EKDMargot Käßmann ist Ratsvorsitzende

Bei ihrer Tagung Ende Oktober wählte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland erwartungsgemäß die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann zur neuen Ratsvorsitzenden. Als Nachfolgerin von Wolfgang Huber ist sie für die nächsten sechs Jahre das „Gesicht“ des Protestantismus in Deutschland.

Tagungen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bleiben normalerweise im Windschatten des öffentlichen Interesses. Mit einer Ausnahme: Alle sechs Jahre wählt die Synode zusammen mit der Kirchenkonferenz den Rat der EKD und aus seiner Mitte dann den Ratsvorsitzenden. Damit gibt sie der größten und wichtigsten reformatorischen Kirche in Europa ein Gesicht.

Die Wahl fiel jetzt bei der Synodaltagung in Ulm Ende Oktober auf Margot Käßmann, seit 1999 Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Die 51-jährige Käßmann beerbt an der Spitze des EKD-Rates den Berliner Bischof Wolfgang Huber, der dem Amt in den vergangenen sechs Jahren in ungewöhnlichem Maß seinen Stempel aufgedrückt hat. Käßmann, die die größte Gliedkirche der EKD leitet und davor Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags war, galt im Vorfeld der Ratswahl als eindeutige Favoritin. Sie gehörte dem Rat der EKD schon in der Amtszeit von Wolfgang Huber an.

Margot Käßmann ist die erste Frau im Vorsitz des Rates; sie war es auch als hannoversche Landesbischöfin. Präses der im Mai dieses Jahres konstituierten 11. Synode der EKD ist die aus Thüringen stammende Theologin und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, die jetzt wieder in das Präsidium des Deutschen Bundestages gewählt wurde. Dass nach der Wahl von Margot Käßmann das Schlagwort von der „weiblichen Doppelspitze“ des deutschen Protestantismus die Runde machte, nimmt also nicht Wunder.

Der 15-köpfige Rat der EKD ist traditionsgemäß so etwas wie ein Gesamtkunstwerk, dessen Wahl sich entsprechend aufwendig gestaltet. Diesmal kam es zu der Besonderheit, dass sich der Rat nach 12 Wahlgängen mit nur 14 Mitgliedern konstituierte. Die Wahl eines 15. Ratsmitglieds musste auf die nächste Synodaltagung im November 2010 verschoben werden.

Der Rat als Gesamtkunstwerk

Der Ratswahlausschuss präsentierte Synode und Kirchenkonferenz (in ihr sind die EKD-Gliedkirchen durch ihre leitenden Amtsträger vertreten) eine Vorschlagsliste mit 22 Namen. Darunter waren 11 kirchenleitende Persönlichkeiten, davon 9 leitende Geistliche und zwei leitende Juristen. Die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten waren evangelische Christen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und mit unterschiedlichem kirchlichen Hintergrund. Einer davon, der CDU-Politiker Hermann Gröhe, bisher Mitglied des Rates der EKD, hatte die Kandidatur nach seiner Ernennung zum neuen Generalsekretär der CDU vor der Wahl zurückgezogen.

„Wir halten jede der vorgeschlagenen Persönlichkeiten über die Erfüllung einzelner Kriterien hinaus für hervorragend geeignet, die Aufgaben eines Ratsmitglieds zu erfüllen“ – so lautete das Fazit im Bericht des Vorsitzenden des Wahlausschusses, Peter Bukowski. Dieser Meinung vermochten sich die Wählerinnen und Wähler aus Synode und Kirchenkonferenz allerdings nicht durchgängig anzuschließen, genauso wenig wie der Aufforderung: „Machen Sie von ihrem Wahlrecht möglichst bald und extensiv Gebrauch, anstatt die Wahlprozedur über Gebühr in die Länge zu ziehen.“

Im ersten Wahlgang erreichte nur Margot Käßmann die notwendige Zweidrittelmehrheit – ein klares Signal für die Präferenz von Synode und Kirchenkonferenz im Blick auf den Ratsvorsitz. Der zweite Wahlgang bescherte dem rheinischen Präses Nikolaus Schneider (schon bisher im Rat) sowie als „shooting star“ der erst 28-jährigen Mathematikerin Elke Eisenschmidt (Magdeburg) einen Sitz im Rat der EKD. Sie hatte schon für ihre brillante Vorstellungsrede großen Applaus bekommen.

