Ein Fachkongress zum 40-jährigen Bestehen der Deutschen Kommission Justitia et PaxRunder Tisch

Vor 40 Jahren wurde die Deutsche Kommission Justitia et Pax gegründet. Sie versteht sich als Runder Tisch kirchlicher Einrichtungen und Organisationen, die sich in den Bereichen Entwicklung, Frieden und Menschenrechte engagieren. Zum 40-jährigen Bestehen veranstaltete die Kommission ein international besetztes Symposium.

In diesen Tagen gibt es reichlich Anlass, an die Zeit zu erinnern, in der das Nachkriegsdeutschland begann, sich der Welt zu öffnen und Verantwortung in der internationalen Staatengemeinschaft zu übernehmen. Auch in der Kirche in Deutschland gab es diesen Aufbruch hin zu Welt und Weltkirche, erwachte das Bewusstsein für weltkirchliche Solidarität und Verantwortung. So begeht beispielsweise das Bischöfliche Hilfswerk Misereor unter dem auffallenden Leitwort „Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen“ in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen (vgl. HK, November 2007, 557ff.). Zum 50. Mal waren jüngst die Sternsinger unterwegs; jedes Jahr beeindruckt diese Hilfsaktion von Kindern für Kinder von neuem durch das Engagement der Beteiligten wie durch die Höhe der gesammelten Spenden (vgl. dieses Heft, 82). Auf ein 50-jähriges Wirken schaut in diesem Jahr auch der Katholische Akademische Ausländerdienst (KAAD) zurück, das Stipendienwerk der katholischen Kirche in Deutschland für Postgraduierte und Wissenschaftler aus Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas, des Nahen und Mittleren Ostens sowie Ost- und Südosteuropas; es geht zurück auf eine Initiative des Fuldaer Katholikentags im Jahr 1954. 1958 wurde der KAAD als gemeinnütziger Verein mit Sitz in Bonn eingetragen.

Die Gerechtigkeit und Liebe Christi den Armen in aller Welt zuteil werden lassen

In ihrem weltkirchlichen Aufbruch bestärkt und ermutigt wurden die Kirche in Deutschland durch das Konzil; insbesondere durch die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“, welche die Katholiken an ihre besondere Verbundenheit mit den Armen und Bedrängten dieser Welt erinnerte. Paul VI. hat 1967 diesen Impuls in seiner richtungweisenden Enzyklika „Populorum Progressio“ aufgenommen. Darin findet sich die viel zitierte Formel „Entwicklung“ sei der neue Namen für „Frieden“ (vgl. HK, Juni 2007, 290ff.). Mit klaren Worten skandalisierte der Papst die weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeiten. Noch nie, so hieß es damals, habe ein Papst bis dahin so persönlich und so engagiert für die Zukunft der Menschheit Partei ergriffen. Mit ihrem Konzept einer ganzheitlichen Entwicklung gab die Enzyklika nun ihrerseits dem christlichen Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Impuls. In seiner Enzyklika hatte Paul VI. auch angeregt, katholische Einrichtungen zu schaffen, die sich den Fragen der Entwicklung und des Weltfrieden annehmen sollten. Schon „Gaudium et spes“ hatte im Artikel zu der „Aufgabe der Christen in den internationalen Institutionen“ zu bedenken gegeben: „Aber angesichts der zahllosen Drangsale, unter denen der größere Teil der Menschheit auch heute noch leidet, hält es das Konzil für sehr zweckmäßig, ein Organ der Gesamtkirche zu schaffen, um die Gerechtigkeit und Liebe Christi den Armen in aller Welt zuteil werden zu lassen. Seine Aufgabe soll es sein, die Gemeinschaft der Katholiken immer wieder anzuregen, den Aufstieg der notleidenden Gebiete und die soziale Gerechtigkeit unter den Völkern zu fördern“ (Nr. 90).

Arbeit im Hintergrund

Zwei Monate vor Erscheinen von „Populorum Progressio“ wurde in diesem Sinne, zuerst noch unter dem Dach des Päpstlichen Laienrates, eine Studienkommission „Justitia et Pax“ geschaffen. Anlässlich der Kurienreform Johannes Pauls II. stieg diese 1976 auf zu einem autonomen Organ innerhalb der römischen Kurie, zum Päpstlichen Rat „Justitia et Pax“. Das jüngste große Projekt, das der Päpstliche Rat verantwortet hat, war das im Jahr 2004 veröffentlichte „Kompendium der Soziallehre der Kirche“; 2006 in deutscher Sprache erschienen (Freiburg 2006; vgl. HK, Januar 2005, 11ff.) und mittlerweile in 32 weitere Sprachen übersetzt.

