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S. 487-489
Schonungslos zeigt sich der bis zur Verzweiflung reichende Glaubenszweifel der charismatischen Ordensgründerin Mutter Teresa in den jüngst veröffentlichten privaten Notizen oder vertraulichen Briefwechseln mit Bischöfen und ihren geistlichen Begleitern, ihren Seelenführern. Die Veröffentlichung rief, wie nicht anders zu erwarten, ein enormes Medienecho hervor. Wer hatte ausgerechnet sie in solchen Stunden, in solcher Stimmung vermutet - Mutter Teresa, die von Gläubigen wie Nichtgläubigen, Christen wie Nichtchristen als „das Gewissen des 20. Jahrhunderts" verehrt wurde, die (Medien-)Ikone christlicher Nächstenliebe.
Zweifelsohne macht sie das Bekenntnis zur Nacht ihres Glaubens auch für Verehrer, Kritiker und Durchschnittsgläubige zu einer „menschlicheren", sympathischeren Heiligen - eine Heilige unserer Tage, der die Haltungen und Fragestellungen, Zweifel und Verunsicherung, die gemeinhin als Kennzeichen moderner Existenz gelten, nicht fremd sind. Wer will dem Zeitgenossen, für den der Glaube eben nicht einfach ist, und Gott nicht klar und leicht erkennbar, diesen Trost bestreiten? Hat sie, die radikal Glaubende nicht nur viel radikaler erfahren, was dem um seinen Glauben redlich Bemühten gleichfalls beschieden ist, nämlich die bleibende Spannung auszuhalten zwischen Vertrauen und Zweifel, Gewissheit und Skepsis, auszuhalten eine Sehnsucht, die oft unbeantwortet, unerfüllt bleibt? Von Alexander Foitzik