Die Fokolar-Bewegung in DeutschlandChance der Vielfalt

Aus recht unscheinbaren Anfängen in den sechziger Jahren ist die weltweite Fokolar-Bewegung entstanden. Die Stärke dieser Bewegung liegt nicht zuletzt in der Vielfalt möglicher Zugehörigkeit. In mehrfacher Hinsicht steht die Bewegung heute aber auch am Scheideweg.

Das Jahr 1943 gilt als Geburtsjahr der Fokolar-Bewegung. Die damals 23-jährige Italienerin Chiara Lubich beschloss, ihr Leben Gott zur Verfügung zu stellen. Lubich wurde am22. Januar 1920 als erstes von vier Kindern einer Arbeiterfamilie in Trient geboren. Als Grundschullehrerin unterrichtete sie in den umliegenden Dörfern. Sie engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit und im Dritten Orden der Franziskaner. Ihr besonderes Interesse galt dem Studium der Philosophie, das sie neben dem Unterrichten weiterführte. Als Trient am 13. Mai 1944 von einem schweren Bombenangriff getroffen wurde, flüchtete die Familie Lubich aus der Stadt. Chiara entschied sich, in Trient zu bleiben und bezog mit einigen jungen Frauen, die ihr Leben teilen wollten, eine kleine Wohnung. Diese Adresse wurde zur Anlaufstelle für Bedürftige. Diejenigen, die hilfesuchend zu ihnen kamen, gaben der Wohngemeinschaft und damit auch der Bewegung ihren Namen: Fokolar. Das italienische Wort focolare bezeichnet die Feuerstellen in den alten Bauernhäusern der Gegend um Trient, um die sich die Familie versammelte; ein Inbegriff für Wärme und Licht. Die Bezeichnung hat sich durchgesetzt und ist zum Programm geworden: Leben, damit die Liebe Gottes unter den Menschen aufleuchten kann; Einheit stiften, wo Menschen oder Gruppen uneins, gespalten, isoliert sind.

Lebens- und Weltgestaltung aus dem Evangelium

Das Leben der kleinen Gruppe um Chiara Lubich zog rasch Kreise. 1950 entstanden Fokolar-Gemeinschaften in Rom, Florenz und Mailand. Ende der fünfziger Jahre überquerte die Bewegung die Alpen und kam nach Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich und in die Schweiz, auch nach Argentinien und Brasilien. Aus den unscheinbaren Anfängen in Trient hat sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine weltweite Bewegung mit einer gegenwärtigen Präsenz in 182 Ländern entwickelt. Diese Verbreitung war nicht strategisch geplant, sondern schritt durch „Vor-Ort-Kontakte“ voran.

Die Spiritualität der Fokolar-Bewegung ist nicht das Ergebnis theologischer Überlegungen; sie wuchs aus Entdeckungen, Erfahrungen und Entscheidungen, gründet in einer spontanen Auseinandersetzung mit dem Evangelium. Im Laufe der Zeit haben sich charakteristische Merkmale herauskristallisiert: Prägend für die gesamte Spiritualität der Bewegung ist die gemeinschaftliche Dimension des Christentums. Die fokolarinische Spiritualität ist sowohl persönlich als auch gemeinschaftlich. Es geht um ein gemeinsames „Buchstabieren“ des Evangeliums, „um nicht Analphabeten des Evangeliums zu bleiben“ (Chiara Lubich), um den Austausch persönlicher Erfahrungen mit dem Wort Gottes. Für die Spiritualität der Fokolar-Bewegung charakteristisch ist die Ausrichtung auf ein bestimmtes Bibelwort, das so genannte „Wort des Lebens“. Dieser kurze Text aus dem Evangelium wird gemeinsam mit einem Kommentar Chiara Lubichs den Mitgliedern der Bewegung als Lebensmotto gegeben. Seit den Anfängen bis heute sind das Leben nach solcher monatlicher „Losung“ sowie der Austausch über die Erfahrungen mit dem „Wort des Lebens“ Praxis in der Bewegung. Aus der Ausrichtung am Wort Gottes und an seinem Willen folgt die Betonung der Liebe zum Mitmenschen und der gegenseitigen Liebe, die zur Einheit führt: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15, 17). Ein zweites Schlüsselwort und Grundanliegen fokolarinischer Spiritualität ist, „dass alle eins seien“ (Joh 17,21). In Verbindung mit der Zusage der Gegenwart Christi, wo sich Menschen in seinem Namen versammeln (vgl. Mt 18,20), sind hier die Internationalität der Bewegung sowie ihre Grenzüberschreitungen im konfessionellen und religiösen Bereich grundgelegt. Kein Mensch soll von dieser Einheit ausgeschlossen sein. Die Gottverlassenheit Jesu am Kreuz bildet das dritte Schlüsselwort fokolarinischer Spiritualität: paradoxer, höchster Ausdruck einer Liebe, die Leid und Trennung auf sich nimmt (vgl. Mk 15,34).

