugt, dass Christsein von der Gemeinschaft lebt, gerade auch missionarisch ausgerichtetes und seelsorgerlich geprägtes Christsein. In einem der ersten Gesangbücher, das er zusammen mit seinem Bruder Charles herausgab, schrieb er: „Das Evangelium von Christus kennt keine andere Religion als soziale, keine Heiligkeit außer sozialer Heiligkeit“ (Works, XIV, 321). Der Zusammenhang zeigt, dass „sozial“ hier sowohl im weiteren Sinne von „gemeinschaftsbezogen“ gemeint ist, als auch im engeren Sinne der Verantwortung für Notleidende verstanden wird; Wesley fügt nämlich hinzu, dass „,Glaube, der durch Liebe tätig ist‘ die Länge und Breite und Tiefe und Höhe christlicher Vollkommenheit“ sei.

Weil Wesley Heiligung de facto mit dem Erfülltwerden durch die Liebe Christi in eins setzt, ist für ihn die Vertiefung der Beziehung zu Gott und die Intensivierung der Beziehung zu (notleidenden) Mitmenschen untrennbar verbunden. Und noch im hohen Alter mahnt Wesley die sich langsam in ihren Kapellen etablierenden methodistischen Gemeinschaften unermüdlich, aus dem Gehäuse selbstgenügsamer Kirchlichkeit herauszugehen und die Menschen aufzusuchen, dort, wo sie sind; nicht nur um der missionarischen Reichweite willen, sondern weil sie nur so den Armen in der Gesellschaft begegnen würden. Für sie hatte sich Wesley zeit seines Lebens eingesetzt. Vielleicht darf man sagen, dass – abgesehen von Franz von Assisi – keine führende Persönlichkeit in der Geschichte der Kirche die Option des Evangeliums für die Armen sowohl theologisch als auch praktisch so intensiv nachvollzogen hat wie John Wesley. Aber zur „Sozialgestalt“ von Kirche gehörte für ihn neben dem Teilen irdischer Güter genauso die Gemeinschaft an geistlichen Gaben, insbesondere die Teilhabe am Mahl des Herrn. Als sich die Kirche von England nach dem Unabhängigkeitskrieg nicht in der Lage sah, ordinierte Geistliche für Amerika zur Verfügung zu stellen, und die Bischöfe auch nicht bereit waren, methodistische Prediger für die Arbeit dort zu ordinieren, sah sich Wesley deshalb 1784 genötigt und bevollmächtigt, als Presbyter der Kirche von England zwei seiner Prediger zu Presbytern für die Arbeit in Amerika zu ordinieren und einen von ihnen als Generalsuperintendenten mit der Aufsicht des dortigen Werkes zu betrauen. Dass dieser sich dann von der Konferenz der methodistischen Prediger in den USA zum Bischof einsetzen ließ, geschah gegen Wesleys ausdrücklichen Willen, war aber letztlich nur die logische Konsequenz des Schrittes zum eigenständigen Kirchesein. In England vollzog sich die Trennung von der Anglikanischen Kirche nach Wesleys Tod 1791 unspektakulärer, aber ebenfalls recht rasch, einfach durch die Tatsache, dass methodistischen Predigern von der Konferenz erlaubt wurde, in den methodistischen Gemeinschaften das Abendmahl zu feiern.

Albert Outler hat einmal formuliert, die eigentliche Bestimmung des Methodismus wäre es gewesen (und könnte es wieder sein), „ein evangelischer Orden innerhalb einer wahrhaft katholischen Kirche“ zu sein. Aber diese „wahrhaft katholische Kirche“ gab es weder zur Zeit Wesleys, noch gibt es sie (zumindest aus evangelischer Perspektive) heute. Aber sollte Outler recht haben, wäre dem Methodismus die Aufgabe gestellt, einerseits am Entstehen einer „wahrhaft katholischen Kirche“ zu arbeiten und andererseits sich um der eigenen Sendung willen nicht einfach aufzugeben, sondern die dienende Identität eines evangelischen Ordens zu entwickeln, eine Aufgabe, für die es im evangelischen Bereich nicht viele Vorbilder gibt. Es wäre dazu ein ökumenisches Paradigma zu suchen, das in die Einheit der Kirche Jesu Christi die Gaben unterschiedlicher Bewegungen integrieren kann, ohne sie zu einer künstlichen Einheitlichkeit zu nivellieren.

