Neue Pfingstkirchen in SüdafrikaStrebsam und gemeinschaftsorientiert

Auch in Südafrika nimmt in der vielfältigen religiösen Landschaft die Bedeutung neuer pfingstlich-charismatischer Kirchen zu. Wie jetzt eine groß angelegte Untersuchung zeigt, sind die Anhänger dieser Kirchen nicht nur hoch religiös, sondern legen auch viel Wert auf Aufstieg und Leistung. Sie bilden ein beträchtliches Potenzial im Post-Apartheid-Südafrika.

Weltweit nimmt die Zahl der Anhänger neupfingstlicher beziehungsweise charismatischer Kirchen zu – so auch in Südafrika. Hier trat diese Entwicklung später ein als in den anderen Ländern Afrikas, obwohl die zweite Welle der charismatischen Erneuerung seit den sechziger Jahren ebenfalls ihren Weg ans Kap gefunden hatte. Von ihr angesprochen fühlte sich nämlich fast ausschließlich die weiße Bevölkerung in den so genannten Mainline Churches. Hier fanden sich charismatische Erneuerungsbewegungen, die ihre Kirchen von innen zu verändern suchten. Die schwarze Mehrheitsbevölkerung hingegen blieb größtenteils der wachsenden Zahl der Afrikanischen Unabhängigen beziehungsweise Afrikanischen Initiierten Kirchen und den alten Pfingstkirchen, etwa der „Apostolic Faith Mission“ oder der „Assembly of God“, die mit der ersten pfingstlichen Erneuerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ans Kap gelangt waren, treu oder trat zu ihnen über.

Ein anderer – kleinerer – Teil gehörte zu den Gläubigen der Mainline Churches. Das waren die Kirchen, die zusammen mit Siedlern aus Europa seit dem 17. Jahrhundert ihren Weg an die Südspitze Afrikas gefunden hatten, sowie ihre Abspaltungen für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, und die Kirchen, die von europäischen oder amerikanischen Missionaren gegründet worden waren. In erster Linie sind dies die reformierten Kirchen unterschiedlicher Ausprägung, die anglikanische Kirche, Methodisten, Lutheraner und nicht zuletzt die katholische Kirche. Erst mit dem Ende der Apartheid in den neunziger Jahren erstarkten in allen Bevölkerungsgruppen – insbesondere in den Städten – charismatische/pfingstlerische Kirchen.

Die Pfingstkirchen bieten spirituellen und sozialen Zusammenhalt

Im Auftrag der Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz wurde eine Studie über die sich verändernde Kirchenlandschaft in Südafrika durchgeführt. (An der Studie unter der Leitung von Helga Dickow waren Petra Bauerle [Arnold-Bergstraesser-Institut, Freiburg] und Valerie Møller [Institute of Social and Economic Research, Rhodes University, Südafrika] beteiligt. Theodor Hanf stand beratend zur Seite.) Insbesondere die Einstellungen der Mitglieder der neuen Pfingstkirchen zu Politik und Gesellschaft im Post-Apartheid-Südafrika, ihre Religiosität, ihr religiöses Selbstverständnis und ihr soziales Engagement im Vergleich zu den Gläubigen anderer Kirchen standen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses.

Gespräche mit Kirchenführen und Experten, Teilnahme an Gottesdiensten und anderen kirchlichen Veranstaltungen ermöglichten eine erste Annäherung an Geistliche und Kirchenmitglieder. Außerdem wurden zwei Befragungen in Südafrika durchgeführt: eine repräsentative Stichprobe unter der gesamten Bevölkerung des Landes und damit unter Mitgliedern aller Religionsgemeinschaften sowie eine zweite in einem Prototyp einer neuen charismatischen Kirche, der „Grace Bible Church“ in Soweto.

Die Pfingstbewegung entzieht sich einer strengen typologischen Kategorisierung. Für Theologen scheint es schwierig, für Politikwissenschaftler fast unmöglich zu sein, Pfingstkirchen, charismatische Kirchen oder gar evangelikale Kirchen genau zu definieren und voneinander abzugrenzen. Die „World Christian Encyclopedia“ spricht von „Spirit Churches“ und fasst unter diesem Begriff die Pfingstkirchen zusammen. Eine Untersuchung des Pew Forums aus dem Jahre 2006, die das charismatische/pfingstlerische Christentum zum Inhalt hatte, unterscheidet zwischen Pfingstkirchen und Charismatikern nach religiöser Verfasstheit und eigenem Selbstverständnis.

