Ein Gespräch mit dem Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff„Pastoral geht nicht ohne Geld“

Auch wenn die finanzielle Situation in den deutschen Bistümern recht unterschiedlich ist – sparen müssen alle. Über strukturelle und hausgemachte Finanzprobleme, Prioritätenlisten, Haushaltsstrategien sowie den Umgang mit Geld in der Kirche überhaupt sprachen wir mit dem Generalvikar der Erzdiözese Köln, Prälat Norbert Feldhoff. Die Fragen stellte Alexander Foitzik.

HK: Herr Generalvikar Dr. Feldhoff, ein Berater von McKinsey warnte jüngst die Kirche davor, Sparen zum Dauerthema zu machen. Soll trotz der angespannten Finanzlage weniger vom Sparen geredet werden, weil dies spürbar negativ auf die Stimmung innerhalb der Kirche schlägt? Oder muss noch viel mehr vom Sparen geredet werden, da manchem in der Kirche der Ernst der Lage immer noch nicht recht bewusst ist?

Feldhoff: Man kann in der Kirche sicher nicht ständig vom Sparen reden. Unser Hauptauftrag ist die Verkündigung des Wortes Gottes. Dafür braucht man Geld, aber dieses muss eine untergeordnete Bedeutung haben. In Köln haben wir mit Sicherheit nicht immer vom Sparen geredet. Nicht weil wir so viel Geld haben, sondern weil wir beim Sparen immer in Etappen vorgegangen sind. Die letzte Sparrunde hatten wir in der Mitte der neunziger Jahre mit einem Volumen von etwa 100 Millionen Mark – ein beachtlicher Batzen Geld. Wir haben mit diesem Sparvolumen bis jetzt ohne Entnahme aus den Rücklagen leben können. Jetzt stehen wir vor einer neuen Sparrunde. Bei allen Sparmaßnahmen aber ist es wichtig, positive Perspektiven zu entwickeln. Dabei ist es für die katholische Kirche in Deutschland schon peinlich, wenn, wo es ums Sparen geht, eine solche Leidensmiene aufgesetzt wird. Im Vergleich mit katholischen Bistümern weltweit stehen alle deutschen Bistümer materiell relativ, zum Teil auch absolut sehr gut da.

„In der Kirche ist es viel schwieriger, Posterioritäten festzulegen“

HK: Auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens hat man sich verständlicherweise an das Geld gewöhnt, das lange Zeit reichlich vorhanden war...

Feldhoff: Manche Bistümer entdecken heute, dass sie früher ans Sparen hätten denken müssen. Derjenige, der nicht lernt, rechtzeitig mit seinem Geld vorsichtig umzugehen, fährt über kurz oder lang vor die Wand. Insofern ist Sparen aus sozialen und aus pastoralen Gründen dringend notwendig. Wo dies versäumt wird, leidet der pastorale Auftrag. Es entstehen Ängste und Frustration bei den Mitarbeitern, die doch eine Hoffnungsbotschaft zu vermitteln haben. Kündigungen und die Schließung von Einrichtungen sind unter Finanzzwängen für die Betroffenen viel schmerzhafter. Wer rechtzeitig spart, kann dagegen die einzelnen Maßnahmen viel besser steuern. Das ist die Politik hier in Köln seit nun drei Jahrzehnten und wir sind damit gut gefahren.

HK: Für die schwierige wirtschaftliche und finanzielle Großwetterlage in Deutschland kann die Kirche nichts; auf die demographische und wirtschaftliche Entwicklung hat sie ebenso wenig Einfluss wie auf die Finanz- und Steuerpolitik. Gibt es aber nicht auch hausgemachte Gründe für die in einzelnen Bistümern prekäre finanzielle Situation? Ist man in guten Zeiten gelegentlich nicht doch zu sorglos mit dem Geld umgegangen?

Feldhoff: Wir haben in Köln, getragen von einem breiten Konsens vom Kirchensteuerrat über den Priesterrat bis zur Verwaltungsleitung, in den guten Jahren Rücklagen gebildet und die Altersversorgung zu hundert Prozent abgesichert. Wir waren dabei immer vorsichtig mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze, weil das lange Bindungen bedeutet. Dagegen haben wir in den vergangenen Jahren relativ viel Geld in die Renovierung vorhandener Gebäude gesteckt. Das hat zwei Vorteile: Man saniert den Gebäudebestand und kann in diesem Bereich ohne soziale Schäden das Finanzvolumen sehr viel schneller zurückfahren. Für diese Erkenntnisse ist aber kein besonderes betriebswirtschaftliches Studium nötig; dazu reicht der gesunde Menschenverstand und vor allem der Willen, auch nach diesem zu handeln.

