„Eine hochtheologische Angelegenheit, die Musik“ – die oft zitierte Sentenz aus Thomas Manns Künstlerroman „Doktor Faustus“ mag einem angesichts einiger Uraufführungen der jüngsten Zeit in den Sinn kommen. Kaum war der Papstbesuch mit viel Musik und neuen Vertonungen des Mottos „Wo Gott ist, da ist Zukunft“ vorbei, kam in Fulda am 5. Oktober beim Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz der Primizspruch des Heiligen Vaters in lateinischer Sprache zur Aufführung. Die Übersetzung lautet: „Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude (Korinther 1,24).“ Der Eichstätter Domkapellmeister Christian Heiß, ein ehemaliger Regensburger Domspatz, hat den Kompositionsauftrag der deutschen Bischöfe klanglich opulent für Chor, Bläser, Pauken und Orgel ausgeführt. Die Partitur wurde Benedikt XVI. bereits bei seinem Besuch in Freiburg überreicht, ein Mitschnitt der Uraufführung wird bald als CD im Vatikan eintreffen.
Wenige Tage nach dieser liturgischen Novität kam es in der Berliner Philharmonie zu einer weiteren Uraufführung, dieses Mal jedoch konzertant und sogar abendfüllend. Unter der Leitung von Sir Simon Rattle, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, erklang am 13. Oktober ein neues Oratorium des britischen Komponisten Jonathan Harvey (geb. 1939) für Sprecher, Chor, Kinderchor und Orchester. Dies allein scheint theologisch kaum relevant, wäre nicht der Inhalt das Projekt „Weltethos“ von Hans Küng, der auch das Libretto verfasst hat.
Harvey hält Musik generell für „die spirituellste aller Künste“. Sein neues chorsinfonisches Werk ist geprägt vom Refrain des Kinderchors „Wir Kinder haben Zukunft, wenn wir immer Menschen bleiben. Menschen mit Vernunft und Herz. Lasst uns Menschen menschlich sein.“ Das musikalisch vielfarbige Werk, das auf Anraten von Küng auf Vokalsolisten verzichtet, greift die ethischen Lehren von sechs religiösen Gestalten auf: Konfuzius über Humanität, Moses und die Goldene Regel, Hindu-Schriften zur Gewaltlosigkeit, Mohammed über Gerechtigkeit, Buddha über Wahrheit und schließlich Jesus über das Miteinander. Vorgespräche zwischen Librettist und Komponist reichen bis ins Jahr 2006 zurück, was angesichts der besonderen textlich-musikalischen Schwierigkeiten im Genre Oratorium, wie sie seit Händel und Haydn, Mendelssohn und Brahms bekannt sind, jedoch keine besonders lange Zeit bedeutet.
Weitere musikalisch-theologische Impulse der letzten Monate wären zu nennen. So etwa die Verleihung des „Preises der Europäischen Kirchenmusik“ im Sommer 2011 beim gleichnamigen Festival in Schwäbisch-Gmünd an den Komponisten und Dirigenten Hans Zender (geb. 1936), der ein besonders sensibler und anregender musikalischer Gesprächspartner für die Theologie ist. Auf seine abendfüllende Komposition des alttestamentlichen Hohenliedes mit dem Titel „Shir Hashirim“ (Lied der Lieder) aus den neunziger Jahren folgen neuerdings die am 4. September 2011 in der Berliner Philharmonie erstmals komplett aufgeführten „Logos-Fragmente“ in neun Sätzen über biblische Verse (Johannesprolog und andere), gnostische Fragmente (Thomasevangelium, Valentinus) und weitere apokryphe Texte, etwa aus Nag Hammadi. Die Besetzung ist mit 32 Vokalstimmen und drei im Raum verteilten Orchestergruppen immens, die musikalischen Schwierigkeiten ebenso. In seinem von altchinesischer Musik inspirierten Tonsystem teilt Zender die Oktave nicht mehr in 12 Teiltöne, sondern in 72, was eine unglaubliche Intonationssicherheit der Interpreten erfordert.
