Am 10. Mai dieses Jahres werden in den Philippinen nationale Wahlen stattfinden, bei denen es um die Wahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten, aller Mitglieder des Repräsentantenhauses und um die Wahl der Hälfte des 24-köpfigen Senats sowie um die Besetzung politischer Ämter auf Provinz- und Lokalebene geht. Die politische Landschaft im Vorfeld der Wahlen ist sehr unruhig. Gloria Macapagal-Arroyo, die im Januar 2001 das Präsidentenamt nach der Absetzung von Joseph Estrada übernommen hat, erklärte nun doch, für das höchste Amt im Staat kandidieren zu wollen, nachdem sie dies vor knapp einem Jahr noch mit der Begründung, die politische Atmosphäre im Land sei „vergiftet“, ausgeschlossen hatte. Ihr Zögern macht deutlich, dass die Präsidentin in ihrer bisherigen Amtszeit nicht die Erfolge aufzuweisen hatte, die ihr zu einer großen Popularität verholfen hätten. Gloria Macapagal-Arroyo entstammt als Tochter des früheren Präsidenten Diosdoro Macapagal einer der führenden Familien des Landes und genießt den Ruf, hervorragende Kenntnisse in Wirtschaftswissenschaften zu besitzen. Mit ihrem intellektuell unterkühlten Politikstil vermag sie aber kaum, die Massen zu erreichen, wie dies ihr Vorgänger Estrada verstanden hatte, dem die Armen im Lande nicht umsonst den Kosenamen „Erap“ (= Kumpel) gaben.
Entscheidend für die Unbeliebtheit der Präsidentin ist jedoch, dass sie nicht in der Lage war, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und das organisierte Verbrechen erfolgreich zu bekämpfen. Zeichen weitverbreiteter Unzufriedenheit war sicher auch der Putschversuch von gut 300 Soldaten im Juli 2003, die für kurze Zeit das Geschäftsviertel Makati in Metro-Manila in ihre Gewalt brachten. Der Putsch wurde zwar ohne größeres Blutvergießen beendet, hat aber die Position der Präsidentin nicht gerade gestärkt. Der Gefängnisausbruch eines der gefährlichsten muslimischen Terroristen, Fathur Rohman al-Ghozi, der etwas später erfolgte, machte wegen seiner Begleitumstände die weitverbreitete Korruption in Polizei und Militär deutlich. Trotz der nicht gerade guten Vorzeichen hat sich Gloria Macapagal-Arroyo am 5. Januar 2004 als Kandidatin für das Präsidentenamt registrieren lassen. Vorausgegangen war in der Kathedrale von Manila eine Gebetsvigil, die am frühen Morgen um 3.30 Uhr begann und nach vier Stunden mit einer Messe endete und an der ihr gesamtes Kabinett, ihre Familie und zahlreiche ihrer Unterstützer teilnahmen. Gegen diese Vereinnahmung der Kirche für politische Zwecke haben kritische Katholiken öffentlich demonstriert. Bei ihrer 88. Vollversammlung, die vom 22. bis 26. Januar 2004 in Tagaytay City stattfand, hat die Philippinische Bischofskonferenz eine „Pastorale Erklärung zu den bevorstehenden Wahlen“ veröffentlicht, in der sie die katholischen Laien auffordert, sich stärker und aktiver in Politik und Gesellschaft zu engagieren. In einer „Kirche der Armen“ sollten die Armen nicht nur die Empfänger von Almosen sein, sondern selber gestaltend in Kirche und Gesellschaft tätig werden. Die Bischöfe erinnern an die Beschlüsse der „Nationalen Pastoralkonsultation zur kirchlichen Erneuerung“, die vom 22. bis 27. Januar 2001 durchgeführt wurde und an der 400 Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien teilgenommen hatten. Bei dieser Konsultation, die eine kritische Bestandsaufnahme der philippinischen Kirche im Rückblick auf das „Zweite Plenarkonzil der Philippinen“ von 1991 vorgenommen hatte, wurden die Veränderung der philippinischen Gesellschaft und die aktive Teilnahme der Armen am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben als Prioritäten für die Kirche benannt. In ihrem Wahlhirtenbrief beklagen die Bischöfe, im Land seien Korruption, Vorteilsnahme, persönliche Beziehungen und Bestechung in der Politik vorherrschend geworden. Ethische Werte und Prinzipien wie Ehrlichkeit, selbstloser Einsatz für die Gesellschaft und echte Beteiligung des Volkes blieben dabei auf der Strecke. Die Bischöfe rufen alle Katholiken auf, sich an den Bürgergremien für saubere Wahlen und gute Regierung, die überall im Lande entstanden sind, zu beteiligen.
