Vor genau 30 Jahren haben die deutschen Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland und nicht zuletzt sich selbst ein ambitioniertes Programm gegeben. In dem am 21. September 1981 veröffentlichten Hirtenwort „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“ erklären sie: „Die Kirche soll Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Frauen und Männern sein.“ Bereits 16 Jahre zuvor heißt es im Dekret über das Laien-apostolat des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Da heute die Frauen eine immer aktivere Funktion im ganzen Leben der Gesellschaft ausüben, ist es von großer Wichtigkeit, dass sie auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolates der Kirche wachsenden Anteil nehmen.“
Diese Einsicht findet ihrerseits Aufnahme in die Erklärung der Bischofskonferenz von 1981: „(Es) bleibt die Aufgabe, dass die Frau in der Kirche noch deutlicher und gerechter in die Verantwortung einbezogen wird, die allen Christen für das kirchliche Leben aufgetragen ist.“ Mit der Einsicht geht eine bemerkenswerte Weitsicht einher: „Es ist ein Irrtum zu meinen, es ginge nur um die Probleme der Frauen beziehungsweise um ein Mehr an Mitverantwortung und Mitwirkung der Frauen. Es geht um die gemeinsame, partnerschaftliche Verantwortung und Mitwirkung von Männern und Frauen in der Kirche.“ Weiter heißt es: „Auf dem Weg zu einer Partnerschaft in allen Lebensbereichen wird ein Prozess in Gang gesetzt (…). Männer, aber auch Frauen, müssen dabei Vorrangstellungen und Privilegien aufgeben, neue Verantwortung übernehmen, von manchen Absicherungen ihres Status Abschied nehmen. Das wird kein leichter und bequemer Weg sein. Neue, flexible Aufgabenverteilungen in Familie, Beruf, Gesellschaft und Kirche wollen eingeübt werden (…).“
Vorsichtig formuliert: Es besteht weiterhin Übungsbedarf. Schärfer formuliert: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Damit Frauen in kirchlichen Leitungspositionen nicht unterrepräsentiert bleiben, müssen die Forderungen Umsetzung in der Praxis finden, müssen vor allem die Verantwortlichen in der Kirchenleitung ihre „neue Verantwortung übernehmen“. Strukturelle und personelle Veränderungen sind notwendig – in Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche.
Dabei ist es nicht etwa so, dass das Programm des Hirtenwortes ungehört verklungen wäre. Ganz im Gegenteil ist insbesondere seit dem Jahrtausendwechsel geradezu eine „Frauenforderwelle“ zu verzeichnen. In den Jahren 2002, 2005 und 2009 wurde im Auftrag der Pastoralkommission auf Einladung der Unterkommission „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ der Deutschen Bischofskonferenz die Frage nach Frauen in kirchlichen Leitungspositionen in verschiedenen Facetten von Vertretern und Vertreterinnen aus Theologie, Politik und Geschlechterforschung, von Praktikerinnen und Bischöfen diskutiert (vgl. HK, Juli 2005, 352 ff.). 2006 griffen auf Initiative der Referate für Frauenseelsorge die Seelsorgeämter der Bistümer Hildesheim, Osnabrück und Hamburg das Thema Frauen in Leitungspositionen mit einer Tagung auf. Informationen, Argumentationen und Erfordernisse wurden dokumentiert, damit mit ihnen dezentral weitergearbeitet werden kann (unter anderem: Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz [Hg.]: Geschlechtergerechtigkeit in Beruf und Familie für Frauen in verantwortlichen Positionen in der Kirche. Dokumentation der Fachtagung am 17./18. März 2005 in München, Bonn 2005; Annette Burchardt / Julie Kirchberg / Barbara Viehoff [Hg.]: Kirche – Modell für ein gleichwertiges Miteinander von Männern und Frauen?! Dokumentation der Kooperationstagung der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück am 14./15. September 2006 in Hamburg).
