Die erste Tagung der neunten Generalsynode der Kirche von England, die Königin Elisabeth II. am 23. November 2010 feierlich eröffnete, fand zu einem für die ökumenischen Beziehungen sensiblen Zeitpunkt statt, nämlich kurz vor der Errichtung eines katholischen „Personalordinariats“ für Anglikaner, entsprechend der Ende 2009 veröffentlichten Apostolischen Konstitution „Anglicanorum coetibus“ (vgl. HK, Dezember 2009, 626). Sechs Bischöfe der Kirche von England haben bisher ihren Übertritt zur katholischen Kirche angekündigt, dazu werden vermutlich etwa 50 anglikanische Geistliche und eine noch nicht zu übersehende Anzahl von Gläubigen kommen. Den Fahrplan für das künftige „Personalordinariat“ für ehemalige Anglikaner, der in Zusammenarbeit mit der römischen Glaubenskongregation vorbereitet wurde, gab die katholische Bischofskonferenz von England und Wales in einer Erklärung vom 19. November 2010 bekannt. Demnach ist geplant, noch im Januar das Dekret zur offiziellen Errichtung des neuen Ordinariats zu veröffentlichen sowie den Namen von dessen Ordinarius gemäß „Anglicanorum coetibus“ bekannt zu geben.
Bekenntnis zum ökumenischen Dialog
Bald danach sei vorgesehen, „die nicht im Ruhestand befindlichen ehemaligen anglikanischen Bischöfe, deren Ersuchen, die Weihe zu empfangen, von der Glaubenskongregation akzeptiert wird“, in der katholischen Kirche zum Diakon und zum Priester zu weihen, damit sie künftig im neuen Ordinariat eingesetzt werden könnten. Im Frühjahr soll dann die Weihe der anglikanischen Ruhestandsbischöfe
erfolgen; etwa gleichzeitig soll für die betreffenden anglikanischen Geistlichen eine „Zeit der intensiven Ausbildung für die Weihe zu katholischen Priestern“ starten. Die Weihe selbst sei für Pfingsten vorgesehen.
Weiter heißt es in der Erklärung der englischen und walisischen Bischöfe, man heiße diejenigen, die in dem künftigen Ordinariat die volle kirchliche Gemeinschaft mit der katholischen Kirche herstellen wollten, herzlich willkommen. Man sei sich gleichzeitig dessen bewusst, „dass die Geistlichen und die Gläubigen, die sich auf diesen Weg des Glaubens gemacht haben, ihre eigenen spirituellen Schätze mitbringen werden“; sie würden damit das spirituelle Leben der katholischen Kirche in England und Wales bereichern.
Zu den anglikanischen Bischöfen, die den Schritt in die katholische Kirche gehen wollen, gehören zwei der drei so genannten „fliegenden Bischöfe“ in der Kirche von England. Diese Bischöfe wurden eingesetzt zur Betreuung von Gemeinden, die die vor Jahren in der Kirche von England eingeführte Ordination von Frauen ablehnen. Dazu kommt der Bischof von Fulham, John Broadhurst (er ist Regionalbischof in der Diözese London). Zwei der konversionswilligen Bischöfe sind schon im Ruhestand. Personalordinariate nach den Regeln von „Anglicanorum coetibus“ werden vermutlich auch in anderen Teilen der Anglikanischen Gemeinschaft entstehen, so in den USA, in Kanada und in Australien. In den USA trafen sich Interessenten Mitte November 2010 zu einer Konferenz in Texas unter dem Motto „Eins werden“. An dem Treffen nahmen etwa 100 Geistliche der amerikanischen Episkopalkirche teil.
In ihrer Erklärung zur Errichtung des Personalordinariats in England bekennen sich die Bischöfe von England und Wales ausdrücklich zur Fortsetzung des „Dialogs mit anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften“. Und das Oberhaupt der Kirche von England, Erzbischof Rowan Williams von
Canterbury, gab kurz darauf in seiner Eröffnungsansprache bei der Generalsynode bekannt, die Planungen für die nächste Runde des offiziellen anglikanisch- katholischen Dialogs entwickelten sich konstruktiv. Williams hatte sich eine Woche zuvor zum 50-jährigen Jubiläum des Päpstlichen Einheitsrats in Rom auf
gehalten und war dabei auch mit Benedikt XVI. zusammengetroffen. Der Erzbischof von Canterbury machte drei Hauptaufgaben für die fünfjährige Amtsperiode der Generalsynode namhaft: Es müsse um das geistliche und zahlenmäßige Wachstum der Kirche von England gehen, einschließlich des Wachsens
ihrer Fähigkeit, der ganzen Gesellschaft zu dienen. Außerdem stehe eine Neuausrichtung des kirchlichen Amtes für das neue Jahrhundert auf der Tagesordnung, mit dem Zweck, das christliche Zeugnis vor Ort zu fördern. Schließlich gelte es, die Ressourcen der Kirche auf diejenigen Bereiche zu fokussieren, in denen die Herausforderungen wie die Chancen am größten seien.