Was sagen solche musikalischen Werke der Fachtheologie? Zunächst sind sie als musikalische Zeitdiagnose für Theologen interessant. Die theologische Relevanz von Musik darf nicht auf Kirchenmusik oder geistliche Musik eingeengt werden. Bereits Monteverdis Opern bringen Entscheidendes über den Menschen zur Sprache und zur Musik-Sprache. Und wenn Karl Barth im gelösten Spiel der Instrumentalmusik Mozarts ein klingendes Sinnbild der Erlösung hört, kann man ihm kaum widersprechen. Doch nicht nur die konzertante Musik ist theologisch relevant. Die Aufmerksamkeit muss sich auch auf Kirchenlieder als Beiträge zur „Intimgeschichte des Christentums“ (Hermann Kurzke) richten. Was Luthers Reformation bedeutet, welches die Züge des katholischen Kirchenbildes im 19. Jahrhundert sind, wie die mystisch getönte Frömmigkeit im Barock klingt oder welche feministischen Gedanken in die Marientheologie des 20. Jahrhunderts eingegangen sind – all dies ist an Liedern nicht nur darstellbar, sondern singend erlebbar.
Einüben des Dialogs bereits in der Ausbildung
Solche Chancen, mit der eigenen Tradition in einen lebendigen Kontakt zu kommen, müssen in der theologischen Ausbildung stärker genutzt werden. Die Zeiten, als eine Vertrautheit auch mit den ästhetischen Ausprägungen des Christentums bei Studierenden noch generell vorausgesetzt werden konnte, sind ohnehin vorbei. Ein Lamento wäre aber fehl am Platz und nützt ohnehin niemandem. In der ästhetischen Ausbildung von Theologen und Kirchenmusikern sind bereits große Fortschritte zu verzeichnen. Vor bald zehn Jahren formulierten die drei Bistümer der Oberrheinischen Kirchenprovinz – Freiburg, Rottenburg-Stuttgart und Mainz – als erste ein verbindliches Curriculum für die musikalische Ausbildung angehender pastoraler Mitarbeiter. Im Gegenzug hat die von der katholischen und evangelischen Kirche verabschiedete Rahmenordnung für das Studium der Kirchenmusik das Gewicht des theologischen und liturgiewissenschaftlichen Unterrichts deutlich erhöht. Zu hoffen bleibt, dass dies quantitativ und qualitativ in den Bachelor- und Master-Studiengängen umgesetzt wird.
Zwei Akzente sind dabei zukunftsträchtig. Zum einen der früh, also schon im Studium praktizierte theologisch-musikalische Dialog, etwa in Form gemeinsamer Lehrveranstaltungen. Warum denn sollen zwei Gruppen, die ihr gesamtes berufliches Leben miteinander kooperieren müssen, diesen Kontakt erst mit dem Berufseintritt beginnen und nicht bereits in der Ausbildung? Das zweite hängt eng hiermit zusammen: Ein Dozieren des jeweils anderen Faches genügt nicht. Vielmehr geht es um das Einüben. Kirchenmusiker brauchen Gehversuche im Feld der Theologie, angehende pastorale Mitarbeiter wiederum brauchen Erfahrungen mit Musik und mit Musikern, wenn die berufliche Zusammenarbeit später gelingen soll.
Seit fünf Jahren trifft sich in der Evangelischen Akademie Hofgeismar der interdisziplinäre Arbeitskreis „Theologische Musikästhetik“ unter der Leitung des emeritierten Oberlandeskirchenrats Klaus Röhring, einem theologischen Gesprächspartner auf dem Gebiet der musikalischen Avantgarde. Komponisten, Theologen, Musikwissenschaftler und Kirchenmusiker diskutieren Werke vornehmlich der Neuen Musik im Blick auf deren theologische Bedeutung. Am Anfang stand die Idee, so etwas wie eine musikalische Variante zu Alex Stocks „Poetischer Dogmatik“ in Angriff zu nehmen (vgl. HK, März 2002, 141 ff.). Könnte man nicht das Credo einmal musikalisch durchbuchstabieren, von der Gregorianik bis zum „Non-Credo“ in der musicalartigen Messe „for Singers, Players and Dancers“ des Multitalents Leonard Bernstein?