Das Kirchenrecht eröffnet viele Möglichkeiten
Die schockierende Aufdeckung sexualisierter Gewalt innerhalb der Kirche war Anlass einer zweiten „Frauenforderwelle“, insbesondere für einige Bischöfe und Verantwortliche in leitenden Positionen. So erklärte etwa der Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode, im Juni 2010, ein „miefiges Klima“ mit vielen Tabus habe den Missbrauch in der Kirche begünstigt. In Zukunft müsse „alle Verantwortung, Autorität und Macht eine dienende Funktion“ haben. Jeglicher Klerikalismus verbiete sich radikal. Stattdessen sei ein neues Miteinander zwischen Priestern und Laien nötig sowie die stärkere Beteiligung von Frauen an Entscheidungen (vgl. HK, September 2010, 447 ff.).
Andreas Tapken, ehemaliger Regens des Priesterseminars Münster, diagnostizierte auf dem Seelsorgertag zum Thema „Sexueller Missbrauch durch Geistliche“ am 14. Juni 2010 in Münster: „Im katholischen Kontext könnte die besondere Beziehung des Bischofs zu den Priestern und der Priester zuei-nander eine entscheidende Rolle spielen. Der neue Provinzial der Jesuiten Stefan Kiechle hat auf die in sich geschlossenen Kommunikationsstrukturen und auf männerbündisch-klerikale Strukturen hingewiesen. Es wird uns gelingen müssen, ohne den Wert echter Mitbrüderlichkeit aufs Spiel zu setzen, mehr Transparenz zu verwirklichen und für klare Kommunikationsstrukturen zu sorgen. Vielleicht gilt es auch hier, einige lieb gewonnene klerikale Selbstverständlichkeiten loszulassen, und zum Beispiel die Priester und Laien in den Gemeinden und auf Bistumsleitungsebene besser für die Zusammenarbeit zu qualifizieren und die Präsenz von Frauen in Leitungsaufgaben und -gremien zu stärken“ (kirchensite.de/aktuelles/bistum-aktuell/bistum-aktuell-news/datum/2010/06/14/erst-am-beginn-des-verstehens/).
Die meisten Frauen in leitenden Funktionen gibt es im Bereich Recht und Kirchenrecht
Die Notwendigkeit von mehr Frauen in leitenden Positionen ist Ebenen-übergreifend offenbar. Und die kirchenrechtlichen Möglichkeiten sind weitgehend. Zahlreiche Funktionen stehen Laien/Frauen offen, nur nicht jene, die mit der Weihe und der „Potestas regiminis“, der kirchlichen Leitungsvollmacht verbunden sind. In der Diözesanverwaltung sind das: Generalvikar, Bischofsvikar, Offizial, Vizeoffizial.
Auf dem Wege der Delegation und der Ämterverleihung können Laien allerdings an der Ausübung geistlicher Vollmacht beteiligt werden (c. 129 § 2 CIC). So können Laien/Frauen beispielsweise als Kanzler/-in, Notar/-in, Ökonom/-in, (Kirchen-)Anwält/-in und Diözesanrichter/-in arbeiten (vgl. Beatrix Laukemper-Isermann / Reinhild Ahlers: Ämter und Dienste auf Bistumsebene, die mit Laien besetzt werden können. Gutachterliche Äußerung, in: Frauen in verantwortlichen Positionen, 103–105).
Darüber hinaus können zahlreiche vom Kirchenrecht nicht geregelte leitende Funktionen prinzipiell von Laien/Frauen übernommen werden, nicht zuletzt weil der CIC von 1983 ausdrücklich die vom Zweiten Vatikanum gelehrte Teilhabe aller Gläubigen an den drei „Munera Christi“ – also auch am Dienst der Leitung – aufnimmt. In der Diözesanverwaltung können Laien/Frauen hauptberuflich (Haupt-)Abteilungen, Referate und Stabsstellen leiten, darüber hinaus natürlich Bildungshäuser, kirchliche Schulen und (Fach-/Hoch-)Schulen sowie sozialkaritative Einrichtungen et cet. im Ehrenamt Verbände (auf Bundesebene vielfach hauptberuflich), Vereine, Räte und andere. Nicht zu vergessen die „geistliche Verbandsleitung“ durch Laien.