Schnelles Wachstum und zahlreiche Spaltungen

Im Jahre 1786, also fast 50 Jahre nach dem Beginn der methodistischen Erweckung, schrieb Wesley einen kleinen Artikel zum Thema „Gedanken über den Methodismus“, dessen erster Absatz bis heute viel zitiert wird: „Was ich befürchte, ist nicht, dass die Leute, die man Methodisten nennt, je aufhören zu existieren, weder in Europa noch in Amerika. Aber das fürchte ich, dass sie einst nur noch als tote Sekte fortbestehen könnten. Sie hätten wohl die äußere Form der Religion, aber nicht mehr deren innere Kraft. Dies wird unweigerlich der Fall sein, wenn sie nicht sowohl an der Lehre und am Geist als auch an der Hingabe festhalten, womit sie seinerzeit begonnen haben“ (Works, XIII, 258). Diese prophetische Bemerkung des eigenen Kirchenvaters hat manche selbstkritische Überlegungen im heutigen Methodismus ausgelöst. Aber die Frage, was Wesley mit Lehre, Geist und Hingabe („discipline“) meinte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es ist ja ein spannungsvolles Vermächtnis, das er hinterließ, und gerade in der Spannung liegt auch seine Fruchtbarkeit. Ich weise noch einmal auf vier Elemente hin, die sich gerade in ihrer Wirkungsgeschichte als spannungsreich erwiesen haben.

  1. Allein die Gnade Gottes bewirkt, dass ein Mensch zum Glauben kommt. Keine noch so drängende evangelistische Verkündigung kann einen Menschen zum Glauben bringen und keiner kann sich aus eigenem Wollen heraus für den Glauben entscheiden. Glaube ist Geschenk. Aber weil Gott durch seine vorlaufende Gnade schon im Herzen von Menschen arbeitet, können und müssen wir Menschen zur Umkehr rufen und zum Glauben einladen. Für die, die nach Glauben fragen und Gewissheit suchen, gibt es durch die Gnadenmittel Hilfen, sich für das Geschenk des Glaubens zu öffnen.
  2. Gottes Gnade bewältigt nicht nur die verfehlte Vergangenheit der Menschen; sie stellt in eine neue Beziehung zu Gott und gestaltet durch die Gegenwart des Geistes auch die Zukunft. Menschen werden wieder zum Bild Gottes geformt, als das sie geschaffen worden sind. Und obwohl Christen immer in Gefahr bleiben, aus dieser Beziehung zu fallen, kann sie Gottes Geist so völlig mit der Liebe Gottes erfüllen, dass Sünde keinen Platz mehr in ihrem Leben hat. Diese Lehre von der „christlichen Vollkommenheit“ hat trotz aller Vorsicht, mit der Wesley sie vertrat, viele theologische Kontroversen bis hin zu Kirchenspaltungen ausgelöst. Aber der „Optimismus der Gnade“, die Überzeugung, dass die Kraft der Liebe Gottes stärker ist als die Macht der Sünde, und dies

    im Glauben erfahrbar ist, bleibt ein wichtiges Vermächtnis der Theologie John Wesleys.

  3. Gottes Gnade nimmt sich der Not des ganzen Menschen an. Wo Seelen gerettet werden, bleibt auch die leibliche Not nicht unberührt. Die Sorge für die Armen ist zunächst an den Betroffenen ganz persönlich orientiert. Sie sieht aber auch gesellschaftliche Missstände, die Menschen arm machen und tritt für ihre Veränderung ein. Für den politisch eher konservativen Wesley war dieder Punkt, wo persönliche Fürsorge notwendigerweise zur sozialpolitischen Diakonie wurde. Die Herausforderung für seine Nachfolger war und ist es, ähnliche Probleme heute zu entdecken und anzugehen, aber über der sozialpolitischen Lobbyarbeit nicht die grundsätzliche Orientierung am Evangelium zu verlieren.
  4. Gottes Gnade hatte nach Wesleys Überzeugung der methodistischen Bewegung einen klaren Auftrag als missionarisches und reformatorisches Ferment innerhalb der Heilsgeschichte gegeben. An dieser Sendung festzuhalten und sie zugleich in „ökumenischer Gesinnung“ (Englisch: „Catholic Spirit“) zu leben, ist Teil seines Vermächtnisses. Das eigene Profil nicht aufzugeben, aber es anderen auch nicht aufzuzwingen, sondern dort, wo man im Grundsätzlichen miteinander übereinstimmt, die fruchtbare Zusammenarbeit zu suchen, gehört sozusagen zur „genetischen Ausstattung“ methodistischer Kirchen, ist aber im praktischen Leben nicht immer leicht zu verwirklichen.