Mitte Dezember letzten Jahres feierte in Deutschland, unter anderem mit einem international besetzten Fachkongress zum Thema „Integrale Entwicklung“ in Bad Honnef, die Deutsche Kommission Justitia et Pax ihr 40-jähriges Bestehen. Selbst in weltkirchlichen Belangen hoch engagierte Gemeindemitglieder und auch manche kirchliche Hauptamtliche wissen dabei wenig über diese Einrichtung innerhalb der Weltkirchenszene, vergleicht man dies etwa mit den Werken, die über ihre Kampagnen im kirchlichen Alltag deutlich präsenter sind. Die Kommission arbeitet im Hintergrund. Sie dient der Vernetzung und Koordination, der Bündelung von Sachverstand und dem Erfahrungsaustausch unter den vielen in Sachen Entwicklung und Frieden kirchlich Engagierten: Mitglieder der Kommission sind Vertreter der kirchlichen Werke Adveniat, Caritas, Misereor, Missio und Renovabis ebenso wie Vertreter des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, der Katholischer Frauengemeinschaft, des Militärbischofsamtes oder der Orden. Von Anfang an verstand sich die Kommission als „Runder Tisch“. Früh ging diese Vernetzung auch über die katholische Kirche hinaus: In der so genannten Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kooperiert die Kommission bereits seit 1973 mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Gemeinsam hat man in den siebziger Jahren und in den neunziger Jahren die beiden so genannten jeweils mehrjährigen „Ökumenischen Dialogprogramme“ durchgeführt: ein Erfahrungsaustausch mit Politikern, Wirtschaftsleuten, Unternehmern, Gewerkschaftern. Eine Frucht dieser Ökumenischen Dialogprogramme sind die auch in der säkularen friedenspolitischen Szene geschätzten so genannten Rüstungsexportberichte der GKKE, eine ethische Bewertung der deutschen Exportpolitik für Rüstungsgüter. Regelmäßig reden die Kirchen gemeinsam damit der deutschen Regierung sehr entschieden ins Gewissen, besonders wegen der großzügigen Rüstungsexportgenehmigungen in Entwicklungsländer und Konfliktregionen. Anfang Januar hat die GKKE ihren elften Rüstungsexportbericht vorgelegt, in dem sie der Regierung unter anderem auch mangelnde Transparenz bei den Ausfuhren und das „Schönreden“ von Exportzahlen vorwirft. Nach Berechnungen der GKKE stiegen die Genehmigungen für Einzel- und Sammelausfuhren im Berichtsjahr 2006 auf insgesamt 7,7 Milliarden Euro; 2005 waren es 6,2 Milliarden.

Schnittstelle zu Politik und Wissenschaft

Neben ihrer Funktion als Runder Tisch dient die Deutsche Kommission als wichtige Schnittstelle oder Brücke zwischen den einschlägig aktiven kirchlichen Werken, Verbänden und Organisation und der Politik, zu Parlament, Regierung und Parteien, der Wirtschaft und der Wissenschaft, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Menschrechtsgruppen. So arbeitet die Kommission beispielsweise mit im Dachverband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und im Zusammenschluss der deutschen Menschenrechtsgruppen und -organisationen „Forum Menschenrechte“. Aus der Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) entstand vor drei Jahren ein Projekt „Menschenwürdige Arbeit“, das sich unverzichtbaren Normen vor allem im informellen Sektor und der Organisationsfreiheit von Arbeitnehmern widmete. Zum 1. Mai letzten Jahres hat die Kommission zusammen mit dem DGB eine Orientierungshilfe „Menschenwürdige Arbeit in der globalisierten Welt“ veröffentlicht. Als Kommission Justitia et Pax ist sie gleichfalls Teil eines internationalen Netzwerkes: Etwa hundert solcher Kommissionen gibt es weltweit. Auf europäischer Ebene forcierte man in den letzten Jahren diese Zusammenarbeit entschieden (vgl. HK, Dezember 2004, 603ff.). Im September 2005 hat die Deutsche Kommission die Präsidentschaft der Europäischen Konferenz der Justitia et Pax-Kommissionen für drei Jahre übernommen; im Herbst dieses Jahres wird ihr die französische Kommission in dieser Funktion folgen. Im Rahmen dieses weltweiten Justitia et Pax-Netzwerkes unterstützt die deutsche Kommission noch in der Aufbauphase befindliche Kommissionen wie etwa in Togo oder auch in Bosnien-Herzegowina. So veröffentlich die deutsche Kommission beispielsweise regelmäßig Berichte zur Lage der Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina.

