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S. 433-435
Im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden in derzeit eine Ausstellung über die Zehn Gebote zu sehen. Das eigentlich Interessante an der Kunstausstellung mit einem genauso aufwändigen wie anspruchsvollem Begleitprogramm ist die Tatsache, dass hier in enger Tuchfühlung mit den ethischen Konflikten der Gegenwart die Tragfähigkeit einer uralten und damit zwangsläufig religiösen Tradition ausgelotet wird.
Zwar gelten die Zehn Gebote heute noch weithin als Basiswissen der Zivilisation, als „Quintessenz des Menschenanstands" (Thomas Mann). Aber im Unterschied zur inflationären Zahl der Neuformulierungen von zehn Geboten für alles und jedes geht die Kenntnis der einzelnen biblischen Verbote und Mahnungen des mehr als zweieinhalbtausend Jahre alten Dekalogs stark zurück. Es liegt auf der Hand, dass mit der zurückgehenden Kenntnis der Zehn Gebote auch deren normative Kraft schwindet.
Angesichts dieses Befunds wird den Zehn Geboten auch im Christentum wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Die Versuche einer Aktualisierung belegen, dass der Kodex genauso fruchtbar wie interpretationsbedürftig ist, weil die Wirklichkeit im Laufe der Jahrhunderte deutlich komplexer geworden ist. Von Stefan Orth