Das Jahrhundert nach Wesley war eine Zeit großen Wachstums und weltweiter Expansion des Methodismus, aber auch vieler Spaltungen – oft entlang der vorprogrammierten „Sollbruchstellen“ wie der Frage der christlichen Vollkommenheit oder der Sklaverei. Erfolgreich waren vor allem die methodistischen Kirchen, die den erwecklichen Pioniergeist mit Grundmustern bürgerlicher Kirchlichkeit verbinden konnten. Die Radikalität des wesleyanischen Ansatzes, besonders in sozialen Fragen oder im Blick auf die Ordination von Frauen, hielt sich eher in kleineren Gruppierungen wie den „Primitive Methodists“ in England oder den „Free Methodists“ in den USA. Die Heilsarmee, die sich 1870 von der Britischen Methodistenkirche trennte, verkörpert mit ihrer Verbindung von Sozialarbeit und Evangelisation vieles von Wesleys ursprünglichem Ansatz. Sie ist so etwas wie ein „evangelischer Orden“ geworden, hat aber Wesleys Hochschätzung der Sakramente, insbesondere des Herrenmahls, völlig aufgegeben und lässt ihre Beziehung zur Kirche und zum Kirchesein bewusst offen.

Im 20. Jahrhundert haben sich eine Reihe der getrennten methodistischen Kirchen wieder zusammengeschlossen (vor allem in Europa und teilweise in den USA), und viele der von Großbritannien und den USA aus gegründeten methodistischen Kirchen sind inzwischen selbstständig geworden. Heute wachsen methodistische Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika, während in den USA und Westeuropa seit Jahren ein Mitgliederrückgang zu verzeichnen ist. In den größeren Kirchen und vor allem der „United Methodist Church“ (Evangelisch-Methodistische Kirche), die außer in den USA in vielen Ländern Kontinentaleuropas, Afrikas und auf den Philippinen vertreten ist und etwa 30 Prozent des Weltmethodismus repräsentiert, vermischt sich die Weite des wesleyanischen Erbes mit heutigem Pluralismus zu einem spannungsvollen Gegeneinander unterschiedlicher Richtungen, die sich alle auf Wesley berufen. Der evangelikal-konservative Flügel bekämpft den sozialpolitisch engagierten progressiven Flügel und dazwischen gibt es auch hochkirchlich-sakramentale Positionen. Hauptstreitpunkt ist, wie in vielen Kirchen, die Frage nach der Wertung der Homosexualität. Aber das ist wohl nur Symptom für tieferliegende Differenzen, die überwunden werden müssen.

Die eigenen Gaben in die gemeinsame Mission einbringen

Der Methodismus steht weltweit vor drei Herausforderungen, deren Bewältigung über seine Zukunft entscheiden wird.

  1. Die Wiedergewinnung der inneren Einheit der methodistischen Bewegung. In den letzten Jahren haben methodistische Kirchen entdecken müssen, dass sie zu Konkurrenten am religiösen Markt geworden sind. Die weltweite Migration ganzer Bevölkerungsgruppen, das neue missionarische Bewusstsein asiatischer und afrikanischer Kirchen, insbesondere der Koreaner, aber auch die Tatsache, dass die große „United Methodist Church“ (Evangelisch-Methodistische Kirche) ihre Berufung, eine „Global Church“ sein zu sollen, wiederbelebt hat, all das hat dazu geführt, dass in bestimmten Gebieten erneut methodistische Kirchen nebeneinander und manchmal auch gegeneinander arbeiten. Der Weltrat Methodistischer Kirchen ist eine relativ schwache Organisation, hat es aber nach einigem Hin und Her im letzten Jahr doch geschafft, seinen Mitgliedskirchen „Leitlinien für die Mission und den Dienst der Mitgliedskirchen des Weltrates Methodistischer Kirchen“, also eine Art „Charta Methodistica“, vorzulegen. In manchen Gebieten, wie etwa in Kambodscha, ist es weitsichtigen Führern gelungen, die verschiedenen missionarischen Unternehmungen zu einer einheitlichen Kirchengründung zusammenzufassen. Wichtig aber wäre es, das Bekenntnis zu dem gemeinsamen Erbe auch zu einem gemeinsamen missionarischen Handeln in der Praxis werden zu lassen. Ob das gelingt, hängt auch davon ab, wie sehr die zweite Herausforderung angenommen wird.