Dieser Weg war nicht gangbar, weil die hinter den Werken stehenden geistig-geistlichen Konzepte sich als allzu divergierend erwiesen. Das ist aber kein Nachteil, sondern macht den Reiz eines solchen Unternehmens aus: Im Hören und Diskutieren kristallisiert sich für ein Werk dessen spezifisch geeignete Methodik der musikalisch-theologischen Interpretation erst heraus. Inzwischen liegt mit dem Band „Das Universum im Ohr. Variationen zu einer theologischen Musikästhetik“ (Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2011, mit beiliegender CD der interpretierten Werke) eine Sammlung theologischer Auslegungen zu musikalischen Werken vor.
Weitgehend ausgespart ist die Kirchenmusik. Dafür dominiert geistliche Musik von Olivier Messiaen („L’échange“ aus dem Weihnachtszyklus „Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus“ für Klavier), György Ligeti (Chorstück „Lux aeterna“), Jehan Alain (Orgelwerk „Litanies“) und anderen. Besonders spannend sind die Überlegungen zu nicht explizit geistlichen Werken wie den „Rufen“ für Violoncello und Horn des Komponisten und protestantischen Pfarrers Dieter Schnebel, zu Charles Ives berühmtem Orchesterstück „The Unanswered Question“ und Morton Feldmans Schlagzeugsolo „The King of Denmark“.
Zwischen biblischer Inspiration und Negativer Theologie
Zu einem Gesamtbild runden sich die theologischen Versuche zur Musik derzeit kaum. Schwerpunkte sind bislang neben Johann Sebastian Bach (vgl. Martin Petzoldts theologisch-musikalische Kommentierung des gesamten geistlichen Vokalwerks des Thomaskantors) die berühmten Oratorien des 19. Jahrhunderts wie Felix Mendelssohns Oratorium „Paulus“ (eine Monografie des Tübinger Exegeten Michael Theobald ist angekündigt) oder das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms (Jan Brachmann, Kunst – Religion – Krise. Der Fall Brahms, Kassel 2004). Zu Arnold Schönbergs Oper „Moses und Aaron“ erschien die theologische Dissertation von Marc Kerling. Zu Olivier Messiaen liegt die ausgezeichnete dreibändige Studie von Siglind Bruhn (Edition Gorz) vor, zur Franziskus-Oper des französischen Komponisten, Ornithologen und Organisten auch die Monografie von Aloyse Michaëly (Verlag Stroemfeld), die als Musterbeispiel für die theologisch-musikwissenschaftliche Durchdringung eines großen Werkes des Musiktheaters gelten darf.
Leider fehlen solche Interpretationen für die meisten theologisch ergiebigen Opern aus neuerer Zeit. Genannt seien nur Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ (1957) zum Thema des Martyriums auf ein Libretto nach Gertrud von Le Forts Novelle „Die Letzte am Schafott“ oder Krzysztof Pendereckis „Die Teufel von Loudun“ (1969) nach Aldous Huxley mit dem höchst aktuellen Thema des religiösen Fanatismus.
All diese Werke aus allen Epochen sind „rein“ musikalisch kaum zureichend deutbar, weil die theologischen Implikationen und Inspirationen mit ins Zentrum gehören. Dennoch lässt sich die theologische Botschaft nicht auf einen Nenner bringen. Am zugänglichsten sind wohl die biblisch inspirierten Werke, von der „Vorstellung des Chaos“, mit dem Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ beginnt, über die Grundworte „Amen“ und „Halleluja“ bis zu musikalisch-eschatologischen Perspektiven. Wer die innere Auflösung des Sühnegedankens in der Passionstheologie studieren will, kann dies durchaus anhand von Passionsoratorien des frühen und mittleren 18. Jahrhunderts tun.
Und welches Beispiel zur Krise der Christologie im 19. Jahrhundert wäre klangvoller als das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms, der die Person Jesu „mit Wissen und Willen entbehrt“ und doch von der Bibel nicht loskommt, ja die Bibelverse zu seiner Trauermusik selbst ausgewählt hat und den Theologen in sich „nicht loswerden“ konnte? Auch Musik mit eschatologischer Thematik hat eine lange Tradition bis hin zu komponierten Weltuntergängen. Etwa zwei Dutzend abendfüllende Oratorium, die Mehrzahl aus dem 20. Jahrhundert, widmen sich dem letzten Buch des Neuen Testaments.