Weltweit zählt die Bewegung nach eigenen Angaben rund 140 000 Mitglieder und etwa zwei Millionen so genannte Freunde, die mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt zu den Fokolar-Gemeinschaften oder über den Bezug des „Wortes des Lebens“ Kontakt mit der Spiritualität der Bewegung haben. Die so genannten Sympathisanten haben zu Mitgliedern der Bewegung persönlichen Kontakt, nehmen sporadisch an Veranstaltungen oder sozialen Aktivitäten teil. Neben katholischen Christen lassen sich etwa 50 000 Christen aus anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften von der Spiritualität der Bewegung prägen. Rund 30 000 Angehörige anderer Religionen suchen die Möglichkeit des Austauschs über gemeinsame Werte und Ziele. Eine muslimische Theologin beispielsweise schreibt monatlich einen Kommentar zum „Wort des Lebens“ aus der Sicht des Islam mit entsprechenden Verweisen auf den Koran. Mit Buddhisten hat ein Dialog zum Thema Frieden begonnen.

Der „kollektive Aspekt“ des Lebens

Auch Menschen nicht-religiöser Weltanschauungen teilen Grundüberzeugungen der Bewegung und wirken aktiv mit. Diese Entwicklung zeigte sich besonders in den Anfängen der Fokolar-Bewegung in der DDR. Anfang der sechziger Jahre fehlte es in der DDR bedrohlich an Ärzten. Zu Hunderten waren sie in den Westen geflohen. Zeitweilig hatte die Bezirksstadt Erfurt einen einzigen Facharzt für Anästhesie: Giuseppe di Giacomo. Er hatte seine Heimat Umbrien verlassen, um fast 24 Jahre lang in Thüringen zu leben und in der DDR die Fokolar-Bewegung auszubreiten. Die Haltung des SED-Staates gegenüber der Kommunität schwankte zwischen Argwohn und Duldung. Wie DDR-Ideologie-Experten in Dissertationen und Dossiers feststellten, hatten sich die italienischen „Köpfe“ der Bewegung in der DDR offiziell jeglicher antikommunistischer Propaganda enthalten, betonten aber den „kollektiven Aspekt“ des Lebens, der im so genannten Wissenschaftlichen Kommunismus ebenfalls positiv bewertet wurde. Dementsprechend reagierten die staatlichen Dienststellen mit schweigender Duldung auf die Ausbreitung der Fokolar-Bewegung. Dessen ungeachtet wurden nach der „Wende“ in Archiven des Ministeriums für Staatssicherheit beispielsweise Fotokopien von Schriftstücken gefunden, die für den internen Gebrauch bestimmt waren sowie Fotos von Treffen der Fokolare der DDR mit tschechoslowakischen Mitgliedern der Bewegung, zum Beispiel dem heutigen Kardinal und Prager Erzbischof Miroslav Vlk.

Derzeit hat die Fokolar-Bewegung in Deutschland nach eigenen Angaben knapp 5 000 Mitglieder; rund 88 000 Menschen aller Altersstufen stehen mit ihr mehr oder weniger intensiv – als „Freunde“ oder „Sympathisanten“ – in Verbindung (etwa 33 000 Freunde und 55 000 Sympathisanten). Die Zeitschrift „Neue Stadt“, herausgegeben von der Fokolar-Bewegung, erscheint in einer Auflage von 7000 Exemplaren. Von dem Handzettel mit dem monatlichen „Wort des Lebens“ werden in Deutschland 44 000 Stück gedruckt und verteilt.

