Dass der Jesuit Friedhelm Mennekes, zentrale Figur der Begegnung von Kunst und katholischer Kirche hierzulande, zu scharfen Urteilen neigt, ist bekannt. Dennoch, so wird berichtet, soll der Priester und Maler Sieger Köder nachhaltig frustriert gewesen sein, als der Leiter der Kunststation St. Peter in Köln dessen Werk als kirchliche Gebrauchskunst einstufte. Köder ist immerhin neben dem Aachener Diözesanpriester Heribert Falken der bekannteste malende Priester hierzulande.
Wie dem auch sei: Es gehört zur Ironie des Schicksals, dass sich derzeit zwei Entwicklungen kreuzen. Der Versuch, in der Kölner Innenstadtgemeinde St. Peter Räume zur Begegnung mit der modernen Kunst zu schaffen, gerät zum Entsetzen Vieler ins Schlingern, nachdem der charismatische „Kunstagent“ (Mennekes über Mennekes) von Bord gegangen ist. Just zu dieser Zeit werden gleich zwei kleine Museen zu Ehren von Sieger Köder eröffnet.
Im Mai bereits wurde in Ellwangen, dem katholischen Zentrum in Ostwürttemberg, in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Entbindungsstation ein „Sieger Köder Museum“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Und in dem nahegelegenen Dorf Rosenberg, in dem der inzwischen 86-jährige Köder zwei Jahrzehnte lang Pfarrer war, wurde jetzt Anfang Juni vom Rottenburger Weihbischof Thomas Maria Renz ein „Dokumentationszentrum“ eingeweiht.
Das Museum, eingerichtet von der „Sieger-Köder-Stiftung Kunst und Bibel“ präsentiert in einem Dutzend Räumen die farbige, gelegentlich geradezu knallige Kunst Köders. Seine Bilder in der Tradition eines Marc Chagall oder auch eines El Greco sind den Vorbildern entsprechend bunt und ziehen sich auch deshalb den Vorwurf zu, gefällig zu sein.
Köder, der auch in den vergangenen Jahren noch künstlerisch tätig war, hat zudem in den meisten Fällen biblische Szenen gewählt, um seine Bilder zu malen oder Glasfenster zu gestalten – wie sie zwischen den beiden Ausstellungsorten in der Kirche des Wallfahrtsortes Hohenberg, Teil des Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweges, mustergültig zu sehen sind. Kein Wunder auch, dass Köder eine ganze Reihe von Krippen geschaffen oder – wie in der barocken Wallfahrtskirche auf dem Schönenberg – neu gestaltet hat.
Auf der anderen Seite sparen Köders Werke aber auch Tod, Verzweiflung und andere sperrige Themen nicht aus: Das gilt angefangen von den frühen, tristeren Bildern, die die eigenen Erfahrungen von Krieg und Gefangenschaft widerspiegeln – aber auch später, wie etwa beim Misereor-Hungertuch für das Jahr 1996, das von dem Priestermaler gestaltet wurde. Zu seinen bekanntesten Werken zählt das in den siebziger Jahren entstandene „Mahl mit den Sündern“ im Landhaus des römischen Germanikums, der Villa „San Pastore“ in Palestrina unweit von Rom.
Das Dokumentationszentrum der Gemeinde Rosenberg, mitfinanziert vom Land Baden Württemberg, liegt schräg gegenüber der Dorfkirche mit einem Flügelaltar Köders. Das kleine Areal mit moderner Architektur aus Sichtbeton und viel Glas führt in das Werk Köders ein. Es gibt Auskunft über seine künstlerischen Techniken wie über die Biographie des „Malerpfarrers“, der sich erst nach zehn Jahren als Kunstlehrer in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils zu Theologiestudium und Priesterberuf entschlossen hatte. Erläutert werden auch die wichtigsten Themen der Bilder, in denen neben den Gestalten der Bibel Narren und Clowns, aber auch Vogelscheuchen eine dominante Rolle spielen.
Und nicht zu vergessen die Rosen: Zum Dokumentationszentrum gehört auf dem Außengelände ein Bibelgarten, den der Künstler selbst angeregt hat. In der Reihenfolge ihrer Nennung in den Büchern des Alten und des Neuen Testaments werden Sträucher, Blumen, Kräuter und andere Pflanzen, 60 an der Zahl, zu sehen sein – wenn sie denn noch etwas gewachsen sind. In der Mitte der Anlage steht eine größere Köder-Skulptur, deren Leerräume Kreuze bilden.
Sieger Köders bescheidene Selbstvorstellung lautet kurz und knapp: „Ich bin Schwabe, ich bin Pfarrer, ich male Bilder.“ Natürlich gehören seine Bilder nicht zu jenen Werken, die den Kunstmarkt vibrieren lassen. Ihre Verbreitung finden sie weitgehend im kirchlichen Raum. Dort aber ist das Angebot der von Köder illustrierten Druckwerke bis hin zur zum Klassiker gewordenen Bibelausgabe, wie auch an entsprechenden religionspädagogischen Materialien, Schul- und Geschenkbüchern nicht zu überschauen.
Der schwäbische Geistliche mit großer Schaffenskraft steht dazu, dass er mit seinen Bildern die Bibel auslegen und damit „predigen“ möchte, Malen für ihn Mittel der Verkündigung ist. Die Protagonisten des Dialogs von Kunst und Kirche mögen ihn deshalb mit spitzen Fingern anfassen. Die Wirkungsgeschichte, mit der er und seine Bilder, die gewissermaßen zu Ikonen der Nachkonzilszeit geworden sind, Generationen geprägt haben, ist dennoch beeindruckend.
In und um Ellwangen, wo der Stolz auf den „Malerpfarrer“ kaum Grenzen kennt, kann man jetzt nicht nur anhand der ausgestellten Bilder mehr über die Hintergründe des unverwechselbaren Stils von Köder erfahren.