HK: Haben auch bestimmte Mentalitäten innerhalb der Kirche der jetzt so angespannten Finanzlage Vorschub geleistet?

Feldhoff: Zum Beispiel die typisch kirchliche Mentalität, aus pastoralen Gründen Finanzierungsfragen zu übergehen. Viele meinen, wenn etwas als pastoral notwendig bezeichnet wird, dürfe nicht nach dem Geld gefragt werden. Es braucht die Sensibilität für das pastoral Gebotene. Aber es braucht auch einen, der sagt, wie viel Geld zur Verfügung steht, wo denn das Geld, das so dringend ausgegeben werden muss, anderswo eingespart werden kann. Wer allerdings in der Kirche mit Geldfragen nüchtern umgeht, gerät leicht in Verdacht, kalt, materialistisch und unpastoral zu sein. In der Kirche ist es viel schwieriger, Posterioritäten festzulegen als Prioritäten. Das Wichtige ist immer schnell gefunden. Kaum einer wagt zu sagen oder gar zu entscheiden, was weniger wichtig ist und unter Umständen entfallen kann.

HK: Wo haben Bistümer und kirchliche Institutionen jenseits solcher Mentalitäten mit strukturellen Problemen zu kämpfen, denen sie auch mit größerer Haushaltsdisziplin kaum begegnen können?

Feldhoff: Es gibt in allen kirchlichen Bereichen zwei Knackpunkte: die Personalkosten und die Immobilien. Wir sind – im weltlichen Jargon gesprochen – ein Dienstleistungsunternehmen. Alle Dienstleistungsunternehmen aber sind sehr personalintensiv. Seelsorge, die Caritas – fast alle kirchlichen Einrichtungen leben von den in ihnen arbeitenden Personen. Deshalb haben wir immer einen hohen Personalkostenfaktor, den zu bremsen außerordentlich schwer ist. Wir werden aber in den nächsten Jahren angesichts des Rückgangs der Kirchensteuereinnahmen und einer – von der Steuerreform im Übrigen unabhängigen – langfristigen Abnahme der Finanzkraft nicht umhin kommen, in allen Bistümern Personal abzubauen.

HK: Auch das Thema Immobilien birgt Zündstoff. Die Veräußerung und Umwidmung von Kirchen etwa stößt immer auf Protest und Unverständnis, geht es doch im letzten auch um die öffentliche Präsenz der Kirche...

Feldhoff: Vorwiegend geht es erst einmal um von den Gemeinden genutzte Gebäude, um Pfarrsäle, Gruppenräume, „Offene Türen“, Jugendheime. Davon gibt es sicherlich auch im Erzbistum Köln zu viele, der momentane Gebäudestand ist einfach nicht zu halten. Mit der Reduzierung aber stehen wir erst am Anfang eines langen Prozesses. In meiner Amtszeit sind auch etwa 28 Kirchen und Kapellen der katholischen Liturgie entzogen worden. Ich habe dabei bewusst einen so abstrakten Begriff gewählt, weil die Umwidmung extrem unterschiedlich verlief: Einige sind abgerissen worden, um das Grundstück zu verwerten, einige anderen christlichen Gemeinschaften, vor allem den Orthodoxen für ihren Gottesdienst dauerhaft übergeben worden. Ein Teil wurde vermietet, ein anderer verkauft. In ganz wenigen Fällen haben wir sie zu privatem Nutzen übergeben. Natürlich ist dies ein hoch sensibler Bereich. Wir dürfen aber das Thema dennoch nicht tabuisieren.

HK: Hat man nicht in rosigeren Zeiten einfach zu viel Personal eingestellt – etwa unter dem Stichwort Professionalisierung? Machen Hauptamtliche heute nicht einiges, was Ehrenamtliche – vielleicht nicht so gut – auch machen könnten?