Vielfalt der Zugehörigkeit

Bei der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft herrscht Vielfalt: von verbindlichen Lebensformen in kleinen Gemeinschaften über die freie Mitarbeit in einer der Gruppierungen bis zur punktuellen Beteiligung an Initiativen oder Veranstaltungen. Es gibt Familienkreise, Gruppen für Kinder und Jugendliche, Treffpunkte für politisch, gesellschaftlich und künstlerisch Engagierte und Interessierte, Sommertreffen der gesamten Kommunität einer Region („Mariapoli“), Tagungen und Kongresse. Die Bewegung unterhält einen Verlag zur Publikation von Büchern, Zeitschriften, CDs und Videos. Seine Autoren kommen nicht nur aus dem Umfeld der Fokolare.

Zur Kommunität gehören Erwachsene, Kinder und Jugendliche, Familien, Priester, Pastoren, Arbeitnehmer und Selbständige, Politiker, Hausfrauen, Künstler. Sie engagieren sich in „Zweigen“ mit unterschiedlichen Schwerpunkten oder in Gruppierungen wie der „Familienbewegung“. Zu diesen Zweigen zählen die Fokolare, die Lebens- und Wohngemeinschaften von Frauen (Fokolarinnen) beziehungsweise Männern (Fokolaren). Die Basis ihres Zusammenlebens ist die „gegenseitige Liebe“ gemäß dem Auftrag Jesu „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“, sowie der Wunsch, beständig in der Gegenwart Christi zu leben (vgl. Mt 18,20). Die unverheirateten Fokolarinnen und Fokolare leben nach den evangelischen Räten Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Neben ihrer Berufstätigkeit unterstützen sie die anderen Zweige und Initiativen der Bewegung in ihrer geistlichen Entfaltung. Der Zuwachs an unverheirateten Fokolaren ist gegenwärtig nicht mehr so stark wie noch vor zehn Jahren, aber es nehmen nach wie vor jedes Jahr Jugendliche aus Deutschland an den Schulungskursen für Fokolare in Italien (Loppiano) und in der Schweiz (Montet) teil. Insgesamt gibt es 196 unverheiratete Fokolare in Deutschland; 18 nehmen zur Zeit an den Schulungen teil. Zu den Fokolar-Gemeinschaften gehören Verheiratete, die in ihrer Familie leben und entsprechend ihrer Möglichkeiten das Leben und die Aktivitäten der Fokolare mitgestalten. Sie verpflichten sich mit verbindlichen Versprechen der Gemeinschaft. Meist sind auch die Kinder verheirateter Fokolare in das Leben der Bewegung integriert, nehmen die Angebote für ihre Altersstufen wahr. Fast immer kommt bei ihnen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren die tatsächlich eigene Entscheidung – sowohl für als auch gegen eine Fortsetzung des bisherigen Engagements. Gegenwärtig gibt es 228 verheiratete Fokolare in Deutschland; 43 nehmen derzeit an Schulungen auf dem Wege dahin teil. 1956 entstand ein weiterer tragender Zweig der Bewegung, die so genannten Freiwilligen: Frauen und Männer, die ohne äußere Verpflichtung die Spiritualität leben und den „Geist der Einheit“ in ihr gesellschaftliches und berufliches Umfeld hineintragen wollen. Diese Lebensform hat gegenwärtig den stärksten Zuspruch. Als Freiwillige bezeichnen sich gegenwärtig 1007 Personen in Deutschland. Priester, Diakone und Pastoren kommen zusammen, um ihr geistliches Leben zu vertiefen und einander im pastoralen Dienst zu unterstützen. Viele führen eine vita communis in einer Lebens- und Wohngemeinschaft, zum Beispiel in der gemeinsamen Verantwortung für einen Pfarreienverbund, zu der meist auch alt oder krank gewordene Priester gehören. Zu beobachten ist, dass Fokolar-Priester bewusst in „schwierigen“ Pfarreien eingesetzt werden. Die Verantwortlichen der Kirchen gehen offenbar davon aus, dass die Spiritualität der Einheit sich im Konfliktfall bewährt. 128 Priester sind in Deutschland Mitglied der Bewegung; als freiwillige Fokolar-Priester bezeichnen sich derzeit 96. Auch Ordenschristen haben in der fokolarinischen Spiritualität einen Weg gefunden, innerhalb der eigenen Kommunität und mit Angehörigen anderer Orden und Institute eine tiefere Gemeinschaft zu leben. Nach eigenen Aussagen erleben sie, wie dadurch das jeweilige eigene Ordenscharisma noch deutlicher hervortreten kann. Wenn solcher Austausch das Typische des eigenen Charismasvertieft, kann dies auch der Ordensgemeinschaft nutzen, so dass es zu keiner spirituellen Konkurrenz kommen muss. Es handelt sich dabei auch lediglich um einzelne Mitglieder von Orden oder Kongregationen, manchmal um ein Kloster, das sich fokolarinischen Impulsen öffnet. Die Ordensleute innerhalb der Fokolar-Bewegung geben eine eigene Zeitschrift heraus: „Charismen“. 339 Ordenschristen bezeichnen sich in Deutschland als zur Fokolar-Bewegung zugehörig.