Unter Präsident Estrada (1998–2001) war die Todesstrafe in den Philippinen wieder eingeführt worden. Nachdem einige Hinrichtungen erfolgt waren, wurde nach Protesten der katholischen Kirche, von Menschenrechtsgruppen und anderen Organisationen die Vollstreckung der Todesstrafe wieder eingestellt. Gloria Macapagal-Arroyo erklärte zunächst die Todesstrafe für abgeschafft. Auf Druck der öffentlichen Meinung und großer Demonstrationen bei Beerdigungen von Entführungsopfern, in der die Teilnehmer die Wiedereinführung der Todesstrafe für Entführer forderten, hat sie ihren Kurs geändert und am 5. Dezember 2003 die Todesstrafe für Entführung und Drogenhandel wieder eingeführt. Zu Beginn des Jahres 2004 gab es in den Philippinen 1014 zum Tode verurteilte Häftlinge, die auf ihre Hinrichtung warteten. Das Thema Todesstrafe ist jetzt auch Teil des Wahlkampfs geworden. Die katholische Kirche engagiert sich weiter intensiv auf Seiten der Gegner der Todesstrafe. Am 14. Januar 2004 hat die „Bischöfliche Kommission für die Pastoral an Häftlingen“ zusammen mit anderen kirchlichen Gruppen und der Unterstützungsorganisation für zum Tode Verurteilte eine Straßenmesse in Manila gehalten, um für die Abschaffung der Todesstrafe zu beten. Eingeladen waren auch die Kandidaten für die Wahlen im Mai dieses Jahres, die aufgefordert wurden, ein „Bündnis gegen die Todesstrafe“ zu unterzeichnen, dessen Text am Sitz der Philippinischen Bischofskonferenz auslag. Allerdings war nur ein einziger der Kandidaten, ein früherer Senator, bereit, das Papier zu unterzeichnen. An diesem mageren Ergebnis lässt sich ermessen, dass die Kampagne gegen die Todesstrafe seitens der katholischen Kirche nicht gerade auf große positive Resonanz bei Politikern und in der Öffentlichkeit stößt. Die Mehrheit der Bevölkerung und auch die meisten Politiker sind für eine harte Linie in der Bekämpfung von Kriminalität und Drogenhandel, wobei die Todesstrafe als ein wichtiges Instrument angesehen wird.
Kommunistischer und muslimischer Widerstand
Seit den Tagen des Regimes von Ferdinand Marcos (1965– 1986) haben kommunistische Widerstandskämpfer der sogenannten Nationalen Volksarmee (National People’s Army =NPA) ihren bewaffneten Kampf gegen die jeweiligen Regierungen nie gänzlich aufgegeben. Ihre Stützpunkte haben die kommunistischen Widerstandskämpfer vor allem in den Berggegenden der Cordilleras im Norden des Landes. Mit rein militärischen Mitteln waren dieses kleinen Gruppen bewaffneter Kommunisten bisher nicht zu besiegen. Andererseits haben sie es nicht geschafft, größere Gebiete dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Größeren politischen Einfluss konnten sie in den vergangenen Jahrzehnten durch ihre Tarnorganisation, die sogenannte „Nationale Demokratische Front“ (NDF), ausüben, ein Sammelbecken, in dem sich neben überzeugten Kommunisten viele Sympathisanten aus allen Schichten der Bevölkerung und auch der Kirche zusammenfinden. Die politische Führung der Kommunisten befindet sich in den Niederlanden, wo ihr politischer Führer José Maria Sison schon 15 Jahre im selbst gewählten Exil lebt.