Dennoch sind Frauen in leitenden Positionen – vor allem in der Diözesanleitung und - verwaltung – nach wie vor Einzelfälle. Die Organigramme der (Erz-)Bistümer sprechen eine deutliche Sprache. Allerdings ist es aufgrund der unterschiedlichen Strukturen, Zuordnungen, Ausstattungen und Nomenklaturen in den Ordinariaten und wegen differierender Definitionen dessen, was eine leitende Position ausmacht, kaum möglich, vergleichbare Zahlen zu nennen.
Im Jahr 2004 hat eine Arbeitsgruppe des Bereichs Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz exemplarisch in vier Diözesen Zahlen erhoben mit Konzentration auf die bischöflichen Ordinariate, den kirchlichen Bildungs- und Medienbereich. Danach lag der Frauenanteil in den Ordinariatsräten oder entsprechenden Gremien des Ordinariats bei 4,9 Prozent. Eine Leitungsfunktion gegenüber Mitarbeiter/-innen nahmen nach den Angaben der vier Diözesen 13,5 Prozent Frauen wahr. 23,2 Prozent Frauen hatten die „sachliche und inhaltliche Zuständigkeit für die Gestaltung eines Teilbereichs“ inne. In den Leitungen regionaler katholischer Bildungswerke wurden von drei Diözesen insgesamt 23 Leitungspersönlichkeiten, davon 21 Männer und zwei Frauen, angegeben.
Hinsichtlich des Medienbereichs wurde unter anderem verzeichnet, dass vier Männer und eine Frau in bistumseigenen Verlagen eine leitende Position innehaben und dass unter den Redaktionen der Kirchenzeitungen von neun Beschäftigten drei Frauen sind (zu allen Angaben: Gertrud Casel / Ottmar John / Hildegund Keul / Andreas Ruffing: Frauen in verantwortlichen Positionen in bischöflichen Ordinariaten und diözesanen Einrichtungen. Exemplarische Erhebung des Ist-Zustandes. Auswertung des Rücklaufs aus vier Diözesen, in: Frauen in verantwortlichen Positionen, 75–80).
Im Februar 2011 schreibt der Journalist Hubertus Büker, unter den Redaktionsleitern der deutschen Bistumszeitungen finde sich momentan keine einzige Frau. „Die Seelsorgeämter (…) werden zu gut 80 Prozent von Priestern geleitet; unter den wenigen Laien ist nur eine Frau. Dagegen werden fast zwei Drittel der Schulabteilungen von Laien geführt, darunter drei Frauen. Der Anteil der Laien unter den Finanzchefs der Diözesen liegt gar bei 80 Prozent; es handelt sich, mit zwei Ausnahmen, fast ausschließlich um Männer“ (vgl. www.kirchenbote.de/news/news.php?kat=20&nid=4714&eid=385).
Einfach zu wenig Bewerbungen von Frauen?
Schwierigkeiten hinsichtlich der unterschiedlichen Strukturen und Nomenklaturen in Rechnung gestellt, lässt sich nach den Angaben auf den aktuellen Homepages der deutschen Bistümer sagen: In einem Drittel aller deutschen (Erz-)Bistümer findet sich keine Frau auf oberer Führungsebene (Hauptabteilungsleitung beziehungsweise entsprechend) in der Diözesanverwaltung. In den weiteren zwei Dritteln der deutschen (Erz-)Bistümer sind zumeist eine oder zwei Frauen auf dieser Ebene tätig, in einem Fall drei. Die meisten Frauen in leitenden Funktionen gibt es im Bereich Recht / Kirchenrecht. Es folgen die Bereiche Personalentwicklung, Bildung / Schule und Finanzen / Verwaltung, dann Bau, Caritas, Personal / Aus- und Weiterbildung sowie Grundfragen. Einzelne Frauen sind in den Bereichen Pastoral, Orden und Kinder / Jugend / Familie leitend tätig.