Ein Projekt gemeinsamen Handelns stellt die Fazenda da Esperan¸ca Gut Neuhof im Land Brandenburg dar, ein Hilfsprojekt für drogenabhängige Jugendliche nach dem Vorbild der brasilianischen Fazendas. Die Fazenda Gut Neuhof entstand aus der Initiative von Mitgliedern der Fokolar-Bewegung, von Franziskanerinnen von Au am Inn und von Sießen sowie von Christen, die sich in Berlin zum Verein „Obdach und Arbeit e.V.“ zusammengeschlossen haben. Seit 1998 werden auf einem ehemaligen LPG-Gelände jeweils rund zwanzig drogenabhängige Jugendliche auf ein Leben ohne Drogen vorbereitet, wobei die Praxis des „Wortes des Lebens“ eine spirituelle Grundlage bildet.

Kinder und Jugendliche gab es von Anfang an in der Fokolar-Bewegung. Im Sommer 1967, in der Zeit der Studentenunruhen, schlossen sie sich unter dem Namen GEN (New GENeration) zusammen. Sie werden katechetisch angeleitet, nach dem Evangelium zu leben und sich für Geschwisterlichkeit in ihrem Umfeld sowie für den Frieden unter den Völkern einzusetzen. Die Spiritualität wird dabei in Bildern und Geschichten, über Erlebnisse aus dem Familien- oder Schulalltag, durch Lieder und Spiele vermittelt. In der Zeitschrift „Neue Stadt“ werden in einer eigenen Rubrik Erfahrungen von Kindern publiziert, die versucht haben, sich einem Wort Jesu gemäß zu verhalten. Weltweit gehören einige Zehntausend Kinder und Jugendliche zu den Gen, in Deutschland sind es rund 1300.

Unter dem Dach der weltweiten Fokolar-Bewegung sammeln sich noch rund zwanzig weitere Gruppierungen. Ihre Schwerpunkte sind von Land zu Land verschieden: In Afrika und Lateinamerika spielen soziale Projekte eine große Rolle, in Deutschland der Dialog unter den Kirchen oder auch die Familien- und Jugendarbeit. Die Familienbewegung in Deutschland ist ein offener Zusammenschluss von Familien, der das gesamte Spektrum dieser Lebensform umschließt. Die Familienbewegung will ein Netz bieten, das auch über Krisenzeiten hinweg halten und helfen kann. Gefördert wird auch eine „Kultur des Gebens“, von der Kinderkleider-Börse bis hin zur Unterstützung bei Arbeitslosigkeit oder im Krankheitsfall. In ihrer Mischung von geistlicher Dimension und praktischem Miteinander ist sie im Alltag der Familie lebbar. Die Pfarreibewegung ist in Kirchengemeinden entstanden, in denen Priester oder Pastoren begonnen haben, nach der Fokolar-Spiritualität zu leben. In Deutschland erlebte die Pfarreibewegung ihre Blütezeit in den siebziger Jahren bis Anfang der achtziger Jahre. Zunehmend aber regte sich in Ortsgemeinden Widerstand gegen die als „äußerst romtreu“ erlebten Mitglieder dieser Gruppe. Auch wurde deren Anspruch, „Sauerteig“ der Gemeinde zu sein, als anmaßend empfunden.

