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S. 109-111
Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, wird Innovation das Thema dieses Jahres und auch der nächsten Jahre sein. Denn Deutschland krankt an der nötigen Aufgeschlossenheit für Neues. Darin ist sich eine breite Allianz von Wirtschaftsvertretern, Wissenschaftslobbyisten, Bildungsfunktionären und Politikern aller Couleur einig. Eine Gesellschaft, die in so vielen Bereichen ihres Lebens und Funktionierens unausweichlich reformieren, umdenken und umbauen muss, bedarf zweifelsohne eines robusten Innovationswillens. Gleichermaßen braucht es aber auch die Auseinandersetzung um Kriterien und Ziele. Genau daran aber mangelt es bislang vielen Appelle zur „mutigen Innovation".Mit großer Einmütigkeit über alle politischen Lager und Gesellschaftsbereiche hinweg beklagt man nun seit Jahren eine eigentümliche Mut- und Hoffnungslosigkeit, grassierende Zukunftsangst und Verzagtheit in unserem Land - sicherlich eine Befindlichkeit, die nicht zu Neuem und Erneuerung treibt. Und wer Gespräche unter Kollegen, im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis zu diesem Bild hinzufügt, wird eines nicht bestreiten wollen: Viele scheinen davon überzeugt, dass es so nicht weitergehen kann. Ebenso weiß man, dass der eherne Grundsatz des wirtschaftswundernden Nachkriegsdeutschland nicht mehr gilt, nämlich dass es Kinder und Enkelkinder - quasi automatisch - einmal besser haben werden. Grenzen zu erkennen ist aber etwas anderes als platte Fortschrittsfeindlichkeit, lähmende Mutlosigkeit oder Innovationsfeindlichkeit. Als Herausforderung erkannt, schafft der Respekt vor Grenzen durchaus Innovationspotential. Grenz- und Maßlosigkeit dagegen erschöpfen sich selbst.Umgekehrt wird jeder vorausschauende „Modernisierer" wissen, dass es, wo sich so vieles mit solchem Tempo ändert, Widerlager und Stabilisatoren braucht. Rasanter Fortschritt braucht das gelegentliche Atemholen, Nach-Denken. Philosophen, Soziologen und Psychologen haben in ihrer Auseinandersetzung mit dem Fortschrittsdenken der Neuzeit gezeigt, dass dieser Fortschrittswelt immer auch etwas Bewahrendes, Konservatives innewohnt. Was freilich nicht zu verwechseln ist mit Rückwärtsgewandtheit oder Zukunftsscheu. Vielmehr verlangt gerade das hohe Innovations- und Fortschrittstempo, die stetige Konfrontation mit Neuem und damit auch Fremden zugleich die Vergewisserung im Vertrauten und Bekanntem. Indizien solcher Identitätsversicherung aber finden sich derzeit zuhauf und wie es scheint auch zunehmend.An diesem Punkt zeigt sich die „Anschlussfähigkeit" der christlichen Botschaft an die fraglos dringende Auseinandersetzung um Innovationsbedarf und Innovationsfähigkeit, um Kriterien und Ziele des Innovationsprozesses, um angemessene Wege zu neuer Offenheit für Neues und Erneuerung. Denn dieser Botschaft, die unbestreitbar das neuzeitlich Fortschrittsdenken - auch in seiner Absatzbewegung - prägte und prägt, eignet ein Geschichts- und Zeitverständnis, das der Sinnentleerung der Geschichte die eschatologische Hoffnungsperspektive entgegenzustellen weiß. Von Alexander Foitzik