Feldhoff: Darüber müssen wir zweifellos nachdenken. Es gibt Bereiche, wo durch Hauptamtliche ehrenamtliches Engagement erdrückt wird – auch in der Pastoral. Wir haben Pfarrgemeinden, die für eine Zeit keine Pfarrer hatten und in denen plötzlich erstaunliche Laienaktivitäten entstanden. Das Problem des guten Zusammenspiels von Hauptamt und Nebenamt bewegt dabei vor allem den Caritasbereich, in dem es ja viele Ehrenamtliche gibt. Im Vergleich beispielsweise mit den Vereinigten Staaten befinden wir uns in Deutschland insgesamt noch in einem wichtigen Lernprozess darüber, was alles ehrenamtlich gemacht werden kann und wie man Ehrenamt – vom Schulunterricht bis zur Zusammenarbeit mit der Industrie – fördern soll. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass zum Auf- und Ausbau ehrenamtlicher Strukturen eben wieder auch Hauptamtliche notwendig sind.

„Wir sollten Respekt vor dem Gewachsenen haben“

HK: Gerade externe Beobachter und Berater empfehlen der Kirche immer wieder, viel stärker noch in ihr Personal zu investieren, sich mehr als bisher um professionelle Personalentwicklung zu kümmern. Muss hier nicht auch noch deutlich mehr Geld ausgegeben werden? Die Anforderungen an den einzelnen steigen ja noch, wenn das Personal weniger wird.

Feldhoff: Ich habe gerade im Gespräch mit Wirtschaftsvertretern oft den beschämenden Eindruck gewonnen, dass wir im kirchlichen Bereich viel zu wenig in Personal investiert haben, was Fortbildung oder etwa die Qualifizierung der Leitungsebene angeht. Da gibt es sicherlich einen enormen Nachholbedarf unabhängig von Kürzungsüberlegungen. Wenn wir jetzt beim Personal kürzen, muss dies immer einen positiven Akzent haben. Die Reduktion darf niemals zu Lasten der Personalförderung gehen. Gerade solche, die Leitungsverantwortung zu übernehmen haben, müssen zugerüstet werden: Wer fachlich kompetent ist, muss noch lange nicht kompetent in Personalführung sein. Dabei ist auch bei uns im Generalvikariat das für die Abteilungen vorhandene Fortbildungsbudget nie voll ausgeschöpft worden. Wir haben stets mehr angeboten als nachgefragt wurde, was vielleicht auch daran lag, dass wir mit den Fortbildungsangeboten inhaltlich nicht immer richtig lagen.

HK: Gibt es nicht auch Aufgaben, die der Kirche im Laufe der letzten Jahrzehnte zugewachsen sind, von denen sie sich aber getrost – unter der Maßgabe einer Reduktion aufs „Kerngeschäft“ – getrost und ohne größeren Schaden verabschieden kann?

Feldhoff: Wir haben während meiner Amtszeit vier oder fünf Sparrunden durchgeführt und sind dabei – in Übereinstimmung mit dem Erzbischof – immer von einer schlichten Überlegung ausgegangen, dass nämlich das Aufgabenfeld unseres Erzbistums niemals abstrakt entwickelt wurde. Ich könnte in jedem einzelnen Bereich präzise nachweisen, wo bestimmte Personenkonstellationen zu außerordentlichen Schwerpunkten in der Arbeit des Erzbistums geführt haben. Kein Bischof oder Generalvikar hat gesagt, das und das ist wichtig; vielmehr waren da einzelne engagierte und überzeugende Personen, die viel Geld bewegen konnten und daraus sind große Institutionen entstanden. In der katholischen Kirche in Deutschland gab es nach dem Zweiten Weltkrieg, so weit ich mich erinnere, lediglich zwei Prioritätenentscheidungen, einmal von der Bischofskonferenz und einmal von den westdeutschen Bischöfen getroffen. Die positive betraf das kirchliche Engagement in Kindergärten und wirkt sich bis heute spürbar aus. Die negative Entscheidung ist weit weniger bekannt: der Beschluss, nicht in Tageszeitungen zu investieren. Kardinal Höffner hat letzteren mit den Worten kritisiert, man habe zuviel in Steine und zuwenig in Köpfe investiert.

HK: Lassen sich solche Prioritätenlisten aber umgehen, wenn nun doch eisern gespart werden muss?