Die Bewegung für eine neue Gesellschaft organisiert Tagungen zu gesellschaftlichen und berufsethischen Fragen. Eine Reihe von Sozialprojekten wird von dieser Gruppierung getragen oder unterstützt. Die so genannte „Wirtschaft in Gemeinschaft“ will eine weltweite „Kultur des Gebens“ aufbauen. Ein Unternehmen, das nach dem Prinzip der „Wirtschaft in Gemeinschaft“ arbeitet, verwendet einen Teil seines eventuell erwirtschafteten Gewinns für die Unterstützung von Menschen in Not. Die beteiligten Unternehmer bemühen sich um eine humane Gestaltung der Beziehungen in ihrem Betrieb sowie zu Kunden und auch zu Konkurrenten.

Die entschiedene Einheit mit dem Bischof

Neben sozialen Aktivitäten und Hilfsaktionen etwa im Katastrophenfall, bei Kriegsgefahr oder nach ausländerfeindlichen Ausschreitungen bietet die Jugend für eine geeinte Welt Freizeiten und nationale wie internationale Begegnungen an. Durch das Knüpfen von Beziehungen sollen Vorurteile überwunden werden. In Deutschland ist die Jugendbewegung zwar eine relativ starke Gruppe innerhalb der Bewegung, jedoch nimmt die Bereitschaft zu verbindlichem Engagement und Zugehörigkeit ab. Andererseits scheint die Suche nach geistiger Nahrung zuzunehmen: Die Jugendwoche im Oktober 2004, die im Ökumenischen Begegnungszentrum Ottmaring bei Augsburg angeboten wurde, zeigte mit 130 Teilnehmern deutlich steigende Tendenz. Das Engagement der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an sozialen und politischen Brennpunkten ist nach wie vor beachtlich und wird auf politischer Ebene anerkannt. Gegenwärtig läuft das Projekt „Stark ohne Gewalt“. Angestoßen durch die letzte Deutschland-Tournee der internationalen Band der Fokolar-Bewegung „Gen Rosso“ mit einem Musical zum Thema, ist es – in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung in Niedersachsen – zu einem breit angelegten Präventionsprojekt zur Gewalt unter Jugendlichen geworden. „Sports4unity“, ein weiteres Projekt, will über die Werte des Sports mit prominenten Sportlern als Paten und kleinen „Olympiaden“ zu Frieden und Teamgeist erziehen.

Entsprechend der Spiritualität der Einheit sucht die Fokolar-Bewegung in allen ihren Zweigen und Gruppierungen das Gespräch und die Übereinstimmung mit den zuständigen kirchlichen Verantwortlichen. Entsprechend engagiert sie sich für den Dialog in der eigenen Kirche. Die Mitglieder der Fokolar-Bewegung übernehmen Verantwortung in der lokalen wie überregionalen Arbeit ihrer jeweiligen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft, engagieren sich auf Kirchen- und Katholikentagen. Wegen der bewusst gesuchten Einheit mit den Bischöfen und dem spirituellen Ziel, um der Einheit willen zu integrieren und zu versöhnen, wird die Fokolar-Bewegung in den Kirchenleitungen geschätzt. Eine bemerkenswerte Entwicklung stellen die Treffen einiger geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften untereinander dar. Die Fokolar-Bewegung setzt sich – gemeinsam mit anderen Bewegungen wie zum Beispiel Chemin Neuf oder Sant’Egidio – für eine bessere Kommunikation und Zusammenarbeit der einzelnen Gemeinschaften ein. In Berlin beispielsweise treffen sich die Vertreter der geistlichen Gemeinschaften regelmäßig zum Erfahrungsaustausch untereinander und mit den Verantwortlichen der Kirchen.