Bis zum vierten Wahlgang mussten sich der badische Landesbischof Ulrich Fischer und sein bayerischer Amtskollege Johannes Friedrich (schon bisher im Rat) gedulden: Sie repräsentieren gleichzeitig die beiden Zusammenschlüsse innerhalb der EKD, die Union Evangelischer Kirchen (UEK), deren Vorsitzender Bischof Fischer ist, und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (UELKD), als deren Leitender Bischof Johannes Friedrich amtiert.

Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl schaffte den Einzug in den Rat erst im siebten Wahlgang. Zu seinen Gunsten wirkte sich wohl aus, dass er einer der östlichen Gliedkirchen der EKD vorsteht. Dagegen gingen sowohl der Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, wie sein neuer nordelbischer Kollege Gerhard Ulrich (Kiel) leer aus. Das gleiche Schicksal ereilte den Bischof der großen württembergischen Kirche, Frank Otfried July, zu dessen Sprengel Ulm als der Tagungsort der Wahlsynode gehört. Offensichtlich wollten die Wählerinnen und Wähler nicht durch einen dritten süddeutschen Bischof neben Fischer und Friedrich den regionalen Proporz beschädigen.

Württemberg und gleichzeitig der evangelikale Flügel im deutschen Protestantismus ist im neuen Rat durch die Erzieherin Tabea Dölker vertreten, für ihn stand bisher der ZDF-Journalist Peter Hahne. Von den Kandidatinnen und Kandidaten ohne kirchenleitende Aufgabe schafften es außerdem Fidon Mwombeki, der aus Tansania stammende Generalsekretär der Vereinten Evangelischen Mission (Wuppertal), der Hamburger Journalist und gelernte Pastor Uwe Michelsen, Marlehn Thieme, Direktorin bei der Deutschen Bank (schon bisher im Rat) und die Berliner Architektin Gesine Weinmiller.

Die reformierte Minderheit innerhalb der EKD vertritt im neuen Rat Kirchenpräsident Jann Schmidt (Leer); als Kirchenjurist schaffte es Klaus Winterhoff, Juristischer Vizepräsident der Westfälischen Kirche, der schon dem bisherigen Rat angehörte.

Reifezeit für den Reformprozess

Außergewöhnlich am neuen Rat der EKD sind die noch nicht dreißigjährige Elke Eisenschmidt, neben Landesbischof Bohl einzige Vertreterin der östlichen Gliedkirchen, sowie der afrikanische Theologe Fidon Mwombeki. Es fällt auf, dass die Politik nur durch Katrin Göring-Eckardt vertreten ist, die als Präses der Synode ex officio dem Rat angehört. Sowohl die fränkische SPD-Politikerin Susanne Kastner wie die frühere Bundesministerin Ingrid Schwaetzer (FDP) erwiesen sich als chancenlos. Das galt auch für Markus Meckel (SPD): Der ostdeutsche Politiker und prominente DDR-Bürgerrechtler wurde während der Wahl in Ulm nachnominiert.

Nach ihrem Einzug in den Rat im ersten Wahlgang war die Wahl von Margot Käßmann zur Ratsvorsitzenden praktisch eine Formsache. Sie erhielt 122 von 142 Stimmen. Noch eindeutiger fiel die Wahl von Nikolaus Schneider zum Stellvertretenden Ratsvorsitzenden aus, bei der der rheinische Präses 137 Stimmen erhielt.

