KommentarOffenheit

Kardinal Franz König war zeitlebens ein Brückenbauer.

Der Tod von Kardinal König, der Mitte März im 98. Lebensjahr friedlich starb, hat nicht nur in seiner österreichischen Heimat weithin Trauer bei Gläubigen wie bei Nichtgläubigen, sondern in aller Welt eine Welle des Mitgefühls ausgelöst. Denn er ist nie ein abgehobener Kirchenfürst gewesen, sondern ein Mensch, der seine Gesprächspartner immer ernst genommen hat. Je älter Franz König wurde, desto eindringlicher mahnte er, die Menschen sollten sich immer wieder fragen: Woher kommen wir? Und wohin gehen wir? Was ist unser Ursprung und unser Ziel? Diese einfachen Grundfragen jedes Menschen wurden von vielen Zeitgenossen verstanden, auch von jenen, die sonst mit der Kirche manche Schwierigkeiten hatten. König hat im Lauf der Zeit geradezu eine Meisterschaft in der Kommunikation mit seinen Mitmenschen entwickelt.

Franz König, im niederösterreichischen Voralpengebiet südwestlich von Wien aufgewachsen, studierte an der Gregoriana und am Germanicum in Rom, wo er zuerst das Philosophie- und dann das Theologiestudium abschloss. Im Herbst 1933 wurde Franz König zum Priester geweiht, zwei Jahre später nach Österreich zurückberufen und von seinem Bischof zum Domkurat und Jugendseelsorger der Diözese St. Pölten bestellt. In dieser Funktion sagte König immer wieder, die Menschen würden der Kirche davonlaufen, wenn diese nicht die auf Jesus Christus gegründete Wahrheit verkündet und nicht mehr lebt, was sie predigt. 1952 ist König zum Bischofs-Koadjutat von St. Pölten ernannt worden. Vier Jahre später folgte seine überraschende Bestellung als Nachfolger von Kardinal Theodor Innitzer zum Erzbischof von Wien. Bald darauf wurde von Johannes XXIII., dem „guten Papst“, seine Ernennung zum Kardinal ausgesprochen.

Damit geriet König mitten hinein in das Zentrum der umstürzenden Ereignisse im Zusammenhang mit dem wenig später einberufenen Zweiten Vatikanischen Konzil, in dessen Verlauf der Kardinal von Wien wichtige Positionen für die Zukunft markierte. Ein erster Paukenschlag in diesem Kontext war es, als Franz König den international bekannten Theologen Karl Rahner zu seinem theologischen Berater beim Konzil bestellte und zu den Konzilsberatungen mit nach Rom nahm. Dort hatte man mittlerweile mit großem Interesse verfolgt, wie der Wiener Kardinal bemüht war, Frontstellungen gegenüber der katholischen Kirche innerhalb Österreichs zu überwinden, indem er sich bemühte, mit den Sozialdemokraten und den Gewerkschaften, ja mit der Arbeiterschaft insgesamt in Kontakt zu kommen, um die Folgen des „Bürgerkrieges“ der dreißiger Jahre in Österreich endlich zu überwinden. Das war wie eine Lehrzeit auf nationaler Ebene für seinen späteren 15-jährigen Einsatz als Präsident des Vatikanischen Sekretariats für Nichtglaubende in Rom ab 1965. Ein besonders wichtiger Schwerpunkt im Wirken von Kardinal König als „Brückenbauer“ waren seine systematischen Kontakte mit den Kirchen im damals noch kommunistischen Osteuropa. Besonders aufsehenerregend waren die Kontakte Königs mit dem seit der ungarischen Revolution 1956 in der amerikanischen Botschaft von Budapest konfinierten ungarischen Primas Mindszenty, den er schließlich zum Rücktritt bewegen und nach Österreich bringen konnte. Nicht weniger folgenschwer waren die frühen Kontakte Königs mit dem damaligen Erzbischof von Krakau, Karol Wojtyla. Der Wiener Kardinal empfand es wohl als besondere Gnade, als beim Österreichischen Katholikentag 1983 Johannes Paul II. selbst anwesend war, und tausende Gläubige aus den angrenzenden Oststaaten gekommen waren, die die Überwindung der Teilung Europas vorausschauend feierten. In allen diesen Jahren bemühte sich König nach Kräften, auch die Berge des Misstrauens zwischen der Kirche und den Repräsentanten der Medien abzubauen. Dabei konnte er seine Erfahrungen aus Wien nützen, wo er Jahre hindurch Neujahrsbotschaften durch Radio und Fernsehen an breiteste Volksschichten übermittelt hatte. Zur Vorbereitung dafür lud der Kardinal Journalisten sehr verschiedener weltanschaulicher Richtungen ein, ihre Meinungen offen und ungeschminkt darzulegen.

Im September 1985 nahm der Papst das Rücktrittsgesuch von Kardinal König an, fünf Jahre nach Überschreiten der Altersgrenze von 75 Jahren, mit der jedem Bischof ein Rücktrittsangebot vorgeschrieben ist. In der Folge wurde der Benediktinerpater Hans Hermann Groer, der den allermeisten Katholiken damals unbekannt war, zum neuen Erzbischof von Wien ernannt, und in den folgenden Jahren kam es auch in anderen Diözesen zu Bischofsernennungen, die man im gläubigen Volk weithin als „Justamentsmaßnahmen“ wertete. Das waren wohl bittere Jahre für Franz König, der nie aufbegehrte, der aber in unzähligen Vorträgen und Predigten bei seiner Linie der Offenheit blieb. So sagte er im Jahr 2003 bei seinem goldenen Bischofsjubiläum: „Ich sage den jungen Leuten immer: Kirche ist Freiheit.“ Und er fügte hinzu: „Von Wien aus ist in den letzten Jahrzehnten viel geschehen, um die historischen Gräben zwischen Rom und Moskau, aber auch zwischen Rom und Konstantinopel zu überbrücken. Daran müssen wir weiterarbeiten, mit Mut und Geduld.“

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