Einen zweiten Schwerpunkt bildet der ökumenische Dialog: Ersten schüchternen Begegnungen der zunächst nur italienischen, ergo katholischen Fokolar-Verantwortlichen mit evangelischen Christen folgten zahlreiche Treffen mit Persönlichkeiten verschiedener Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Seit 1967 bestehen intensive Kontakte zu führenden Vertretern des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). In vielen Ländern, auch in Deutschland, gibt es Fokolar-Gemeinschaften, in denen Mitglieder verschiedener Kirchen leben. Fokolar-Siedlungen wie in Ottmaring bei Augsburg, im schweizerischen Baar oder Welwyn Garden City bei London sind renommierte ökumenische Begegnungs- und Tagungszentren. Das ökumenische Lebenszentrum Ottmaring entstand bereits 1968 in Zusammenarbeit mit der evangelischen Bruderschaft vom gemeinsamen Leben. Seit 1982 treffen sich auf Initiative der Bewegung auch Bischöfe und Verantwortliche aller Kirchen, um die Gemeinschaft untereinander zu fördern und den theologischen Austausch zu vertiefen. In einer Gemeinsamen Erklärung des ÖRK und der Fokolar-Bewegung vom Oktober 2002 heißt es: „Er, Christus, ist es, der uns hilft, die Kirche jedes anderen wie unsere eigene zu lieben – ein Erfordernis für die sichtbare Einheit.“ Eine dritte Dialogebene gilt dem Gespräch mit Angehörigen anderer Religionen und nicht-religiöser Weltanschauungen. In Deutschland gibt es Kontakte beziehungsweise Gesprächsund Freundeskreise zu Juden, zu Muslimen und zu Menschen, die keinen religiösen Bezug haben.

Selbstreflexion der Bewegung tut Not

Die Fokolar-Bewegung in Deutschland hat ihre Kinderkrankheiten durchlebt. Im Überschwang einer „ersten Liebe“ wurde jeder, der in Kontakt zu einem Angehörigen der Bewegung kam, als „Kandidat der Einheit“ offensiv umworben. Nicht selten hat man damit provoziert. In der Euphorie des Anfangs kam es zu Selbstdarstellungen, die suggerierten, eigentlich könne nur „wirklich“ Christ sein, wer zur Fokolar-Bewegung gehöre. Viele, die den Kontakt zu ihr suchten, hat dies verletzt. Innerhalb der Gemeinschaft wurden „Lieblingsvokabeln“ inflationär und unreflektiert gebraucht; es entstand eine „Bewegungsrhetorik“, die von außen nicht verstanden wurde. Auch haben die Verantwortlichen der Bewegung in Deutschland in ihren Publikationen zu zögerlich das italienische Temperament der Gründerin mit Blick auf die etwas andere religiöse Temperatur hierzulande modifiziert. Trotz aller Ungeschicktheiten zu Beginn hat die Fokolar-Bewegung die Spiritualität ungezählter Menschen geprägt. Das unbeirrte Festhalten an der Vision, dass die Welt eins wird, ist für viele, die im Kontakt zur Fokolar-Bewegung stehen oder standen, zu einer inneren Haltung geworden, die den Umgang mit Menschen und Situationen nachhaltig beeinflusst. Diese Haltung wird – bewusst oder unbewusst – der nächsten Generation vermittelt, auch ohne sie als „fokolarinisch“ zu apostrophieren. Die Spiritualität der Einheit kann im Alltag gelebt werden und in Krisen Halt geben. Das zeigt sich etwa bei Kindern, die durch ihre Eltern in die Bewegung hineingeboren wurden, sich aber in der Zeit der Pubertät abgewandt haben. Als Erwachsene beurteilen viele ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit der Bewegung beziehungsweise mit einzelnen Fokolarinnen und Fokolaren als menschlich und christlich prägend. Die Chancen der Fokolar-Bewegung liegen in ihrer Vielfalt und ihrer selbstverständlichen Internationalität und Vielfarbigkeit. Damit sich diese Chancen weiter entfalten können, ist es notwendig, die Erfahrungen und Entwicklungen innerhalb der Bewegung noch stärker zu analysieren und zu reflektieren, um Mitglieder wie Sympathisanten theologisch und geistlich fundierter zu begleiten und sie in ihrem geistlichen Leben zu fördern. Durch stärkere theologische Reflexion könnten weitere Schätze gehoben werden.

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