In der Studie für die Bischofskonferenz wird zum einen unterschieden zwischen Alten und Neuen Pfingstkirchen, die auf die verschiedenen charismatischen/pfingstlerischen Erneu-erungsbewegungen zurückgehen und die sich auch, wie festgestellt werden konnte, anhand der Sozialdaten erheblich unterscheiden. Zum anderen wurde auch gezielt auf die eigene Einordnung der Befragten zurückgegriffen und auf das Erlebnis der Wiedergeburt. Damit konnten auch diejenigen unter den Charismatikern erfasst werden, die einer der Mainline Churches und nicht einer Pfingstkirche angehören. Neben der Zuordnung zu Religionsgemeinschaften zählt so in der Studie das Erweckungserlebnis der Wiedergeburt als Kriterium der Zugehörigkeit zur Pfingstbewegung.

Fasst man die Erkenntnisse aus den Gesprächen mit charismatischen/pfingstlerischen Kirchenführern zusammen, lässt sich Folgendes festhalten: Die Kirchen bieten ihren Mitgliedern im neuen Südafrika ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer Geschichte im Apartheid-Südafrika spirituellen und sozialen Zusammenhalt. Sie kennen keine Rassenschranken, die Vergangenheit ihrer Mitglieder spielt für sie keine Rolle. Ein dichtes Netz an kirchlichen und sozialen Aktivitäten stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Eine enge Bibelexegese dient als Grundlage für den Gottesdienst, für das Leben im Alltag und für Einflussnahme auf die Politik. Neben den für Pfingstkirchen typischen Merkmalen wie die Betonung des Heiligen Geistes, von Glossolalie und Geistheilung weisen sie eine breite Offenheit auf und legen sich theologisch nicht unbedingt fest.

Gottesdienste sind perfekt durchorganisierte Großveranstaltungen, die mit großem ehrenamtlichem Engagement vieler Gemeindemitglieder durchgeführt werden. Hier erhalten vor allem junge Menschen die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und Verantwortung zu übernehmen – eine Möglichkeit, die ihnen in den Mainline Churches oft nicht gegeben wird. Flache Hierarchien innerhalb der Kirchen und der direkte Zugang zu Gott sowie das unmittelbare persönliche Verhältnis zu ihm werden betont. Großes Gewicht kommt der Person des Kirchengründers beziehungsweise des Kirchengründers und seiner Ehefrau zu, der zusammen mit einem von ihm ernannten Rat von zwölf Mitgliedern – in Anlehnung an die zwölf Aposteln – die Kirche leitet.

Großen Wert wird auf die Expressivität der Gefühle im Gottesdienst sowie auf die Erfahrung der Geistesgaben gelegt. Sich wöchentlich treffende, nach Stadtteilen organisierte Kleingruppen (cell groups), die in der Regel nicht mehr als zwölf Mitglieder umfassen, dienen ebenfalls der spirituellen Erneuerung, aber auch dem sozialen Zusammenhalt der Gläubigen.

Von den Anti-Apartheid-Kirchen haben die charismatischen Kirchen die „Wachhund-Funktion“ übernommen. Aber nur wenn Gesetzgebung und andere öffentlichen Belange nicht mit biblischen Grundsätzen vereinbar sind, melden sie sich zu Wort. Einmischung in Parteipolitik ist ihnen eher fern. Sie arbeiten mit der Regierung in Belangen der Armutsbekämpfung zusammen und legen selbst soziale Programme für Bedürftige auf, die sie mit Spenden der Mitglieder finanzieren und die – zumindest zu Beginn – auch für Nicht-Gemeindemitglieder zugänglich sind.