Ein katholischer Arbeitskreis für Entwicklung und Frieden

Unter allen Kommissionen Justitia et Pax weltweit besitzt die deutsche Kommission dabei eine besondere Struktur als Einrichtung, die gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragen wird. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums bezeichnete ZdK-Präsident Hans-Joachim Meyer diese gemeinsame Trägerschaft als Beleg einer gelungenen Rezeption des Zweiten Vatikanums, „insofern sich in dieser Kooperation das Verständnis der Kirche als Volk Gottes strukturell umsetzt“.

Nicht zuletzt ist die Kommission Justitia et Pax ein Think Tank, eine Denkfabrik, die Analysen und Konzepte erstellt zu den drei Sachbereichen Entwicklung, Frieden und Menschenrechten, in die sich die Arbeit der Kommission grundlegend gliedert. So wurden beispielsweise in diesem Rahmen wichtige Vorarbeiten für das bemerkenswerte bischöfliche Friedenswort „Gerechter Frieden“ geleistet (vgl. HK, Mai 2003, 227ff.). Stolz ist man in der deutschen Kommission aber auch, ein eigenes, neues Instrument der Entwicklungs- und Friedensarbeit geschaffen zu haben: die so genannten „Exposure- und Dialogprogramme“ für Entscheidungsträger aus Politik, Gesellschaft und Kirche. Diese setzen sich dabei für eine bestimmte Zeit dem Alltag Armer und Ausgegrenzter in ganz verschiedenen Teilen der Erde aus (to expose), teilen deren Leben unter anderem auch um ihre Selbsthilfe-Potentiale kennen- und schätzen zu lernen. Konkret sind diese Programme ein „Kind“ Karl Osners, einer der Gründerväter der Kommission beziehungsweise ihrer Vorgängerorganisation (vgl, HK, Juni 2007, 317ff.).

Geboren wurde die deutsche Kommission noch unter anderem Namen: Am 18. Dezember 1967, mithin also noch im Jahr der Veröffentlichung von „Populorum Progressio“, wurde von Persönlichkeiten und Fachleuten, die in verantwortlichen Positionen der kirchlichen oder öffentlichen Entwicklungshilfe tätig waren, im Katholischen Büro in Bonn der „Arbeitskreis für Entwicklungshilfe“ gegründet: Ein „Runder Tisch“, an dem zunächst Vertreter der Werke Adveniat und Misereror, des Deutschen Caritasverbandes, des Katholischen Büros und des ZdK saßen. Den Vorsitz übernahm Heinrich Tenhumberg, der damalige Leiter des Katholischen Büros und spätere Bischof von Münster. Die Enzyklika Pauls VI. hatte bereits vorhandenen Überlegungen, einen solchen entwicklungspolitischen kirchlichen Arbeitskreis ins Leben zu rufen, zum entscheidenden Durchbruch verholfen. Schließlich sollte der Arbeitskreis auch der päpstlichen Kommission als Ansprechpartner dienen. Auf seiner Agenda stand unter anderem die grundsätzliche Klärung des Verhältnisses von kirchlicher und staatlicher Entwicklungshilfe; innerkirchlich sollten aber beispielsweise auch damals schon Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Aufgabenfeldern Entwicklungshilfe und Mission ausgelotet werden. Dem ganzheitlichen Entwicklungskonzept entsprechend wurde das Aufgabenspektrum des Arbeitskreises 1968 um eine Sektion „Frieden“ erweitert, der Runde Tisch selbst in „Katholischer Arbeitskreis Entwicklung und Frieden“ (KAEF) umbenannt und der Trägerkreis um das heutige Missionswerk Missio (Aachen und München) sowie um die deutsche Sektion Pax Christi vergrößert. Die Prinzipien, nach denen der KAEF arbeitete – exemplarisch, innovativ, subsidiär und komplementär – bilden die Leitlinien der Deutschen Kommission Justitia et Pax bis heute. 1982 ist der Name geändert worden: Aus dem Arbeitskreis wurde die Deutsche Kommission Justitia et Pax.