Feldhoff: Wenn viele Aufgabenbereiche so gewachsen sind, und man ja nicht ausschließen kann, dass dabei der Heilige Geist mitgewirkt hat, sollte eine Verwaltung auch Respekt vor dem Gewachsenen haben. Bisher haben wir deshalb in den vergangenen Sparrunden immer alles gleichmäßig reduziert. Jetzt aber haben wir in Köln einen Prozess begonnen, in dem wir dieses gleichmäßige Sparen in Frage stellen wollen. Bislang ist keine Entscheidung getroffen worden, und wir stehen in Beratung mit den Gremien des Bistums. Ich bin da völlig frei. Ich würde heute keinen Arbeitsbereich tabuisieren. Umgekehrt könnte ich auch keinen Bereich benennen, wo wir getrost radikal kürzen können.

„Das Wegfallen der Kirchensteuer wäre eindeutig ein immenser Schaden“

HK: In Meinungsumfragen zur Kirche und auch unter Kirchenmitgliedern selbst rührt das gute Image der Kirche vor allem aus ihrem sozialen und diakonalen Engagement. Sollte sie daher besonders in diesem Bereich mit Kürzungen vorsichtig sein?

Feldhoff: Wir dürfen ganz sicher nicht von Imagefragen ausgehen, sondern müssen fragen, welchen Auftrag wir haben. Die jüngsten Umfragen haben zwar deutlich gemacht, dass das Ansehen der Caritas viel höher ist als das der Kirche im Allgemeinen. Aber da besteht in der Öffentlichkeit auch ein großes Missverständnis: In Köln geben wir 20 Prozent der Kirchensteuermittel für die so genannten sozialen Dienste aus, ungefähr 50 Prozent für die Seelsorge und nur 10 Prozent für Bildung, wobei dazu Erwachsenenbildung, Schule, Museum, Bibliothek, Archiv gehören. Das heißt, von einem Euro Kirchensteuer werden nur 20 Cent für Soziales aufgewandt, die Hälfte davon fließt in Kindergärten, die andere in die caritativen Verbände. In einem Ortscaritasverband wird die Zentrale in der Regel nur zu 15 Prozent aus Kirchensteuern bezahlt. Altenheime, Krankenhäuser, auch viele Beratungsdienste müssen meist ohne oder nur mit sehr wenig Kirchensteuermitteln auskommen. Der ganze Caritasbereich ist überwiegend aus Pflegesätzen, also aus selbst erwirtschaftetem Geld oder aus staatlichen Zuschüssen gefördert. Dennoch kann auch dieser Bereich vom Sparen nicht ausgenommen werden.

HK: Wenn erst einmal richtig gespart werden muss, wird sich auch der Druck auf die Ausgaben für weltkirchliche Belange erhöhen ...

Feldhoff: Das wird sicherlich eine ganz heiße Diskussion. Aber ich will durchaus selbstkritisch betonen, dass ich in früheren Sparrunden zweimal bei unserem Kirchensteuerrat, der ja zu 80 Prozent aus gewählten Mitgliedern aus den Gemeinden besteht, eine Abstimmungsniederlage erlitten habe, als ich den Ansatz für weltkirchliche Belange kürzen wollte. Seit vielen Jahren werden von dem Kölner Kirchensteueraufkommen etwa 3,5 Prozent für die Kirchen in der so genannten Dritten Welt ausgegeben. Diese Aufwendungen werden dem realen Kirchensteueraufkommen entsprechend spitz berechnet. Dies geschieht mit der uneingeschränkten Rückendeckung des Kirchensteuerrates. Wenn wir jetzt in eine neue große Sparrunde gehen, wird sicher auch eine Reduktion an dieser Stelle diskutiert werden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, das der Kirchensteuerrat weit unter die drei Prozent reduzieren will. Da gibt es – Gott sei Dank – eine so tiefsitzende Tradition, dass ich keine Angst vor weitergehenden Sparvorschlägen habe.

HK: Sehen Sie neben den verschiedenen Strategien zur Ausgabenreduktion auch Möglichkeiten, die Einnahmesituation zu verbessern? Trotz der gerade besonders spürbaren Abhängigkeit der Kirchen von der Einkommenssteuer haben Sie ja mehrfach betont, das bestehende Kirchensteuersystem nicht in Frage stellen zu wollen.