Kirchenleitungen und Mitglieder legen besonderen Wert auf gezielte Aus- und Weiterbildungsprogramme, von denen insbesondere die Jüngeren profitieren. Diese Programme ermöglichen vielen Gemeindemitgliedern in Kombination mit einem gezielten „Networking“ in der jeweiligen Kirche einen gewissen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Auch wenn die Kirchen von ihm durch höhere Spenden profitieren – Kirchenbauten, die mit Spenden der Gläubigen errichtet werden, lassen auf großzügiges Spenden des Zehnten schließen –, wird das „Prosperity Gospel“ eher als auf ein ganzheitliches Wohlergehen bezogen gedeutet, weniger auf individuellen Erwerb materiellen Reichtums. Dessen ungeachtet ist die Klientel der neuen charismatischen Kirchen eher in der Mittelschicht zu finden und nicht bei den ganz Armen.

Einbindung von jüngeren Gemeindemitgliedern in Führungsaufgaben

Die charismatischen/pfingstlerischen Kirchen sind also aktiv an der Gestaltung des Post-Apartheid-Südafrika beteiligt und bieten Menschen fast holistisch sowohl spirituellen Halt, ein soziales Umfeld sowie Möglichkeiten für einen persönlichen und wirtschaftlichen Aufstieg. Beobachter und kritische Kenner dieser Kirchen unterstreichen ebenfalls den sozialen Zusammenhalt der Kirchenmitglieder, der ihnen Rückhalt geben, aber auch durchaus als gegenseitige soziale Kontrolle der Gläubigen gedeutet werden kann. Bemängelt wird außerdem die fehlende Tiefe der Lehre.

Die Einbindung von jüngeren Gemeindemitgliedern in Führungsaufgaben und die Übernahme von Verantwortung wird positiv gewertet. Allerdings erweisen sich in den Augen der Kritiker die mangelnde Transparenz in Bezug auf Leitungsstrukturen und Kirchenführung sowie die Möglichkeit zur Willkür wegen fehlender Kontrollmechanismen als problematisch.

Im Unterschied zu den charismatischen Kirchenführern heben die Beobachter als schwachen Punkt den Umgang mit Kirchenmitgliedern hervor, für die sich die Heilsversprechungen auf ganzheitlichen Reichtum nicht erfüllen und die auf einer oder mehreren Ebenen scheitern. Für sie scheint kein Platz in diesen Kirchen zu sein. Analytiker und Führer anderer Kirchen neigen zu dem Eindruck, die Dynamik der Pfingstkirchen sei nicht nur durch die religiöse Erfahrung zu erklären, sondern eher durch eine breite Neigung zum „feeling well“. Dessen ungeachtet schätzen sie ihr soziales Kapital hoch ein.

Die Ergebnisse der Gesamtbefragung führen zu einem verblüffenden Ergebnis: Die Unterschiede zwischen den Einstellungen der Gläubigen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften zu Religion, Politik und Gesellschaft sind gar nicht so groß, wie zunächst erwartet wurde.

Wanderungsbewegungen zwischen den Kirchen

Südafrika ist nicht nur ein christlich geprägtes Land – 90 Prozent der Befragten gehören einer christlichen Kirche an –, der Glaube wird hier auch aktiv gelebt. Dies zeigt sich an Äußerlichkeiten wie vollen Kirchen und vielen Gebeten – jeder siebte Befragte betet täglich oder oft. Die überwiegende Mehrheit der Befragten glaubt darüber hinaus an ein Leben nach dem Tod, kann sich ein Leben ohne Gott nicht vorstellen und versucht, ein Leben entsprechend der Lehren ihrer Religion zu führen. Wie nicht anders zu erwarten, stimmen Angehörige der Alten und Neuen Pfingstkirchen diesen Aussagen überdurchschnittlich oft zu.

Die Spendenbereitschaft der Mitglieder der Neuen Pfingstkirchen und der Wiedergeborenen ist ebenfalls höher als die ihrer Landsleute. Doppelt so viele wie der Durchschnitt spenden den Zehnten oder sogar mehr. Diese Spendengelder werden zum Erhalt der Kirchengebäude, für die Gehälter der Geistlichen und für soziale Projekte – von Ausbildungskursen bis hin zu Armenspeisung und Betreuung von Aids-Patienten – benutzt. Die soziale Verantwortung der Kirche in Staat und Gesellschaft ist konsequenterweise eine Selbstverständlichkeit für die Mitglieder der Neuen Pfingstkirchen und für Wiedergeborene.