Was die Beschäftigung in Voll- und Teilzeit angeht, so hält die Studie von 2004 fest: „In den befragten Diözesen ist Teilzeittätigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verantwortlichen Positionen kaum vorhanden.“ Weiter heißt es: „Betrachtet man die absoluten Zahlen, sind in allen Ordinariaten (…) deutlich mehr Väter in verantwortlichen Positionen beschäftigt als Mütter.“
Zuletzt fragte die Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz im Auftrag der Unterkommission „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ im Rahmen einer Untersuchung der Seelsorgeämter / Hauptabteilungen Pastoral auch nach Frauen in hauptberuflichen kirchlichen Leitungspositionen. Der Rücklauf erfolgte bis Mai 2011. Auch diese Erhebung stößt an die Grenzen der unterschiedlichen Definitionen von „leitender Position“, bestätigt voraussichtlich aber auch die deutliche Unterrepräsentanz von Frauen in verantwortlichen Positionen der Bistümer.
Woran es liegt? Der Leiter der Personalabteilung eines deutschen Bistums wirkt ratlos: Man würde ja gern mehr Frauen auch auf höheren Ebenen einstellen, aber es gebe einfach keine Bewerbungen. Damit ist ein Symptom beschrieben, nicht aber die Ursachen. 1992 haben Christiane Bender, Professorin für Soziologie an der Universität der Bundeswehr Hamburg, und ihre Mitarbeiter/-innen für die Diözese Rottenburg-Stuttgart Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in oberen -Leitungsebenen erhoben (vgl. Christiane Bender / Hans Graßl / Heidrun Motzkau / Jan Schuhmacher: Machen Frauen Kirche? Erwerbsarbeit in der organisierten Religion, Mainz 1996).
Die für hohe Leitungsebenen nicht nur, aber auch in der Kirche übliche Rekrutierungspraxis und geschlechtsspezifische Segregation behindert, so die Studie, die Besetzung von Leitungsämtern mit Frauen. Selbst wenn Stellen auf hoher Leitungsebene ausgeschrieben werden, so werden doch nicht selten mögliche Bewerber und Bewerberinnen auf unterer Leitungsebene ausgewählt und direkt angesprochen. Aber bereits auf der unteren Leitungsebene gibt es nur wenige Frauen. Die Studie aus Rottenburg-Stuttgart zeigt, dass die Inhaber von Positionen in der oberen Leitungsebene Positionen der unteren Leitungsebene bevorzugt mit Inhaber/-innen von typischen „Männerberufen“ besetzen, und das sind eben meistens Männer.
Hinzu kommt, dass in die Phase des möglichen Aufstiegs in eine untere Leitungsposition möglicherweise auch die Familiengründung fällt und sich damit – anders als bei Männern, trotz aller politischen Bemühungen und Behauptungen – aus Perspektive der Frauen und/oder des Arbeitgebers ein Aufstieg ausschließt. Nicht zufällig ist ein Großteil jener Frauen, die es in eine hohe kirchliche Leitungsposition geschafft haben, unverheiratet und kinderlos.
Damit in Zusammenhang steht, dass in Bistumsverwaltungen Leitungsfunktionen kaum in Teilzeit angeboten werden. Dem gegenüber stehen aber viele Frauen mit Interesse an Teilzeitbeschäftigung auf Grund ihrer Doppelorientierung auf Familien- und Erwerbsarbeit. Diese Doppelorientierung ist mit-unter sogar zusätzlich motiviert durch das katholische Frauen- und Familienbild, wird aber bei Interesse an einer leitenden Funktion zur Achillesferse, wird sie als fehlende Karriereambition interpretiert.
Gründe für fehlende Bewerbungen von Frauen für Leitungsfunktionen konnte Bender auch bei den Frauen selbst mit Blick auf die Organisation erheben. Interessierte Frauen antizipierten sich selbst als isolierte Außenseiterin innerhalb einer Männerdomäne, befürchteten den Ausschluss aus bereits langjährig bestehenden Netzwerken von Priestern und vermuteten, gezwungen zu sein, den Minderheitenstatus durch überdurchschnittliche Kompetenz ausgleichen zu müssen. Ihnen fehlten Rollenbilder und sie monierten eine fehlende Personalpolitik für Laien.
Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Grund für die Unterrepräsentanz von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen nannte schon vor Jahren Kardinal Karl Lehmann: Es sei wichtig, dass die Bischöfe zu einem lebendigen Austausch über -Erfahrungen kommen, die einzelne Diözesen mit Frauen in hohen Verantwortungspositionen gemacht haben. Die Erfahrungen von Rottenburg, von Osnabrück und Innsbruck sollten mitgeteilt und bekannt gemacht werden. „Denn Ängste können vor allem dadurch abgebaut werden, dass Erfahrungen ausgetauscht und wahrgenommen werden“ (zitiert nach Bischof Joachim Wanke“: Schlusswort auf der Tagung „Geschlechtergerechtigkeit in Beruf und Familie für Frauen in verantwortlichen Positionen in der Kirche“).
Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder explizite Frauenförderung
Die verschiedenen Ursachen für die geringe Zahl von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen verlangen nach Selbstkritik vor allem auf Arbeitgeberseite und nach konkreten Maßnahmen – entsprechend der Aufforderung im gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialwort der beiden großen Kirchen in Deutschland „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ von 1997: „Insbesondere sind Maßnahmen zu unterstützen, die den Anteil der Frauen in Entscheidungspositionen im Bildungswesen und in den Medien, in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sowie in der Kirche erhöhen.“
Was wird bereits getan, insbesondere seitens der Diözesen, für mehr Frauen in Leitungspositionen? Einige (Erz-)Bistümer haben sich bereits oder unterziehen sich aktuell dem so genannten Audit-Verfahren „Beruf und Familie“ der Hertie-Stiftung: so beispielsweise Rottenburg-Stuttgart, Osnabrück, Münster, Würzburg und Hildesheim. Dieses Verfahren nimmt in erster Linie die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Blick, aber mancherorts wurden im Zuge des Audit-Verfahrens Arbeitsgruppen zur Förderung von Frauen in leitenden Positionen eingerichtet.
Eine Internetrecherche, ergänzt um Angaben von der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, zeigt: Insgesamt gibt es offenbar mehr Aufmerksamkeit und mehr Maßnahmen in den Bistümern für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als für Frauenförderung: Knapp die Hälfte aller deutschen Bistümer hat sich dieses Thema ausdrücklich zur Aufgabe gemacht. Ordnungen beziehungsweise Richtlinien, die explizit die Förderung von Frauen in leitenden Funktionen forcieren, sind nur in 30 Prozent der deutschen Bistümer vorhanden und stammen vorwiegend aus den Jahren 2005/06, so beispielsweise in Bamberg, Freiburg, Speyer und Passau. Maßnahmen sind unter anderem der ausdrückliche Hinweis bei Stellenausschreibungen auf die erwünschte Erhöhung des Frauenanteils, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, Stellenteilung, auch bei leitenden Positionen, Trainings für Führungskräfte, Weiterbildungen durch interne oder auch externe Anbieter/-innen. Solche Frauenfördermaßnahmen gibt es darüber hinaus nur in wenigen Bistümern ohne eine entsprechende Ordnung.
Für die institutionelle Verankerung und Sicherung von Gleichstellung und Frauenförderung sorgen in einem Drittel aller (Erz-)Bistümer Gleichstellungsbeauftragte. Als erstes Bistum richtete 1996 Limburg die Stelle einer Frauenbeauftragten (später „Gleichstellungsbeauftragte“) ein, im selben Jahr folgte Rottenburg-Stuttgart; weitere gibt es – mit unterschiedlicher Zuordnung (etwa zur Mitarbeitervertretung oder zum Generalvikar) und unterschiedlichem Stellenumfang – zum Beispiel in Hildesheim, Speyer, Bamberg, Freiburg, München-Freising, Rottenburg-Stuttgart, Würzburg und Aachen. Ihre Aufgaben sind unter anderem die Mitarbeit in der Personalentwicklung / in Einstellungsverfahren, das Angebot von Informationsveranstaltungen zum „Gender Mainstreaming“ und von Weiterbildungsmaßnahmen für Personalverantwortliche, die Umsetzung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Entwicklung und Durchführung von „Kontakthalte-Programmen“ etc.
