KommentarZwei Wege

Erzbischof Williams zur Zukunft der Anglikanischen Gemeinschaft.

Die Anglikanische Gemeinschaft ist ein Unikat innerhalb der weltweiten Christenheit. Sie besteht aus rechtlich völlig selbstständigen, autonomen Einzelkirchen, wie die sonstigen konfessionellen Weltbünde, sei es der Lutherische oder der Reformierte Weltbund. Gleichzeitig ist bei ihr aber das Gemeinschaftselement stärker ausgeprägt: Zum einen kennen alle anglikanischen Kirchen das Bischofsamt, zum anderen verfügt ihre Gemeinschaft über mehrere Instanzen, die die Zusammengehörigkeit und den gegenseitigen Austausch stärken sollen. Da gibt es seit längerem die im Zehnjahresabstand stattfindenden „Lambeth–Konferenzen“ aller anglikanischen Bischöfe, außerdem den „Anglican Consultative Council“, dem Kleriker wie Laien angehören, sowie die Versammlung der leitenden Bischöfe („Primates“).

Nicht zuletzt stehen alle anglikanischen Kirchen in Gemeinschaft mit dem Bischofssitz des englischen Canterbury, dessen jeweiliger Inhaber Ehrenoberhaupt der „Anglican Communion“ ist. Aber auch der Erzbischof von Canterbury hat keine umfassende Jurisdiktion über die anglikanischen Kirchen überall auf der Welt; im Konfliktfall bleiben ihm nur mahnende Worte. Das jüngste Beispiel dafür boten die Überlegungen, die Erzbischof Rowan Williams Ende Juli unter dem Titel „Communion, Covenant and our Anglican Future“ veröffentlichte.

Anlass für die Veröffentlichung war eine Mitte Juli von der alle drei Jahre stattfindenden „General Convention“ der Episkopalkirche der USA verabschiedete Resolution, mit der diese Kirche das von ihr vor drei Jahren beschlossene Moratorium für die Bischofsweihe von (nicht enthaltsam lebenden) Homosexuellen (vgl. HK, November 2007, 554) zur Disposition stellt. 2003 war der in einer homosexuellen Beziehung lebende anglikanische Priester Gene Robinson zum Bischof von New Hampshire geweiht worden. Das führte zu einer Verschärfung der Spannungen sowohl unter den US-amerikanischen Anglikanern (es kam zur Abspaltung der „Anglican Church in North America“ von der Episkopalkirche) wie innerhalb der Anglikanischen Gemeinschaft insgesamt.

In seiner Reaktion auf die jüngste Resolution der Episkopalkirche holt Erzbischof Williams weit aus, indem er ekklesiologische Grundsatzfragen anspricht: Eine Ortskirche, die auf eine neue Frage Antwort geben wolle, müsse in ihre Entscheidungsfindung in irgendeiner Form das Urteil der Gesamtkirche einbeziehen; sonst bestehe die Gefahr, dass sie sich von christlichen Schwestern und Brüdern in anderen Teilen der Welt entfremde.

Wer akzeptiere, dass örtliche und pastorale Faktoren in Bezug auf die Sexualität oder die sakramentale Praxis Vorrang hätten, würde „die Möglichkeit eines globalen Konsenses der anglikanischen Kirchen“ aufgeben. Dann würde man die Anglikanische Gemeinschaft als eine „lose Förderation von örtlichen Gemeinschaften mit einer gemeinsamen kulturellen Vergangenheit“ verstehen, nicht aber als theologisch kohärente Gemeinschaft von christlichen Gemeinschaften.

Die Stellungnahme macht unmissverständlich deutlich, an welcher ekklesiologischen Konzeption für die Zukunft der Anglikanischen Gemeinschaft das Herz des derzeitigen Erzbischofs von Canterbury hängt. Er erwähnt zustimmend den im Gang befindlichen Versuch, die verschiedenen anglikanischen Kirchen auf einen „Covenant“, also auf Regeln und Prinzipien einer verbindlicheren Gemeinschaft zu verpflichten. Es gehe nicht um Zentralisierung, sondern um gegenseitige Verantwortung.

Gleichzeitig ist sich Rowan Williams natürlich bewusst, dass diese Konzeption innerhalb der real existierenden Anglikanischen Gemeinschaft nicht konsensfähig ist und es in absehbarer Zeit auch nicht werden dürfte. Wer diesen Weg nicht mitgehen wolle, dem drohe kein Hinauswurf, heißt es dazu in der Stellungnahme von Ende Juli. Erzbischof Williams deutet vielmehr die Möglichkeit einer „zweifachen ekklesialen Wirklichkeit“ für den Anglikanismus an.

Das wären einerseits eine durch einen „Covenant“ verbundene Anglikanische Gemeinschaft, andererseits mit dieser Gemeinschaft locker verbundene Kirchen in „unterschiedlichen Spielarten gegenseitiger Partnerschaft und Solidarität untereinander und mit zum ,Covenant‘ gehörenden Kirchen“. Es gehe um zwei Wege, auf denen das anglikanische Erbe bezeugt werden könne.

Erzbischof Williams warnt davor, im Blick auf diese mögliche Zukunftsentwicklung in „apokalyptischen Begriffen wie Schisma und Exkommunikation“ zu sprechen. Diese Situation biete vielmehr die Gelegenheit zur Klarheit und zur Erneuerung. Zur Anerkennung unterschiedlicher Zukunftsszenarien für unterschiedliche Gruppen gehöre gegenseitiger Respekt angesichts tief verwurzelter theologischer Überzeugungen.

Sicher ist: Der künftige Weg der Anglikanischen Gemeinschaft bleibt spannend und risikobehaftet. Die Überlegungen von Erzbischof Williams verweisen im Übrigen auf Probleme, die sich auch anderen Kirchen und Konfessionsfamilien auf die eine oder andere Art stellen oder verstärkt stellen werden und verdienen schon deshalb Aufmerksamkeit.

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