Im April 2001 war es wieder einmal zu Friedensverhandlungen zwischen den Kommunisten und philippinischen Regierungsvertretern unter Vermittlung der norwegischen Regierung in Oslo gekommen. Doch nachdem kommunistische Rebellen eine Reihe von Politikern und Parlamentsabgeordnete in den Philippinen ermordet hatten, befahl Präsidentin Arroyo den Abbruch der Gespräche. Im Zusammenhang mit dem „Kampf gegen Terrorismus“ erklärten im Herbst 2002 zunächst die Europäische Union, dann auch die Regierungen Australiens und der USA die Kommunistische Partei der Philippinen und ihren bewaffneten Arm, die NPA, zu „terroristischen Organisationen“. Die philippinische Regierung begrüßte die Verurteilung der kommunistischen Gruppen, weil damit ein Einfrieren ihrer finanziellen Mittel im Ausland und andere Restriktionen verbunden war und den kommunistischen Kämpfern dadurch weitgehend die Mittel zur Fortsetzung des Kampfes entzogen wurden. Eine Reihe katholischer und protestantischer Kirchenführer, mehr als 70 Ordensgemeinschaften und über 1000 Priester und Ordensschwestern sowie viele Nicht-Regierungsorganisationen und Kirchen aus dem Ausland schlossen sich zu einer Organisation zusammen, die sich „Pilger für den Frieden“ (Pilgrims for Peace) nennt. Mit Anzeigenkampagnen in den Zeitungen und anderen Aktionen riefen sie die Regierung auf, wieder in Verhandlungen mit den kommunistischen Gruppen einzutreten, da der Konflikt mit militärischer Gewalt nicht zu lösen sei. Als Sprecher der Gruppe „Pilger für den Frieden“ warnte Antonio Ledesma, Bischof von Ipil und Vorsitzender der Kommission für den interreligiösen Dialog in der Philippinischen Bischofskonferenz, davor, die Kommunisten nicht generell als „Terroristen“ zu bezeichnen und die Bemühungen um Verhandlungslösungen einzustellen. Die philippinische Regierung hat lange gezögert, aber dann doch Mitte Februar 2004 eine Neuaufnahme von Gesprächen mit den kommunistischen Rebellen angekündigt.
Die Muslime stellen in den Philippinen eine Minderheit von fünf Prozent der Bevölkerung dar, erreichen aber in Mindanao einen Anteil von 15 bis 20 Prozent und auf den Sulu-Inseln sogar von 95 Prozent der Bevölkerung. Die Spannungen zwischen Muslimen und Christen haben sich in den letzten Jahrzehnten wegen der starken Zuwanderung von Christen nach Mindanao ständig verstärkt. Die Muslime und auch die Angehörigen der Stammesgruppen in Mindanao fühlen sich durch den starken Zuzug von Katholiken in ihrer religiösen und kulturellen Identität bedroht. Lange Zeit war die Moro National Liberation Front (MNLF) von Nur Misuari die führende Gruppe des muslimischen Widerstandes, die als Gesprächspartner der philippinischen Regierungen sowohl während der Regierung von Ferdinand Marcos wie auch der von Corazón Aquino eingeschränkte Autonomie für mehrheitlich von Muslimen bewohnte Gebiete erreichen konnte. Nur Misuari unterzeichnete 1996 ein Friedensabkommen mit der Regierung und wurde später Gouverneur der autonomen Region der Muslime. Als er im November 2001 die Wahlen verlor, kehrte er zum bewaffneten Kampf zurück.
Millionen philippinische Arbeitskräfte verdingen sich im Ausland
Unter der Präsidentschaft von Fidel Ramos verschärften sich nach der Gründung einer mit der MNLF rivalisierenden islamischen Gruppe, der Moro Islamic Liberation Front (MILF), die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und muslimischen Kämpfern wieder. Die Bemühungen um Verständigung und Frieden erhielten einen Rückschlag unter Präsident Estrada, der im April 2000 einen Vernichtungskampf („all out war“) gegen die muslimischen Separatistengruppen begann, der dann nach seiner Absetzung im Januar 2001 von der neuen Präsidentin Macapagal-Arroyo eingestellt wurde. Im Zusammenhang mit dem von Präsident George Bush nach dem 11. September 2001 initiierten Kampagne gegen den internationalen Terrorismus nahmen philippinische Regierungstruppen wieder den Kampf gegen muslimische Gruppen auf. Die islamischen Kämpfer werden jetzt gewöhnlich als „Terroristen“ bezeichnet. Der Einsatz von amerikanischen Spezialtruppen als „Berater“ des philippinischen Militärs führte zu scharfen innenpolitischen Debatten.