Gewiss ist die Rolle von Gleichstellungsbeauftragten ambivalent, wird sie reduziert auf immer gleiche Nachfragen oder von anderen Verantwortlichen genutzt, um sich selbst von der Sensibilität und Zuständigkeit für Gleichstellung zu entbinden. Allerdings können die vielfältigen Aufgaben, die mit dem Ziel Gleichstellung / Frauenförderung verbunden sind, nicht „nebenbei“ geleistet werden und erhalten durch die Gleichstellungsbeauftragten eine personifizierte Präsenz. Darüber hi-naus gibt es in knapp der Hälfte aller (Erz-)Bistümer Frauenkommissionen, die sich fast immer auch Gleichstellung und Frauenförderung zum Thema machen, allerdings nur beratende Funktion haben.
Eine wichtige und besonders von Frauen aus diözesanen Einrichtungen geschätzte und genutzte Maßnahme stellt die Weiterbildung „Führen und Leiten. Weiterbildungskurs für Frauen in verantwortlichen Positionen der Katholischen Kirche“ dar; sie wurde konzipiert von der Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Hildegund Keul, im Auftrag der Unterkommission „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ als eine Reaktion auf die Forderungen und Erkenntnisse aus den Tagungen in Schmerlenbach und München 2002 und 2005.
30 Frauen haben – teilweise gefördert und finanziert von diözesanen Einrichtungen – den inzwischen zwei Mal (2007/08 und 2010/11) in je vier Modulen durchgeführten Kurs besucht (vgl. unter anderem Ralph Bergold / Hildegund Keul [Hg.]: Führen und Leiten. Weiterbildungskurs für Frauen in verantwortlichen Positionen der Katholischen Kirche. Evaluation, Bad Honnef 2009). Hinzu kommen die Fortbildungsangebote der Verbände, beispielsweise der „Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands“ (kfd) vor allem auf Diözesanebene für Frauen in ehrenamtlichen Leitungspositionen und in der geistlichen Leitung / Begleitung. Die bereits laufenden Maßnahmen zeigen, was unter anderem möglich und nötig ist, um mehr Frauen in leitende Funktionen in der Kirche zu befördern. Dabei fehlt es nicht an kompetenten, hochqualifizierten Frauen; die Fortbildungsangebote signalisieren ein professionelles Interesse an Weiterbildung. Beratung zur beruflichen Weiterentwicklung und gezieltes „Mentoring“ beispielsweise durch Frauen und Männer in leitenden Positionen sind zweckdienliche Maßnahmen für Frauen mit Interesse an Leitungspositionen. Für die erwünschte positive Entwicklung braucht es aber vor allem auch auf Seiten der Kirchen-/Bistumsleitung beziehungsweise der Verantwortlichen für Personal Bewusstseinsbildung und gezielte Weiterbildung zu Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in christlicher Perspektive und zu den Prinzipien des „Gender Mainstreamings / Diversity Managements“.
Die Kirche sollte eine Vorbildfunktion wahrnehmen
Gegenüber solchen „bottom-up“-Maßnahmen sind auch „top-down“-Maßnahmen nützlich und notwendig. Damit sind zum Beispiel Selbstverpflichtungen der Bistümer gemeint, mit Blick auf die Ordinariate, aber natürlich auch darüber hinaus. Frauenförderpläne mit konkret beschriebenen und überprüfbaren Zielen und Zahlen machen die gemeinsame Aufgabe im Bistum transparent und befördern die gewünschte Entwicklung. Magdalena Bogner, ehemalige Vorsitzende der kfd auf Bundesebene, hält auch eine Frauenquote für ein probates Mittel: „Auf dem Hintergrund der biblischen Aussage, dass Männer und Frauen gleichwertig sind und Mann und Frau zusammen Abbild Gottes sind nach Genesis 1,27, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Kirche hier sogar eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen müsste: in die Führungsetagen ihrer eigenen Organisation Männer und Frauen in der gegenseitigen Ergänzung, die sie sie ja bilden, hineinzunehmen und da stärker Frauen zu positionieren. Da kann ich mir gut vorstellen, dass noch vieles in Richtung Quote passieren könnte und müsste“ (www.domradio.de/aktuell/71135/mit-druck-zum-vorbild.html).