Ein Viertel der Befragten hat in den letzten fünf Jahren ihre Kirchenzugehörigkeit gewechselt. Die Wanderungsbewegungen fanden vor allem zwischen Afrikanischen Unabhängigen Kirchen, Alten und Neuen Pfingstkirchen statt. Letztere erhielten prozentual die meisten Neumitglieder. Bei den Mainline-Kirchen verloren die protestantischen Kirchen die meisten Mitglieder, die katholische Kirche zwar auch etliche, aber zu einem wesentlich geringeren Prozentsatz. Ein Drittel der Befragten, die sich selbst als Wiedergeborene bezeichnen, haben sich ebenfalls einer anderen Kirche zugewandt.

Idealtypisch zugespitzte widersprüchliche Aussagen zu verschiedenen Konfessionen – so das katholische Leitbild der guten Werke, das lutherische der göttlichen Gnade, die Affinität zum „Prosperity Gospel“ und die calvinistische Tradition des Erfolgs im Diesseits als Zeichen der göttlichen Auserwähltheit – stoßen bei Gläubigen aller Konfessionen ebenfalls auf hohe und nicht differenzierte Zustimmung. Profile der einzelnen Konfessionen lassen sich bei der Analyse nicht erkennen. Allerdings erhält die zentrale Aussage des „Prosperity Gospel“ – starker Glaube und Spenden werden im Diesseits belohnt – eine leicht überdurchschnittliche Zustimmung von Mitgliedern der Alten Pfingstkirchen und der Afrikanischen Unabhängigen Kirchen. Der Blick auf das Sozialprofil dieser Gruppen zeigt, dass sie zu den Ärmsten und zu denen mit dem niedrigsten Bildungsniveau gehören, die wohl wenig andere Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Lage haben als den Glauben an göttlichen Segen.

Charismatische/pfingstlerische Tendenzen werden eher bei Fragen der Missionierung, der Erlösung für Nicht-Christen (hier sind vor allem die neuen Pfingstler weniger der Ansicht, dass sie möglich sei) und der Frage nach der Wiederkehr Jesu auf Erden sichtbar. Die Zustimmung zu diesen Aussagen liegt bei Mitgliedern der Neuen Pfingstkirchen und bei Wiedergeborenen über dem Durchschnitt. Die wörtliche Auslegung der Bibel als das Wort Gottes befürworten überdurchschnittlich Angehörige der Niederländisch-Reformierten Kirchen und Alten Pfingstkirchen. Katholiken liegen hier weit unter dem Durchschnitt.

Charismatiker haben weniger Angst vor der Zukunft

Keine beziehungsweise wenig signifikante Unterschiede sind beim Themenkomplex Religion und Politik feststellbar, ebenso bei den Einstellungen zu demokratischen Fragen. Das änderte sich erst, als der Bezugsrahmen geändert wurde. Die Ergebnisse der Sonderstichprobe unter Mitgliedern der Grace Bible Church, einer 1983 in Soweto gegründeten prototypischen charismatischen Megakirche, wurden einer Vergleichsgruppe von Schwarzen aus Gauteng aus der Gesamtstichprobe gegenübergestellt.

Mit dieser Einschränkung auf Hautfarbe und Region sollten andere Merkmale ausgeschlossen werden. Und tatsächlich zeigen sich die Mitglieder der Grace Bible Church bei allen Fragen, die Politik und Zusammenleben betreffen, als demokra-tischer, ihren politischen Führern gegenüber wesentlich kritischer, dem Pluralismus des Landes gegenüber aufgeschlossener, toleranter, moralischer, verantwortlicher gegenüber dem Gemeinwesen und optimistischer als die Befragten der Vergleichsgruppe.

