KommentarBotschaft

Ein Bischof aus dem Norden Nigerias zu Gast in Deutschland.

Blauäugigkeit wird man ihm nicht ernsthaft vorwerfen können. Die Diözese Maiduguri von Bischof Matthew Man-Oso Ndagoso liegt im Nordosten Nigerias. Bei einer Fläche, die etwa einem Drittel Deutschlands entspricht, leben in der 1966 errichteten Diözese etwa 284 000 Katholiken; 85 Prozent der Bevölkerung in diesem Gebiet sind Muslime, etwa 2 Prozent Katholiken. In den Bundesstaaten Bornu und Yobe, die die Diözesangrenzen umfassen, herrscht seit Anfang 2000 das islamische Rechtssystem, die Scharia – deren Einführung im Prinzip der Verfassung Nigerias widerspricht. Der Islam ist in dieser Region seit dem 11. Jahrhundert präsent, die katholische Kirche seit knapp 100 Jahren.

Heftig waren im Nordosten Nigerias die Unruhen im Frühjahr letzten Jahres, ausgelöst durch ein paar Muhammed-Karikaturen, veröffentlicht in einer dänischen Tageszeitung. Aufgebrachte fanatische Muslime brannten in diesen Tagen nicht nur das Haus von Bischof Man-Oso Ndagoso nieder – er selbst war glücklicherweise nicht da. Ihnen fiel auch ein Priester der Diözese zum Opfer. Bei dessen Beerdigung sprach der Bischof eindringlich von der christlichen Feindesliebe; in ihr müsse sich unser Glauben bewähren. Erst nach und nach wollten und konnten die Gläubigen ihrem Bischof folgen. Viele hatten auf Rache gesonnen, wie in anderen Gebieten Nigerias, wo schließlich unbescholtene Muslime von Christen durch die Straßen gejagt wurden. Die Stimmung ist auch in der Diözese Maiduguri nach wie vor gespannt, darüber macht sich der Bischof keine Illusionen. Die kleinste Lunte wird womöglich schon reichen für eine neuerliche Explosion. Tief sei das Misstrauen gegeneinander. Dennoch hätten sich viele Muslime beeindruckt gezeigt, von dem Zeugnis der Christen, die auf Vergeltung verzichtet haben.

Die Priester und verantwortlichen Laien seiner Diözese hat der in Rom in ökumenischer Theologie promovierte Bischof angewiesen, die Imame vor Ort zu besuchen, den Kontakt zu ihnen möglichst zu halten. Es gehe, wie der Bischof sagt, zuerst um einen „Dialog des Lebens“, in dem sich Muslime und Christen gemeinsam um den Aufbau einer humanen Gesellschaft bemühen, gemeinsam sich den enormen Herausforderungen in dieser Region stellen, dem Hunger, Aids, der Korruption unter den Politikern. Jegliche missionarische Tätigkeit müsse darauf ausgerichtet bleiben anderen Menschen zu helfen, ein Leben in Fülle zu leben.

Als Sohn eines Priesters der traditionellen Religion ist Bischof Man-Oso Ndagoso der Dialog quasi in die Wiege gelegt; seine Schwester ist Lutheranerin, mehrere Cousins und Cousinen sind mit Muslimen verheiratet. Beide, Muslime und Christen, müssten jetzt versuchen, die Fanatiker in ihren Reihen zu überzeugen oder zu isolieren. Im Falle der eigenen Religion, sind das vor allem so genannte Pfingstkirchen, die sich höchst aggressiv verhalten, gegenüber Christen und Muslimen. Umgekehrt weiß Bischof Man-Oso Ndagoso, dass während der „Karikaturen-Unruhen“, viele Muslime Christen in ihren Häusern vor dem tobenden Mob versteckt haben, ihnen beim Wiederaufbau halfen.

Bischof Man-Oso Ndagoso war Anfang Oktober Gast des Internationalen Katholischen Missionswerkes Missio zur diesjährigen Kampagne, zugleich das 175-jährige Jubiläum von Missio-Aachen. Wie die anderen zahlreichen Gäste aus Indien, der Mongolei oder Afrika hatte auch Bischof Man-Oso Ndagoso ein strammes Programm in Deutschland zu absolvieren: Begegnungen in Gemeinden, mit Bischöfen, Journalisten. Der 47-Jährige, vor vier Jahren zum Bischof Geweihte erzählte aber nicht nur eindringlich von der Lage der Kirche in seinem Land. Sensibel hatte Bischof Matthew in diesen vielen Begegnungen gespürt, wie viele Deutsche sich schwer tun mit der Präsenz von Muslimen in ihrem Land. Und so hatte er eine Botschaft an die gastgebenden Mitchristen. Öffnet die Türen, Herzen und vor allem aber auch Euren Verstand für die Muslime, die in Deutschland leben. Blieben diese in Ghettos isoliert, werde das die deutsche Gesellschaft vor enorme Probleme stellen. Und er wurde noch konkreter: Das oft gehörte Argument beispielsweise, dass Muslimen in Deutschland solange beispielsweise der Moscheebau verweigert werden sollte, solange es in Saudiarabien keine Kirchen gäbe – dieses Argument sei Christen unwürdig. Auf das Niveau von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ dürften wir uns niemals herablassen. In den letzten Jahren ist viel von der „Lerngemeinschaft Weltkirche“ die Rede gewesen. Die Beziehung der Ortskirchen weltweit zueinander lässt sich nicht länger als Einbahnstraße von Nord nach Süd begreifen. In dieser Lerngemeinschaft hat ein Bischof aus Nord-Nigeria seine für ihn offenbar spürbar verunsicherten Mitschwestern und Mitbrüder ermutigt, aber auch an ihren Glauben gemahnt – in seiner Erfahrung unverdächtig einer unreflektierten Multikulti-Ideologie anzuhängen.

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