Feldhoff: Mir ist dabei durchaus klar, dass es verschiedene Prozesse gibt, die uns finanziell noch weiter schwächen werden. So bleibt es auch spannend, wie sich die europäische Einigung auswirken wird. Trotz aller positiven Signale, die wir heute erhalten, trotz aller rechtlichen Absicherung wird es zu weit reichenden Auseinandersetzungen kommen. Aber eines ist sicher, wenn die Kirchensteuer wegfallen würde, wäre dies eindeutig ein immenser Schaden für die Kirche. Natürlich halte ich es als Theologe für möglich, dass in einer wirtschaftlichen Katastrophe ein Phönix aus der Asche steigen kann. Und es hat in der Kirchengeschichte Situationen gegeben, in denen – nehmen Sie die Säkularisation – durch Schwächung der äußeren Position, im Verlust der materiellen Möglichkeiten neues kirchliches Leben gewachsen ist. Aber darauf kann man nicht bauen, und deshalb verteidige ich das bestehende System, mit dem man sehr viel Gutes tun kann. Im Übrigen irrt, wer meint, durch Geldentzug einen stärkeren Glauben produzieren zu können.

„Alle müssen lernen, mehr aus Spenden zu finanzieren“

HK: Welche anderen Finanzquellen stehen der Kirche in Deutschland aber realistisch überhaupt zur Verfügung?

Feldhoff: Weltweit kann die Kirche mit anderen Systemen leben. Die eigentliche Alternative in Deutschland kann nur die Spende sein. Staatsleistungen kann man vergessen, und aus ihrem Vermögen können auch die deutschen Bistümer nicht leben. Ich würde jedem ein Millionen-Gehalt zahlen, der mit den 50 Millionen Euro, die wir aus unserem Vermögen einnehmen, die etwa 500 Millionen Euro Kirchensteuereinnahmen ersetzen kann. Mit einem Spendensystem aber würde sich vor allem der Geldfluss ändern: Denn überall auf der Welt erhalten nicht die Bistümer die Spenden, sondern die einzelnen Gemeinden. Das Bistum hängt dann von der Umlage ab. Selbstverständlich würden manche Pfarrer in Deutschland dies begrüßen, weil sich dann auch die Machtverhältnisse ändern. Sie würden jedoch bald spüren, dass sie auch ganz anders arbeiten müssten, um überhaupt erst einmal an die Spenden heranzukommen. Die meisten werden sich dann sehr schnell nach den alten Verhältnissen zurücksehnen.

HK: Unabhängig von jeder Systemfrage – muss angesichts der drohenden Kassenlage nicht aber doch auf allen Ebenen der Kirche im Spendenbereich mehr getan werden?

Feldhoff: Wir versuchen schon seit einigen Jahren allen Gruppierungen, Gemeinden und Verbänden klar zu machen, dass sie in Vorbereitung auf das unausweichlich weitere Sinken der Kirchensteuereinnahmen schrittweise lernen müssen, mehr aus Spenden und Sammlungen zu finanzieren. Ich habe die Hoffnung, dass allmählich ein Umdenken in Gang kommt. Aber grundsätzlich herrscht in Deutschland eine Mentalität nach dem Motto: Wir zahlen doch Kirchensteuer, aus der sich alles bezahlen lässt. Wir müssen da sehr hartnäckig in eine andere Richtung arbeiten – wobei dieses Umlernen kein Bistum für sich allein bewerkstelligen kann.

HK: Auch das Erzbistum Köln hat jetzt entschieden, sich die Unternehmensberater von McKinsey ins Haus zu holen. Es steht damit in einer Reihe mit einigen anderen Bistümern, die sich, angefangen vom Bistum Essen, in Umstrukturierungs- und Haushaltskonsolidierungsprozessen extern beraten ließen. Braucht man die externen Berater, weil im Bistum nicht ausreichend haushälterischer Sachverstand vorhanden ist, oder sollen die Externen die unliebsamen Wahrheiten verkünden?

Feldhoff: Beides trifft nicht zu. Wir haben im Generalvikariat und im Kirchensteuerrat guten wirtschaftlichen und finanziellen Sachverstand. Aber es gibt Methoden, Erkenntnisse transparenter zu machen, die wir nicht haben, wohl aber solche Unternehmen. Wir befinden uns in einem Prozess, in dem wir für sieben oder acht Jahre vorzudenken versuchen. Um Plausibilitäten zu entwickeln, brauchen wir aber die Gegenprüfungen, auch wenn wir selbst gut sind. Letztlich geht es im übertragenen Sinn ums Vier-Augen-Prinzip. Wir rechnen und lassen gegenrechnen. Wir wissen zwar, wo jeder Cent bleibt. Aber wenn ich ans Sparen gehe, kommt es darauf an, auch für Beratungsgremien einen höchst komplexen Haushalt zu überschaubaren kleinen Paketen zu sortieren. Dazu bedarf es beispielsweise bestimmter Computerprogramme, die wir nicht haben, über die Unternehmensberatungen aber verfügen.