Instruktiv ist nicht zuletzt die Wechselwirkung zwischen exegetischer und komponierter Auslegung der Heiligen Schrift. So sind Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach nicht denkbar ohne die Impulse Luthers zur Musik, die „den Text lebendig“ machen soll und mit der Theologie ohnehin verschwistert ist. Das spätere Luthertum wiederum ist nicht denkbar ohne die musikalische Identifikationsfigur Bach. Und Klaus Hubers Oratorium „Erniedrigt – geknechtet – verlassen – verachtet …“ (1982) auf Texte unter anderen von Jesaja und Ernesto Cardenal, um ein neueres Beispiel zu wählen, ist letztlich eine komponierte Befreiungstheologie.
Mystik übt auf Komponisten der Gegenwart einen großen Reiz aus. Bereits 1980 komponierte Hans Zender eine „Meister-Eckhart-Kantate“ für Altsolo und kleines Ensemble (Altflöte, Violoncello, Cembalo) auf mittelhochdeutsche Worte der adventlichen Predigt „Ave, gratia plena“. Wolfgang Rihm folgte 1997 mit einem oratorischen Werk „Maximum est unum“ für Altsolo, zwei Chöre und Orgel, dem das mittelalterliche Gedicht „Granum sinapis“ (Senfkorn) und Texte Eckharts zu Grunde liegen. Im weiteren mystischen Umkreis anzusiedeln sind auch Kompositionen, die eine Nähe zur Negativen Theologie spüren lassen. Am bekanntesten ist wohl György Ligetis Chorstück „Lux aeterna“ (1966) auf Worte der liturgischen Totenmesse. Ligeti findet zu einer neuen Sprach- und Zeitgestaltung, indem er den Text in seine Vokale gleichsam auflöst und so als Musik neu ernst nimmt.
Die nur vordergründig mangelnde Verständlichkeit wird so zum Programm: „Wenn du es verstanden hast, ist es nicht Gott“ (si comprehendis, non est Deus), scheint er mit den Kirchenvätern musikalisch zu sagen. Die Zeit soll in diesem etwa zehnminütigen Werk für 16 Chorstimmen gleichsam still stehen. Keine Taktschwerpunkte sind spürbar, nur scheinbar endloses Fließen, das schließlich transzendierend verschwindet, worauf die Spannung noch sieben weitere Takte in erfühlter und vielleicht erfüllter Stille auszuhalten ist.
Bringt Musik die Lutherdekade in Schwung?
In einem Aspekt immerhin konvergieren ganz verschiedene Musikstile der Gegenwart. Ob Arvo Pärt oder Liedermacher des so genannten Neuen Geistlichen Liedes, ob experimentelle Orgelimprovisation oder evangelikale Lobpreis-Gesänge – einig ist man sich darin, dass Musik eine spirituelle Bedeutung hat, was immer das dann konkret heißen könnte. Aber ist nicht genau hier wiederum die Theologie zur „Unterscheidung der musikalischen Geister“ gefragt? Der Komponist und Dirigent Hans Zender sieht als Kennzeichen neuer spiritueller Musik deren Emanzipation sowohl vom Bereich des Funktional-Liturgischen (Kirchenmusik) als auch von der Wortgebundenheit konzertanter Werke etwa in der Gattung des Oratoriums (geistliche Musik).
Spirituelle Musik braucht also weder einen kirchlichen Kontext noch einen biblischen oder irgendwie religiösen Text. Damit unterläuft sie sogar die traditionelle Unterscheidung weltlich-geistlich. Gerade ihre autonome Weltlichkeit im Sinne „absoluter Musik“ ist der Prüfstein, ob ihr Geistliches gelingt. Hier deutet sich nicht nur ein Bruch mit bürgerlich-musikalischen Konventionen und mit dem neuzeitlichen Subjektivismus an, sondern zugleich ein Brückenschlag zu alten mystischen Konzepten. Wie aber könnten die Konzerte klingen, in denen sich Moderne und Mystik treffen? Das ist eine überaus spannende Aufgabe, auch und gerade für Kirchenmusiker.