Große religiöse, aber wohl noch mehr politische Bedeutung hat das 1996 gegründete Forum von Bischöfen und Ulamas (Bishops’-Ulama Forum = BUF) gewonnen, in dem sich in einem dreimonatigen Turnus die katholischen Bischöfe Mindanaos, protestantische Führer des Nationalen Kirchenrats und Vertreter der Ulama Liga treffen, um grundsätzliche und aktuelle Probleme des Zusammenlebens von Christen und Muslimen in den Philippinen zu besprechen. In den letzten Jahren hat sich dieses Forum bewährt und sich trotz der vielen blutigen Zwischenfälle immer wieder für Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den Religionen eingesetzt. Seit 1999 hat das Forum jährlich eine „Woche des Friedens in Mindanao“ durchgeführt, bei der alle Schichten der Bevölkerung aufgerufen sind, um mehr Verständnis unter den Religionsgemeinschaften zu beten und konkrete Schritte zum Frieden zu unternehmen. Auch die von Pater Sebastiano D’Ambra 1984 in Zamboanga gegründete Silsilah-Bewegung hat ihre Arbeit auf dem Gebiet des christlich-islamischen Dialogs kontinuierlich fortgesetzt und ausgebaut. Neben den Seminaren, Publikationen und mehrwöchigen Schulungskursen liegt das Schwergewicht dieser Bewegung auf der Entwicklung einer Kultur und Spiritualität des Dialogs. Seit 1987 besteht die „Emmaus Dialog Gemeinschaft“ (Emmaus Dialogue Community) als Säkularinstitut für Frauen. Die in Cavite errichtete „Oase des Friedens“ ist eine Art interreligiöser Ashram für Gebet und Meditation im Geist des Dialogs. Als am 28. August Rufus Halley, Mitglied der irischen Missionsgesellschaft des hl. Kolumban, in Malabang in der Präfektur Marawi in Mindanao ermordet wurde, verdächtigte man zunächst muslimische Rebellen der Moro Islamischen Befreiungsfront der Tat. Später wurde ein rein krimineller Hintergrund festgestellt. Halley hat über zwanzig Jahre einen „Dialog des Lebens“ mit Muslimen in Marawi gelebt, wo nur 4,7 Prozent der Bevölkerung katholisch sind, indem er einen kleinen Laden unterhielt, um mit den Menschen Kontakt aufnehmen zu können. Die Trauerbekundungen nach seinem Tod zeigten, wie sehr er die Achtung und Sympathie der muslimischen Bevölkerung gewonnen hatte, die seinen Beitrag zu Frieden und Verständigung zwischen den Volksgruppen offensichtlich hoch einschätzten.
Die Philippinen sind dafür bekannt, dass seit Jahrzehnten Tausende ihrer Bewohner in asiatische Nachbarländer wie Japan, Hongkong, Malaysia, Singapur und in die arabischen Golfstaaten, aber auch nach Europa und in die USA gehen, um dort, meist in einfachen Berufen wie Haushaltshilfen, Matrosen oder ungelernte Arbeiter, tätig zu werden. Ende 2003 wurde die Zahl der in Übersee tätigen philippinischen Arbeitskräfte, die ihre Familien in den Philippinen haben, mit 7,4 Millionen angegeben. Die von diesen Übersee-Arbeitskräften (Migrant Overseas Workers) in die Philippinen transferierten Gelder beliefen sich für den Zeitraum 1995–2000 auf 22 Prozent der Auslandsdevisen der Philippinen. Allein im Jahr 2002 haben die philippinischen Arbeitskräfte in Übersee mehr als sieben Milliarden US-Dollars ins Land transferiert. Die Mehrzahl der philippinischen Arbeitskräfte sind Katholiken. Für die meist kleinen asiatischen Ortskirchen bedeutet der Zuzug so vieler Filipinas und Filipinos, die sich meist sehr rege am kirchlichen Leben beteiligen, eine große Herausforderung und stellt sie vor nicht wenige Probleme. Die Kirchen in Hongkong, in Japan und in Singapur, um nur einige Beispiele zu nennen, haben lange auf den Zuzug der vielen philippinischen Katholiken nur sehr zögerlich und unzureichend reagiert. Auch die philippinische Heimatkirche hat lange die pastoralen Probleme der Tausenden von Übersee-Arbeitern vernachlässigt. Inzwischen gibt es aber eine eigene „Kommission für die Pastoral an Migranten“ (Commission for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People) in der Philippinischen Bischofskonferenz, die von Bischof Ramon Arguelles geleitet wird.