In die Amtsperiode der jetzt neu konstituierten Generalsynode könnte nicht zuletzt die Entscheidung über den Zugang von Frauen zum Bischofsamt in der Kirche von England fallen. Erzbischof Williams mahnte in diesem Zusammenhang die Synode, nicht den grundsätzlichen theologischen Fragen auszuweichen: „Es wäre sehr schade, wenn wir zu unserer endgültigen Entscheidung kämen, ohne vertrauensvoll deutlich gemacht zu haben, warum Frauen im Bischofsamt theologisch gesehen unseren tiefsten Überzeugungen
entsprechen.“ Denjenigen, die sich wegen dieser Frage schon dazu entschlossen hätten, die Kirche von England zu verlassen, gebühre auch weiterhin der Dank für den amtlichen Dienst, den sie in dieser Kirche geleistet hätten
Strukturen für einen Konsens
Auf der Tagesordnung stand diesmal auch das weitere Schicksal des Projekts eines „Anglican Covenant“. Es handelt sich dabei um eine Grundsatzvereinbarung für die Gestaltung der weltweiten Anglikanischen Gemeinschaft, deren Entwurf seit 2007 vorliegt. Diese Vereinbarung umschreibt zum einen die gemeinsamen Glaubensüberzeugungen der Anglikaner, zum anderen geht es um eine größere Verbindlichkeit innerhalb der Gemeinschaft, die auf den bestehenden Strukturen aufbaut.
Der „Covenant“ wird in der Mutterkirche der Anglikanischen Gemeinschaft unterschiedlich beurteilt; das zeigte jetzt auch die einschlägige Diskussion in der Generalsynode. Der Bischof von Bristol, Michael Hill, betonte, auch nach einer Zustimmung zum „Covenant“ bleibe die Autonomie der einzelnen Provinzen der Anglikanischen Gemeinschaft gewahrt: keine Kirche könne eine andere dazu zwingen, eine ordnungsgemäß zu Stande gekommene Entscheidung zu revidieren. John Saxbee, scheidender Bischof
von Lincoln, gab zu Protokoll, der Anglikanismus brauche keinen „Covenant“. Ein empfohlenes Heilmittel könne unbeabsichtigte Folgen haben. Kanonikus Richard Franklin aus Salisbury kritisierte, der „Covenant“ sei ein zu politisches, zu wenig ein theologisches Dokument. Er mache aus der Anglikanischen Gemeinschaft ein Konstrukt.
Gefahr der Auflösung
Erzbischof Rowan Williams hatte schon in seiner Eröffnungsansprache das Projekt „Covenant“ verteidigt: Es gehe dabei weder um die Schaffung einer neuen Orthodoxie oder eines neuen Systems der autoritativen Lehre, noch um eine zentralisierte Autorität. Es sei entmutigend, dass der „Covenant“ nach so intensiven Diskussionen immer noch als ein „Werkzeug der Tyrannei und des Ausschlusses“ betrachtet werde. Mit der gleichen Stoßrichtung argumentierte Williams auch in der Diskussion der Generalsynode.
Beim „Covenant“ gehe es um den Versuch, eine Struktur für einen Konsens zu schaffen und nicht um disziplinarische Maßnahmen.
Schließlich nahm der „Covenant“ die nächste Hürde. Der Antrag, den weiteren Weg zu einer Annahme des „Anglican Communion Covenant“ freizumachen, fand die Zustimmung aller drei Kammern („Houses“) der Generalsynode. Bei den Bischöfen gab es 39 Jastimmen und eine Enthaltung, das „House of Clergy“ stimmte mit 145 Stimmen bei 32 Neinstimmen und 11 Enthaltungen zu, im „House of Laity“ standen 147 Ja 25 Nein und acht Enthaltungen gegenüber. Bevor die Generalsynode sich wieder mit dem Text befassen
und ihn endgültig verabschieden kann, braucht er jetzt die Zustimmung aller Diözesansynoden. Der Erzbischof von Canterbury hatte in der Generalsynode gewarnt, es sei eine Illusion, zu meinen, die Anglikanische Gemeinschaft könne ohne ein bestimmtes Maß an Veränderungen wie gewohnt weitermachen. Man dürfe die schon jetzt reale Gefahr einer „Auflösung der Gemeinschaft Stück für Stück“ nicht ignorieren. Es drohten neue Strukturen, in denen die Beziehungen der Anglikanischen Kirche zur Kirche von England und zum Erzbischofssitz von Canterbury wahrscheinlich keine größere Rolle mehr spielen würden. Wie gefährdet der Zusammenhalt in der Anglikanischen Gemeinschaft ist, wird sich schon beim Treffen der leitenden Bischöfe („Primates“) zeigen, das in diesem Monat in Dublin stattfinden wird. Fünf leitende Bischofe anglikanischer Kirchen in Afrika haben schon im Vorfeld erklärt, sie würden an dem Treffen nicht teilnehmen; mit dem Boykott der Dubliner Zusammenkunft durch weitere leitende Bischöfe aus der südlichen Hemisphäre ist zu rechnen.