Auch im Bereich der Berliner Bischofskonferenz, der ehemaligen DDR, wurde eine Justitia-et-Pax-Kommission gegründet, obwohl gerade ein Engagement der Kirche für Gerechtigkeit und Frieden ein hohes Konfliktpotential mit dem Staat einschloss. 1970 war es gelungen, das Misereor ähnliche Bischöfliche Hilfswerk „Not in der Welt“ zu errichten. 1983 erfolgte die offizielle Errichtung einer Arbeitsgruppe „Justitia et Pax“, die der Bischofskonferenz zugeordnet war und, den politischen Gegebenheiten geschuldet, ausschließlich von Priestern gebildet wurde. Nach der deutschen Einheit wurden 1991 die beiden Kommissionen zusammengeführt. Zum Jubiläum der Deutschen Kommission liegt eine knapp 600 Seiten starke Dokumentation vor „Justitia et Pax 1967–2007. 40 Jahre Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden“; darin eine sehr lesenswerte Einführung in Geschichte, Struktur und Arbeit der Kommission von Erik Gieseking (Paderborn 2007).

Einsatz für die Menschenrechte

Der Fachkongress anlässlich des 40-jährigen Jubiliäums gab – zum Teil in wohlwollend kritischer Relecture der Entwicklungs-Enzyklika Pauls VI. – einen guten Überblick über die gegenwärtigen Arbeitsschwerpunkte der Kommission – etwa im Sachbereich „Menschenrechte“, den der Rechtsphilosoph und Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, „moderiert“ und leitet. Dazu verwies der Vorsitzende der Kommission, der frischgewählte Münchner Erzbischof, Reinhard Marx, unter anderem darauf, dass – Stichwort: Arbeit im Verborgenen – die Kommission von 1986 bis 2006 in insgesamt 1139 Fällen von Menschenrechtsverletztungen weltweit interveniert hat. Der Einsatz für Menschenrechte verlangt aber auch die systematische Auseinandersetzung mit gleichermaßen aktuellen wie grundlegenden Problemen, derzeit vorrangig die Religionsfreiheit betreffend. Dabei dürfe es, so Marx, nicht nur um die Verteidigung der christlichen Schwesterkirchen gehen, wo sie bedroht sind, „sondern dieses Grundrecht der Religionsfreiheit fordert uns als Kirche heraus, uns für die Freiheit des gemeinschaftlichen und öffentlichen Vollzugs von Religion durch andere Religionsgemeinschaften einzusetzen“. Zum 40. Jahrestag der Konzilserklärung zur Religionsfreiheit „Dignitatis Humanae“ veröffentlichte die Kommission ein „Memorandum zur Religionsfreiheit“: Selbstkritisch stellte man dabei den Lernprozess der katholischen Kirche in dieser Angelegenheit dar und warnte beispielsweise aber auch vor Verkürzungen und Verfälschungen in den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskussionen, so etwa in schulund integrationspolitischen Streitfällen (vgl. HK, Februar 2006, 65 ff.). Um in solchen aktuellen Streitfällen als Kirche besser gerüstet zu sein, lud die Kommission beispielsweise auch zu einem Fachgespräch mit den Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Büros aus Bund und Bundesländern (vgl. HK, Januar 2007, 44 ff.). Eine Arbeitsgruppe des Jubiläums-Kongresses diskutierte Schutz und Förderung der Religionsfreiheit besonders vor dem konkreten Hintergrund der nach wie vor angespannten Lage in Bosnien Herzegowina und der Minderheitensituation der Christen in Indonesien. Dazu hatte man Weihbischof Pero Sudar und den Imam Ifet Mustafic aus Sarajewo eingeladen, aus Indonesien den deutschstämmigen Jesuiten Franz Magnis-Suseno, der es sich dabei nicht nehmen ließ, seine deutschen Landsleute vor einer „Angstpsychose“ vor den Muslimen zu warnen (vgl. HK, August 2006, 394 ff.).

In den Bereich Menschenrechte gehört auch die Auseinandersetzung der Kommission mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit beziehungsweise der Unterdrückung oder Gewalt gegen Frauen in vielen Ländern der Erde. Im Bereich Entwicklung, moderiert von dem Münchner Sozialethiker Johannes Wallacher, war die Arbeit besonders im letzten Jahr durch den G8-Gipfel in Heiligendamm und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft geprägt. Dabei bilden die so genannten UN-Millenniumsziele und die Armenorientierung in der Entwicklungszusammenarbeit seit einigen Jahren den inhaltlichen Schwerpunkt. Zum sechsten Mal hat die GKKE im Sommer letzten Jahres einen Bericht vorgelegt, in dem Bilanz gezogen wird, wie es um die Umsetzung des von der Staatengemeinschaft im Jahr 2000 erklärten Zieles steht, die schlimmste Armut weltweit bis 2015 zu halbieren – stets ein sehr ernüchterndes Unterfangen. „Menschenwürdige Arbeit und internationale soziale Standards für armenorientierte Entwicklung“, so lautet die Akzentsetzung im Sachbereich Entwicklung in den nächsten drei Jahren; nach eigenen Angaben geht es darum, die Rechte informell Arbeitender angesichts globaler Prekarisierung der Arbeitsmärkte zu sichern, internationale Standards und Vereinbarungen zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklung zu stärken und sozial und ökologische Standards exemplarisch im Agrarmarkt umzusetzen.