Wie die Angehörigen der Neuen Pfingstkirchen in der Gesamtstichprobe empfinden sie ihre Lebensumstände ebenfalls als wesentlich besser als noch vor fünf Jahren. Außerdem halten sie – im Gegensatz zur Vergleichsgruppe – nicht mehr den Unterschied zwischen Schwarz und Weiß für den wichtigsten im heutigen Südafrika, sondern den zwischen Arm und Reich. Die Mitglieder der Grace Bible Church identifizieren demzufolge die heutigen Konflikte im Post-Apartheid-Südafrika eindeutig als Klassen- und nicht mehr als Rassenkonflikte.

Um charismatische Tendenzen noch weiter herauszufiltern, wurden anhand der Daten „überzeugte Charismatiker“ definiert, nämlich die Befragten, die sich selbst als „wiedergeboren“ bezeichnen, schon charismatische Erfahrungen, wie das Sprechen in Zungen oder Geistheilung selbst erfahren haben oder Zeuge davon wurden und die täglich oder oft beten sowie Gottesdienste besuchen. Stellt man nun die Antworten zu ausgewählten Fragen der Befragten in der Gesamtstichprobe, Wiedergeborenen, „überzeugten“ Charismatikern und Mitgliedern der Grace Bible Church nebeneinander, ergibt sich ein noch eindrucksvolleres Bild.

Festzustellen ist nämlich, dass sich bestimmte Tendenzen intensivieren, je stärker die Befragten sich als charismatisch einordnen lassen. Zunächst soll dies am Beispiel der Zukunftsängste illustriert werden; sodann werden die Fragen zu sämtlichen Lebensbereichen – Religion, Wirtschaft, Politik und Demokratie – untersucht, bei denen signifikante Unterschiede bei der Gegenüberstellung von Befragten der Gesamtstichprobe, Wiedergeborenen, definierten Charismatikern sowie den Mitgliedern der Grace Bible Church festzustellen sind.

Insgesamt geben 49 Prozent aller Befragten an, sie hätten Angst vor der Zukunft. 45 Prozent der Wiedergeborenen, 39 Prozent der definierten Charismatiker, aber nur 16 Prozent der Mitglieder der Grace Bible Church äußern sich ebenso. Charismatiker haben also weniger Angst vor der Zukunft.

Desgleichen fühlen sich definierte Charismatiker weniger ohnmächtig als andere, Angehörige der Grace Bible Church noch weniger. Letztere sind allerdings vorsichtiger und weniger risikofreudig als die definierten Charismatiker sowie die Befragten in der Gesamtstichprobe und beharren am häufigsten auf dem klaren Unterschied zwischen richtig und falsch, ohne Grauzonen.

Ohne Gott kein glückliches Leben

Auch die Einstellungen zu Wirtschaft und Gesellschaft lassen klare Unterschiede zwischen Charismatikern und anderen beobachten: Erfolg im Leben schreiben sie häufiger der Bildung zu; sie glauben, dass sie die Ausbildung und Arbeit erhalten, die ihnen zustehen, dass ihre Kinder gute Chancen haben, ihre Lebenspläne zu verwirklichen. Weniger als andere glauben sie, ihren Kindern werde es schlechter gehen. Mitglieder der Grace Bible Church sind allerdings weniger überzeugt als die definierten Charismatiker, dass ihr Einkommen angemessen sei. Charismatiker zählen sich eher zur Mittelklasse, fühlen sich weniger ohnmächtig gegenüber ihren Vorgesetzten, sind weniger neidisch, glauben, dass nur eine kleine Minderheit zur Oberschicht und damit die Mehrheit zur Mittelschicht zu rechnen ist und dass sich ihre Lebensbedingungen im letzten Jahrzehnt entschieden verbessert haben. Mitglieder der Grace Bible Church sind allerdings häufiger der Meinung, dass sich die Unterschiede zwischen arm und reich vergrößert haben als die definierten Charismatiker und die Befragten der Gesamtstichprobe.