Erstmals fand im Oktober 2002 eine internationale Tagung zur Problematik der philippinischen Übersee-Arbeitskräfte in Singapur statt, an der Vertreter der nationalen Kommissionen für Migrantenfragen aus Australien, den USA, Kanada, England, Frankreich, Deutschland, Irland, Norwegen, Spanien, Japan, Südkorea, Thailand, Singapur, Macau, Taiwan, Kuwait und Libyen teilnahmen. Man untersuchte dabei die Frage, inwieweit die katholischen Migranten, ganz besonders die aus den Philippinen, als potenzielle Missionare und Mitarbeiter in der Evangelisierung gesehen und genutzt werden könnten. Bischof Arguelles machte sich jedenfalls stark dafür, das missionarische Potenzial der vielen Tausenden Laien, die wie die meisten Filipinos und Filipinas in den sogenannten „3D Jobs“ (= „dirty, dangerous und difficult“) tätig sind, zu nutzen. Er ist darum überzeugt, dass das Zeugnis des Lebens dieser Arbeitskräfte effektiv zur Verbreitung des Glaubens in nichtchristliche Milieus beitragen könne, die von der Evangelisierungsarbeit der Kirche sonst nicht erreicht würden. Diese optimistische Bewertung der durch materielle Armut erzwungenen Tätigkeit von Übersee-Arbeitskräften für den Evangelisierungsauftrag der Kirche ist neu und mag zum Teil auch berechtigt sein. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die philippinischen Laien, die ins Ausland gehen, in keiner Weise auf diese Aufgabe, als „Laienmissionare“ tätig zu werden, vorbereitet sind. Sowohl die „aussendende“ – ist der Name hier eigentlich angebracht? – Kirche wie auch die „empfangenden“ Kirchen müssten ganz andere pastorale Anstrengungen unternehmen, wenn die missionarische Sendung dieser Laien tatsächlich ernst gemeint wäre.
Veränderungen in der Philippinischen Bischofskonferenz
Der Rücktritt von Kardinal Jaime Sin, der am 31. August 2003 seinen 75. Geburtstag feierte, von seinem Amt als Erzbischof von Manila kam sicher nicht überraschend, da er schon seit einigen Jahren große gesundheitliche Probleme hatte und sein Amt am Schluss nur noch mit großer Mühe ausfüllen konnte. Sein Nachfolger, Erzbischof Gaudencio Rosales, ist ohne Zweifel ein erfahrener Bischof; er war einige Zeit Weihbischof in Manila und verfügt über Erfahrung in vielen kirchlichen Funktionen. Wenn auch seine Qualifikation für das neue Amt nicht angezweifelt werden kann, macht er wegen seines relativ hohen Alters von 71 Jahren zum Zeitpunkt seiner Ernennung doch eher den Eindruck, ein Übergangsbischof zu sein. Kardinal Sin war 29 Jahre Erzbischof der Riesendiözese Manila und mehrfach Vorsitzender der Philippinischen Bischofskonferenz. Er war ein begnadeter Seelsorger, dem es in Predigten und bei Pastoralbesuchen leicht fiel, Kontakte zu den einfachen Gläubigen zu finden. Kirchenpolitisch gesehen ist es sein großes Verdienst, die Neueinteilung der Erzdiözese Manila, die 1994 noch acht Weihbischöfe hatte, erfolgreich gestaltet zu haben. Ein Jahr vor seinem Rücktritt wurden die fünf neuen Diözesen Novaliches, Paranaque, Cubao, Kalookan und Pasig geschaffen und von der Erzdiözese Manila abgetrennt.