In dem vom Hamburger Ethiker Thomas Hoppe moderierten Sachbereich „Frieden“ hat man sich in den letzten Jahren schwerpunktmäßig unter anderem mit innerstaatlichen Versöhnungsprozessen und den Fragen der Aufarbeitung belasteter Vergangenheit beschäftigt. Ein entscheidender Markstein in der Arbeit dieses Bereichs waren dabei die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Mit mehreren Erklärungen und Stellungnahmen versuchte die Kommission hierzu Bischöfen und einschlägigen kirchlichen Institutionen Orientierungshilfen zu geben. Ebenso organisiert die Kommission den Dialog katholischer Organisationen, deren Mitglieder sich in unterschiedlichen Diensten für den Frieden engagieren, und fördert konzeptionell und organisatorisch die Weiterentwicklung bestehender und die Neuentwicklung katholischer Friedensdienste. Auch wurde eine Projektgruppe geschaffen, die sich der so genannten „Inneren Führung“ unter den veränderten Einsatzbedingungen der Bundeswehr widmet.

Unverzichtbare kritische Begleitung der Bundesregierung

So sollte das Symposion anlässlich des 40-jährigen Jubiläums auch dazu dienen, die künftige Agenda der Kommission zu klären. Dazu hatte der renommierte Friedensforscher Dieter Senghaas sich unter anderem der Unterscheidung gewidmet, was partnerorientierte Entwicklungshilfe nach dem Entwicklungskonzept der kirchlichen Sozialverkündigung bedeutet oder wo es nur um den Export westlicher Kultur, westlichen Lebensstils geht. Und können oder dürfen die europäischen Staaten mit ihrer Geschichte Vorbild sein für andere Staaten dieser Welt? Insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert habe Europa ähnlich dramatische Umbrüche und Modernisierungsschübe durchlitten wie viele Gesellschaften in Osteuropa, Asien und Afrika heute. Grundrechte und Werte wie die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Gleichberechtigung der Geschlechter hätten sich teilweise erst in jahrhundertelangen Konflikten entwickelt. Dabei mahnte Senghaas, gerade in Zeiten, in den der „Clash of Civilizations“ beschworen wird, nicht die „Clashes within Civilizations“ zu übersehen, mithin die durch die extremen gesellschaftlichen Ausdifferenzierungen ausgelösten Verwerfungen in vielen Staaten der Welt. Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder und Koordinatorin für die deutsch-polnische Zusammenarbeit untersuchte die Chancen der Kirchen, in den für Entwicklung notwendigen politischen und kulturellen Transformationsprozessen Zivilgesellschaft zu organisieren.

Der Münchner Sozialethiker Johannes Müller bündelte die Ergebnisse des Fachkongresses schließlich zu ein paar Stichworten, die die Arbeit der Deutschen Kommission Justitia et Pax künftig bestimmen sollten: der globale Klimawandel, die Gender-Gerechtigkeit, die weltweiten Migrationsbewegungen, das Verhältnis zwischen Kultur und Religion sowie Schutz und Förderung der Rechte von Minderheiten. Einig war man sich, die internationalen Justitia-et-Pax-Strukturen stärken zu wollen, wobei auch die Süd-Süd-Kooperation ausgebaut werden müsse. Selbstkritisch wollte man dabei den eigenen Stellenwert in den jeweiligen Ortskirchen keinesfalls überschätzen. Großes Lob für die Arbeit der Kommission kam dabei von der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), Karin Kortmann, die den Jubilaren schlicht versicherte, die Entwicklungspolitik der Bundesregierung brauche die kritische Begleitung und Erfahrung der Kirchen. Am meisten aber haben sich die Verantwortlichen über die Gratulation des früheren Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, Helmut Puschmann, gefreut, der kurz und knapp den besondern Wert von Justitia et Pax zusammenfasste: Dort würden die Fragen aufgegriffen, die „zu gern von der Politik und auch in der Kirche verdrängt werden“.

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