Für ein Südafrika ohne Rassengrenzen

Wie nicht anders zu erwarten, glauben Wiedergeborene, definierte Charismatiker und Mitglieder der Grace Bible Church durchgängig an ein Leben nach dem Tod, an verborgene gute und böse Kräfte und sie versuchen, ihr Leben nach den Regeln ihrer Religion einzurichten. Sie glauben nicht, dass sie ohne Gott ein glückliches Leben führen können. Mitglieder der Grace Bible Church sind toleranter gegenüber anderen Religionen und glauben noch häufiger an ein Leben nach dem Tod als die definierten Charismatiker, Wiedergeborene und die Befragten der Gesamtstichprobe. Obwohl Wiedergeborene, definierte Charismatiker und Mitglieder der Grace Bible Church überdurchschnittlich der Überzeugung sind, dass der Glauben alle Aspekte der Gesellschaft bestimmen solle, sind sie weniger als der Rest davon überzeugt, dass Frauen zuhause bleiben und nicht arbeiten sollten.

Auch bei der Betrachtung der explizit charismatischen Einstellungen zeigt sich von den Wiedergeborenen über die definierten Charismatiker bis zu den Mitgliedern der Grace Bible Church eine Steigerung. In noch höherem Maß als bei den anderen hat sich das Leben der Mitglieder der Grace Bible Church verbessert, seit sie wiedergeboren sind: Sie sind entspannter, gesünder, führen ein besseres Familienleben, fühlen sich sicherer, erfahren mehr Zusammenhalt mit anderen, stehen finanziell besser da und trinken weniger als die anderen, denen es ja, wie aufgezeigt, auch schon erheblich besser geht als vorher.

Zudem fühlen sich die drei Gruppen ihren Glaubensbrüdern und -schwestern näher als die Befragten der Gesamtstichprobe, halten die Probleme zwischen Schwarzen und Weißen oder auch die zwischen Sprachgruppen für weniger wichtig als die zwischen Arm und Reich – wie die Mehrheit in der Gesamtstichprobe – und sind weniger davon überzeugt, dass Religion sowie religiöse Führer in der Politik keine Rolle spielen sollten.

Betrachtet man die Einstellungen zu Demokratie, ergibt sich: Für Wiedergeborene, definierte Charismatiker und Mitglieder der Grace Bible Church gilt die Ehrlichkeit der Regierung als oberstes Ziel, die Durchsetzung von „Affirmative Action“ – der Bevorzugung von Schwarzen bei der Jobvergabe – ist für sie am unwichtigsten. Sie unterstützen am häufigsten eine Mehrheitsdemokratie oder eine Regierung der Nationalen Einheit für Südafrika, sind für mehr Autonomie der Lokalverwaltungen, für mehr Sprachen, freie Unternehmen und für Gleichbehandlung seitens der Regierung.

Mitglieder der Grace Bible Church würden im Gegensatz zu allen anderen – selbst im Interesse ihrer Familie – die Gesetze nicht brechen wollen. Sowohl im Geschäftsbereich als auch in Beamtenpositionen würden sie die am besten Qualifizierten vorziehen. Als geeignetes Mittel, einen Regierungswechsel herbeizuführen, würden sie friedliche Treffen bevorzugen; sie optieren eindrücklich für Wahlen und am wenigsten für Streiks oder Boykotte.

Wiedergeborene, definierte Charismatiker und Mitglieder der Grace Bible Church gehören heute schon zu den Zufriedenen und sehr Zufriedenen. Aber sie erwarten in zehn Jahren erst recht, zu ihnen zu gehören, insbesondere die Mitglieder der Grace Bible Church. Sie sind es auch, die am häufigsten das Symbol des Regenbogens als Verheißung für eine neue Zukunft für alle Südafrikaner ansehen: Die Hälfte der Befragten der Gesamtstichprobe bejaht die Aussage, 56 Prozent der Wiedergeborenen, 62 Prozent der definierten Charismatiker und 83 Prozent der Mitglieder der Grace Bible Church.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl Wiedergeborene und definierte Charismatiker als auch Mitglieder der Grace Bible Church zu den furchtloseren, frommeren, optimistischeren und demokratischeren Südafrikanern gehören sowie zu denjenigen, die die Verantwortung für ihr Leben und ihren Erfolg eher in die eigenen Hände nehmen wollen und ein neues Südafrika über Rassengrenzen hinweg anstreben, was sich nicht zuletzt an der hohen Zustimmung zum Regenbogen als Zeichen des göttlichen Bundes mit allen Südafrikanern ablesen lässt.

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