„Die Entscheidungen müssen wir selbst treffen“

HK: Besteht aber nicht doch die Versuchung, für unpopuläre Entscheidungen die Externen sozusagen als Alibi zu missbrauchen?

Feldhoff: Es ist nicht deren Stil und Aufgabe, uns zu sagen, was wir machen sollen. Die Berater legen nur Strukturen offen. Das ist wichtig, um überhaupt entscheiden zu können, was man will. Die Entscheidung selbst muss der Bischof nach Beratung mit seinen Gremien treffen. Die externen Berater aber helfen sicher eine kirchentypische Falle zu vermeiden, nämlich dass man in Beratungsprozessen zeitlich untergeht. Der Druck von außen ist wichtig und notwendig, sonst schließt eine Diskussionsrunde an die andere an, ohne dass die nötigen Entscheidungen getroffen werden. Ebenso helfen die Externen mit ihren Methoden auch, konkrete Projekte eines solchen Sparprozesses präzise, mit Daten und Fakten zu Papier zu bringen. Oft ist es in kirchlichen Gremien ja so, dass nur verschwommene Beschlüsse gefasst werden, man jedoch nicht genau durchkalkuliert, wie viel Euro im nächsten oder übernächsten Jahr die ein oder andere Maßnahme wirklich bringt oder kostet. Man kalkuliert beispielsweise nicht ein, was eine Personalreduktion zunächst einmal an Kosten bringt.

HK: Wo Unternehmensberater ins Haus kamen, stießen sie bei den kirchlichen Mitarbeitern auch auf Ängste und Vorbehalte, bezweifelt man etwa die Übertragbarkeit von Modellen aus der freien Wirtschaft auf die Kirche? Ist diese Skepsis völlig unbegründet?

Feldhoff: Es gibt diese Ängste und Vorbehalte, und ich finde sie nicht schlecht. Damit müssen die Berater selbst fertig werden. Ich habe in allen Gremien betont, dass beispielsweise durch die Einschaltung eines externen Beraters, keinesfalls die diözesanen Beratungsgremien ausgeschaltet werden sollen. Letztere leisten eine ganz andere Art Beratung. Da geht es darum, dem Bischof zu raten, lieber hier als dort zu sparen. Die externen Berater können nur aus ihrer eigenen Erfahrung sagen, was sie für möglich halten, welche Volumina in Frage kommen, welche Maßnahme wie viel Zeit braucht. Die Entscheidungen müssen wir selbst treffen.

HK: Ängste und Vorbehalte richten sich vor allem aber auch gegen eine mit dieser externen Beratung vermeintlich einhergehende Ökonomisierung der Kirche; man befürchtet, künftig werde auch die kirchliche Arbeit nur noch unter wirtschaftlichen Effizienzkriterien gesehen...

Feldhoff: Seelsorge kostet Geld. Das war schon zu Zeiten der Apostel so. Es gibt im Neuen Testament – mehr als man glaubt – viele Stellen, die sich sehr nüchtern mit Geld befassen. Die junge Kirche hatte überhaupt keine Angst, über Geld zu sprechen, denn sie musste auch eine ökonomisch starke Kirche sein. Man war sich damals unverkrampft bewusst, dass ohne Geld keine Mission betrieben, keine Armenhilfe geleistet werden kann. Dann kam der für die Kirche wichtige Einbruch im Mittelalter mit den Bettelorden. Seitdem fragt man kritisch, ob nicht auch die Institution arm sein sollte. Mit diesem von mir durchaus geschätzten Dilemma leben wir heute. Aber Geld gehört dazu. Pastoral geht nicht ohne Geld. Nur darf das Geld nicht bestimmen, was wichtig ist und was nicht. Alle müssen aber dabei den einen Grundsatz im Kopf haben: Ich kann nicht mehr ausgeben, als ich einnehme.

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