Auf nationaler Ebene wird seine Rolle in der so genannten „Rosenkranzrevolution“, die 1986 zum Sturz von Fernando Marcos und zur Präsidentschaft von Corazón Aquino führte, unvergesslich bleiben. Andere Einmischungen in die Politik, etwa mit Empfehlungen bestimmter Kandidaten für politische Ämter, dagegen haben seinem eigenen Ansehen und dem der katholischen Kirche eher geschadet. Bei der Kampagne, die im Januar 2001 zum Rücktritt des in Korruptionsfälle verwickelten Präsidenten Estrada führte, spielte Kardinal Sin wohl die entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der Gruppen, die für eine Ablösung Estradas eintraten.
Für Kardinal Sin, der selber chinesischer Abstammung ist, war es ein besonderes Anliegen, sich für die Belange der katholischen Kirche auf dem Festland und in der chinesischen Diaspora einzusetzen. Zweimal hat er China besucht, um persönliche Kontakte mit den kirchlichen und den für die Religionen zuständigen staatlichen Institutionen herzustellen. In Manila gründete er 1984 die Lorenzo Ruiz Missionsgesellschaft, die sich zunächst um katholische Christen chinesischer Abstammung in den Philippinen kümmert, aber von ihrer Zielsetzung her auch missionarische Tätigkeiten in China ausüben wird, wenn dies in der Zukunft möglichen werden sollte. Ein anderer Wechsel betrifft den Vorsitz der Philippinischen Bischofskonferenz. Hier schied Erzbischof Orlando Quevedo von Cotabato aus dem Amt des Vorsitzenden aus, das er vier Jahre lang ausgeübt hatte. Sein Nachfolger wurde der Erzbischof von Davao, Fernando Capalla, der am 1. Dezember 2003 sein neues Amt antrat. Dieser Wechsel bedeutet wohl keinen großen Wandel in der generellen Ausrichtung der philippinischen Bischofskonferenz. Sowohl Quevedo wie auch Capalla sind wegen ihrer Friedensarbeit und ihres Einsatzes im interreligiösen Dialog bekannt und geschätzt. Kurz nach seinem Amtsantritt setzte Erzbischof Capalla einen ersten Akzent, indem er deutlich machte, dass er die nationale Bischofskonferenz der Philippinen nicht als eine Institution „zwischen den Bischöfen und dem Papst“ verstehe, die gegenüber der Gesellschaft, der Politik und in kirchlichen Angelegenheiten landesweit mit einer eigenen Autorität auftreten könne. Capalla erläuterte, er verstehe sein Amt als eine „Dienstleistungsagentur für die lokalen oder regionalen Bischöfe“, so dass auch er nur dann im Namen der philippinischen Kirche Erklärungen abgeben könne, wenn er dazu ausdrücklich von den Bischöfen ermächtigt sei.
Zurückgetreten ist auch Bischof Julio Labayen von Infanta, innerhalb der Philippinischen Bischofskonferenz eine nicht unumstrittene Persönlichkeit. Der aus dem Karmeliterorden stammende Labayen war lange Jahre im sozialen Apostolat in den Philippinen, als Sekretär der nationalen Vereinigung (1966–1982) und als Mitglied des Büros für Menschliche Entwicklung (OHD) innerhalb der Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC) tätig. Sein soziales Engagement brachte ihn während der Periode des Kriegsrechts unter Fernando Marcos aber auch danach mehrfach in den Verdacht, ein „roter“ Bischof zu sein, der Sympathien für marxistisches Gedankengut und die Kommunisten hegte. Wenn man jedoch seine zahlreichen Schriften zu sozialen Fragen liest, wird schnell deutlich, dass die Inspiration für sein Engagement für eine Kirche der Armen aus der karmelitischen Spiritualität und aus dem Evangelium kommt.