In der evangelischen Kirche gilt seit der Synode 1989 eine Frauenquote von 40 Prozent. Das Ziel wurde nicht erreicht, stellte die Referentin für Chancengleichheit im Kirchenamt der EKD 2010 fest. So wirkte das Instrument „Frauenquote“ zwar nicht in ausreichender Weise selbst disziplinierend, macht aber die Umsetzungsdefizite und Aufgaben offenbar.
Angesichts der Dringlichkeit der Aufgabe ist auch auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz an eine Selbstverpflichtung zu denken. Denn dringlich ist die Aufgabe, das machen die Forderungen auf und seit dem Zweiten Vatikanum deutlich, die Tagungen und Bekundungen im vergangenen Jahrzehnt und schließlich die selbstkritischen Rufe nach Frauen in leitenden Positionen mit Blick auf sexualisierte Gewalt im Raum Kirche. Diese Forderungen hatten unterschiedliche Anlässe und Motive. Dass, wie zuletzt, eine kritische Situation zum Anlass wird, mehr Frauen in Führungspositionen zu fordern, korrespondiert mit den Ergebnissen einer sozialpsychologischen Studie aus dem Jahr 2010, dass Unternehmen leitende Positionen eher „in Zeiten der Krise“ mit Frauen besetzen würden (Susanne Bruckmüller / Nyla R. Branscombe, The glass cliff: When and why women are selected as leaders in crisis contexts, in: British Journal of Social Psychology 49 [2010], 433– 451). Ist die kritische Situation der Anlass, so darf sie jedoch nicht der Grund für mehr Frauen in kirchlichen Leitungspositionen sein.
Was aber sind die zentralen Gründe für mehr Frauen in kirchlichen Leitungspositionen? Zunächst einmal geht es um die Anerkennung und Nutzung von Kompetenzen und Ressourcen – mit den Worten von Daniela Engelhard, Seelsorgeamtsleiterin im Bistum Osnabrück: „Frauen mehr Macht zu geben heißt, ihnen einen umfassenderen Dienst zu ermöglichen, ihre Charismen und Begabungen noch mehr zu nutzen für das Wirken der Kirche in der Welt, für die ‚Wertschöpfung‘ der Kirche“ (vgl. Lebendige Seelsorge 2 (2008), 100–104, 103 f.). Damit einher gehen Erfahrungen aus dem Bereich des so genannten „Diversity Managements“: Studien belegen, dass Unternehmen mit hoher Heterogenität auf der Entscheidungsebene innovativer und kreativer arbeiten. In der gegenwärtigen Situation kann die Kirche Innovation und Kreativität zweifelsohne gut gebrauchen.
Ganz zentral geht es schließlich um einen Auftrag und einen Selbstausdruck der Kirche: um die Realisierung der Forderung des Laiendekretes „Apostolicam actuositatem“, um die Ermöglichung, dass Frauen wachsenden Anteil am Apostolat der Kirche nehmen. Es geht um die Entsprechung der Forderung der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes“, dass „jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion überwunden und beseitigt werden (muss), da sie dem Plan Gottes widerspricht.“ Damit geht es um Glaubwürdigkeit und vor allem um Gerechtigkeit.
Hier liegt eine große Aufgabe für die Kirche, will sie ihren eigenen, im Konzil so klar formulierten Ansprüchen gerecht werden und nicht zuletzt „Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Frauen und Männern sein.“