  2. Ein neues Vertrauen in die integrative Kraft der wesleyanischen Gnadenlehre. Die enge Beziehung von Rechtfertigung und Heiligung, persönlichem Heil und sozialer Verantwortung und ihre Verankerung im Wirken der rettenden Liebe Gottes umschreibt das Zentrum methodistischer Verkündigung und kirchlicher Praxis. Angesichts der in Mitteleuropa herrschenden Maßstäbe reformatorischer Theologie ist diese Zusammenschau manchen immer noch etwas verdächtig. Aber viele biblische – und gerade auch paulinische – Grundaussagen sprechen für sie, und die vielen theologischen Studien, die in den letzten Jahren dieses Erbe neu reflektiert haben, sollten dazu helfen, seine integrative Kraft zu nutzen und den ganzheitlichen Ansatz, den im Prinzip alle bejahen, auch in der Praxis miteinander zu leben. Aus einem lähmenden Pluralismus könnte so eine hilfreiche Weite werden. Und damit hätte der Methodismus eine wichtige Funktion für die Arbeit und Mission der ganzen Christenheit. Viele Methodisten fühlen sich von den Pfingstkirchen und der Charismatischen Bewegung beerbt, und das entmutigt sie. Tatsächlich führen diese manches von dem ursprünglichen Ansatz des Methodismus weiter, allerdings oft in einer Art, die den originalen wesleyanischen Ansatz nicht überholt, sondern gerade nach einer erneuerten Verwirklichung seiner ursprünglichen Intention ruft.

  3. Der Mut zur selbstbewussten Selbstverleugnung im ökumenischen Miteinander. Der Einfluss der methodistischen Bewegung geht weit über die methodistische Kirchenbildung hinaus. Die ganze Erweckungsbewegung im protestantischen Raum, die Heiligungs- und die Pfingstbewegung, aber auch die ökumenische Bewegung und der GFS-Prozess haben viele Anregungen aus dem Methodismus aufgenommen und vom Engagement methodistischer Christen profitiert. Das wird nicht immer registriert. Im 20. Jahrhundert haben sich methodistische Kirchen in viele Kirchenvereinigungen hineinbegeben und bei manchen, wie etwa bei der Vereinigten Kirche von Kanada, ist heute, nach 75 Jahren, kaum noch etwas vom methodistischen Erbe spürbar, obwohl die Methodisten ursprünglich die Mehrheit in der vereinigten Kirche stellten. Man kann dies als Schwäche, unter Umständen auch als Stärke des methodistischen Engagements in der Ökumene ansehen. „Ist die methodistische Kirche bereit zu sterben, um zu leben?“ fragte einst der britische Methodist Rupert Davies, als es in England um die ersten Vereinigungspläne mit den Anglikanern ging. Ob solches Selbstopfer wirklich die Verheißung des Lebens hat, ist Methodisten inzwischen zweifelhaft geworden. Aber nach wie vor kann die erste Sorge einer methodistischen Kirche nicht die Bewahrung der eigenen kirchlichen Existenz, sondern nur die Mission der Kirche Christi als Ganze sein. Das ist in Zeiten, in denen die Selbstbehauptung am religiösen Markt das erste Gebot der Stunde zu sein scheint, ein schwieriges Erbe. Das Vertrauen zu haben, die eigenen Gaben ohne Scheu, aber auch ohne beständige Sorge um die eigene Existenz, in die gemeinsame Mission hineinzugeben, ist vielleicht die wichtigste Herausforderung für den Methodismus der Zukunft.
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