Sexuelles Fehlverhalten von Klerikern
Am 2. Juli 2003 starb Bischof Fortich (89), emeritierter Bischof von Bacalod auf der Insel Negros, der lange Jahre die bischöfliche Kommission „Justitia et Pax“ geleitet hatte. Seine Amtszeit als Bischof von Bacalod (1967–1989) fiel weitgehend in die Ära von Fernando Marcos. Antonio Fortich war als „Bischof der Armen“ bekannt und hat immer wieder unerschrocken gegen die Verletzungen der Menschenrechte durch das Marcos-Regime protestiert und sich für die Rechte der Landarbeiter auf den Zuckerplantagen eingesetzt. Der Schwerpunkt seines Pastoralplans lag auf der Einrichtung von Basisgemeinden, die Bischof Fortich regelmäßig besuchte und gegen Anschuldigungen des Militärs verteidigte, sie seien kommunistisch unterwandert.
Großes Aufsehen in der philippinischen Kirche erregte der Rücktritt von Bischof Teodoro Bacani, der von seiner Sekretärin der sexuellen Belästigung beschuldigt, im November 2003 sein Amt als Bischof von Novaliches aufgab, das er erst im Januar 2003 angetreten hatte. Der Rücktritt wurde vom Papst angenommen, um, wie der Nuntius, Erzbischof Antonio Franco, mitteilen ließ, „Frieden für die Kirche in den Philippinen zu schaffen“. Zugleich machte der Nuntius deutlich, dass von Rom keinerlei kirchenrechtliche Schritte gegen Bischof Bacani unternommen worden seien. Dieser war vorher 18 Jahre als Weihbischof in der Erzdiözese Manila tätig gewesen, wo er mit seiner regelmäßigen Mitarbeit im Fernsehen, Radio und durch Publikationen als Bischof, Theologe und Prediger sehr beliebt und anerkannt war. Als Zuständiger für die Verbindung zwischen der Philippinischen Bischofskonferenz und der charismatischen Bewegung El Shaddai vom Mike Velarde hatte er großen Anteil daran, diese Bewegung innerhalb der katholischen Kirche zu halten. Im Januar 2004 stellte Bacani sein neues Buch „Gemeinschaft der Jünger des Herrn“ vor, das er während einer längeren Bedenk- und Neuorientierungsphase geschrieben hatte. Die große Beteiligung von Bischöfen, Priestern und Laien an dieser Buchpräsentation machte deutlich, dass der Bischof auch weiterhin hohes Ansehen in der Kirche und Gesellschaft der Philippinen besitzt. Der „Fall“ von Bischof Bacani steht in einem engen Zusammenhang mit einer Reihe von Vorfällen, bei denen Bischöfe und Priester in den Philippinen sexueller Vergehen beschuldigt wurden. Im Oktober 2002 hatte Bischof Yalung von Antipolo sein Amt nach kurzer Amtszeit aufgeben müssen, weil er Vater zweier Kinder geworden war. Die Philippinische Bischofskonferenz reagierte auf die Fälle von sexuellen Vergehen innerhalb des Klerus mit der Veröffentlichung von „Pastoralen Richtlinien bei sexuellem Fehlverhalten von Klerikern“ (Pastoral Guidelines on Sexual Abuse and Misconduct by the Clergy). Das Dokument wurde von Erzbischof Orlando Quevedo in seiner Eigenschaft als Präsident der Bischofskonferenz im November 2003 erstmals der Presse vorgestellt. Die offizielle Verabschiedung fand dann bei der Vollversammlung der philippinischen Bischöfe im Januar 2004 statt. Auch die Konferenz der weiblichen Ordensoberinnen der Philippinen hat eine Kommission gebildet, die 29 Fälle von sexuellem Fehlverhalten des Klerus untersuchte und sich um Hilfe für die Opfer, junge Mädchen und Frauen, mehrere Ordensfrauen, aber auch männliche Jugendliche bemühte. Der Bericht der Kommission enthielt auch Angaben zu Priestern, die im Konkubinat leben und Kinder haben sollen. In einer Diözese in den Philippinen soll nach diesem Bericht der Anteil der Priester, die Kinder zeugten, bei 35 Prozent liegen.