Im Jahr 2012 ist die Lutherdekade in ihrer Mitte angelangt, und das nach Ansicht etlicher Musiker nicht nur in zeitlicher Hinsicht. „Reformation und Musik“ heißt das Thema, zu dem bereits ein umfangreiches, von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) herausgegebenes Magazin vorliegt und es im kommenden Jahr viele Konzerte geben wird. Ein „Chorbuch Reformation“ erscheint, und fünf Symposien an geschichtsträchtigen Orten widmen sich Themen wie „Der Protestantismus und die Musik“ (Wittenberg), „Bach als Lutheraner“ (Eisenach) oder „Gottesbilder der Popularmusik“ (Hildesheim).
Als Schwerpunkte des musikalischen Jahres lassen sich bislang zum einen die reformatorische Tradition von Johann Walter, Luthers musikalischem Berater, bis zur kirchenmusikalischen Erneuerungsbewegung des 20. Jahrhunderts mit Namen wie Hugo Distler oder Ernst Pepping erkennen. Zum anderen hat die Popularmusik großes Gewicht, wenn ein neues „Biblisches Pop-Oratorium“ zum Auszug der Kinder Israel aus Ägypten und den Zehn Geboten mit 3000 Sängern aus Gospel-, Kirchen- und Jugendchören in Hannover und in weiteren Großstädten zur Aufführung kommen wird.
Es geht um die theologische Relevanz der Musik
Gefragt werden kann, welche Rolle eigentlich die moderne E-Musik in kirchlichen Kontexten noch spielt. Wo bleibt das Zeitgenössische abseits der gängigen Pfade von Popularmusik? Man kann gespannt sein, wie die Kirchenmusiker und Konzertveranstalter den Ball „Reformation und Musik“ im kommenden Jahr aufgreifen. Möglichkeiten gibt es genug, nicht zuletzt für ökumenisch-musikalisches Engagement: doppelchörige Werke für die katholische und protestantische Kantorei, gegenseitige Einladungen, thematische Konzerte „Luther und die musikalischen Folgen“ und vieles mehr. Kompositionsaufträge wären ebenso denkbar wie Veranstaltungen zur Kirchenmusik- und Kirchenraumpädagogik oder Workshops mit Komponisten, Theologen und improvisierenden Musikern.
Letztlich geht es um die Frage der theologischen Relevanz von Musik. Wenn sie eine „hochtheologische Angelegenheit“ (Thomas Mann) ist, darf sie nicht im Vorfeld von Theologie bleiben. Deshalb ist das Verstehensmodell „Musik und Theologie“ zu schärfen: „Musik als Theologie“. Überholt, wenngleich historisch interessant ist das Konzept „Theologie gegen Musik“ im Sinne musikalischer Bilderstürmerei, wie es sie immer wieder gegeben hat.
Musikalische Werke dürfen als Glaubenszeugnis gehört und verstanden werden, wenn sie „Rechenschaft von der Hoffnung“ (1 Petrus 3,15) geben. Eine solche Betrachtungsweise stellt die musikwissenschaftliche Analyse nicht in Frage, sondern ergänzt sie. Vor allem dann, wenn wirklich die Musik zum theologischen Thema wird und nicht nur der vertonte Text. Nahezu jede theologische Disziplin kann Musik sinnvoll in den Blick nehmen: Bibelauslegung mitsamt künstlerischer Wirkungsgeschichte, Schöpfungs- und Trinitätslehre (Orgelwerke zur Trinität von Bachs drittem Teil seiner „Clavier-Übung“ bis zu Olivier Messiaens „Méditations sur le Mystère de la Sainte Trinité“), Kirchengeschichte und Liturgiewissenschaft. Biblisch-historische, systematische und praktisch-theologische Fragestellungen können an Werke der Musik herangetragen werden. Weil viele Kompositionen sich auch theologischen Impulsen verdanken, können sie selbst zur Inspiration und Quelle für Theologie werden.