Das Gespann Käßmann/Schneider tritt jetzt an die Stelle von Wolfgang Huber als Ratsvorsitzendem und Christoph Kähler (Landesbischof von Thüringen) als seinem Stellvertreter. Es bleibt damit der innerprotestantische Ausgleich gewahrt, wonach einer der beiden Spitzenrepräsentanten der EKD aus einer unierten und der andere aus einer lutherischen Landeskirche kommt. Dagegen ging man diesmal von der Praxis der letzten Amtsperioden ab, den Stellvertretenden Ratsvorsitzenden aus den ostdeutschen Gliedkirchen zu holen.

Wolfgang Huber sprach in seinem letzten Ratsbericht bei der Ulmer Synodentagung auch den in seiner Amtszeit initiierten Reformprozess für die evangelische Kirche in Deutschland an. Die grundlegenden Impulse des Reformprozesses, so sein Fazit, hätten sich in den letzten Jahren bewährt: „Seine Zielsetzungen geben vielen Menschen in unseren Kirchen eine hilfreiche Orientierung. Sie bestätigen die Zielsetzung geistlicher Aktivierung statt undeutlicher Aktivität. Sie nehmen die Einladung zur Schwerpunktsetzung statt dem Streben nach Vollständigkeit dankbar auf.“

Schwerpunkt Bildung und Mission

Huber fügte hinzu, das jetzt inhaltlich Angestoßene und organisatorisch in Gang Gesetzte brauche nun Reifezeit und müsse sich bewähren. Es wird eine der Hauptaufgaben von Margot Käßmann im Ratsvorsitz sein, diese Reifezeit des Reformprozesses zu begleiten und zu steuern. In ersten Äußerungen im neuen Amt hat sie sich zu diesem Prozess und seiner Fortführung bekannt und gleichzeitig angemahnt, dabei verstärkt die Ebene der Gemeinden in den Blick zu nehmen. Sie bringt in den weiteren Weg der EKD ihre Erfahrungen in der Leitung einer großen Landeskirche sowie aus der Kirchentagsarbeit ein.

In ihrer Amtszeit muss sich auch das neu eingeführte „Verbindungsmodell“ innerhalb der EKD bewähren: In Ulm tagten in zeitlicher und räumlicher Nachbarschaft die Synode der EKD, die Generalsynode der VELKD und die „Vollkonferenz“ der UEK. Nach dem Verbindungsmodell sind die EKD-Synodalen in Personalunion jeweils auch Mitglieder der VELKD-Generalsynode oder der UEK-Vollkonferenz.

Die VELKD ist nach wie vor auf ihre Eigenständigkeit bedacht. Landesbischof Johannes Friedrich sah in seinem Bericht vor der Generalsynode die Gefahr einer „gewissen Marginalisierung“ der VELKD durch das Verbindungsmodell am Horizont und betonte, es dürfe nicht als Konfessionalisierung diffamiert werden, „wenn die VELKD in der EKD Profil zeigt“. Gleichwohl bezeichnete er das Verbindungsmodell für eine „mögliche gute Form, um die Stärken der einzelnen kirchlichen Zusammenschlüsse für das Gesamt des Protestantismus in Deutschland positiv zur Geltung bringen zu können“.

Bei der Tagung der EKD-Synode in Ulm geriet das Schwerpunktthema „Ehrenamt“ durch die Ratswahl noch stärker in den Hintergrund, als dies schon bei normalen Synodentagungen der Fall ist. Die Synode verabschiedete aber auch diesmal eine „Kundgebung“ zum Schwerpunktthema, die gleich zu Anfang betont, ehrenamtliches Engagement sei ein zentraler Ausdruck des Glaubens.

Gleichzeitig wurden die Schwerpunktthemen gleich für die nächsten beiden Tagungen der Synode beschlossen: 2010 wird es um Bildungs- und Teilnahmegerechtigkeit gehen, 2011 um Überlegungen zu einer einladenden Mission. Damit wird der Bogen zurück geschlagen zu der „Missionssynode“ von 1999 in Leipzig, die einiges zur Entkrampfung der innerprotestantischen Fraktionsbildung bei diesem Thema beigetragen hat. Bildung und Mission sind jetzt auch zentrale Anliegen des Reformprozesses.

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