Wie Versöhnungsarbeit in Auschwitz möglich istWo war Gott? Wo ist Gott?

Auschwitz ist aus ganz verschiedenen Perspektiven zu einem Symbolort par excellence geworden. Auch die Zugänge zu einer Theologie nach Auschwitz unterscheiden sich. Weil konkrete Erfahrungen immer im Kontext eines größeren Zusammenhangs stehen, redet man aneinander vorbei, wenn man den Kontext der Anderen nicht kennt. Wie ist da eine dezidierte Versöhnungsarbeit überhaupt möglich?

„An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes Schweigen stehen – Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind; dieses Schweigen wird dann doch zur lauten Bitte um Vergebung und Versöhnung, zu einem Ruf an den lebendigen Gott, dass er solches nie wieder geschehen lasse.“ Das sind Worte von Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau am 28. Juni 2006. Während der Ansprache, wurde mir erzählt, verließ ein jüdischer Teilnehmer die Veranstaltung und sagte, er könne diese Frage, wo sei Gott gewesen sei, nicht mehr hören. Wo war der Mensch? Wo war die Kirche? Das seien die wichtigen Fragen.

Lange hatte Papst Benedikt vorher schweigend am Mahnmal gebetet, gefolgt von einem Gebet mehrerer christlicher Konfessionen und jüdischer Teilnehmer. Da erschien ein großer Regenbogen am Himmel. Der Oberrabiner von Polen, Michel Schudrich, sagte später einmal, das sei der wichtigste Regenbogen in seinem Leben gewesen, das Zeichen des Bundes, das erschien, als wir in Auschwitz gemeinsam gebetet haben.

Diese kurze Erinnerung an den Besuch von Benedikt XVI. in Auschwitz mit den Reaktionen vor Ort lässt die Vielfalt, Verschiedenheit und Schwierigkeit der Zugänge zu „Gott in Auschwitz“ ahnen.

Was meinen wir mit dem Symbol „Auschwitz“?

Wer zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau kommt, begegnet einem Ort mit einer sehr konkreten Geschichte, die viele sehr verschiedene Menschen und Gruppen betraf. Diese Konkretheit ist zuerst ernst zu nehmen.

„Auschwitz“ ist der deutsche Name für die polnische Stadt Oświęcim, die, nachdem Polen 1939 überfallen und als Staat vernichtet worden war, dem Deutschen Reich eingegliedert wurde. Zur Ausschaltung des polnischen Widerstandes und der polnischen Führungsschicht wurde hier 1940 ein Konzentrationslager eingerichtet, das schnell wuchs. 1941 nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion kamen sowjetische Kriegsgefangene ins Lager, ab 1942 Massentransporte von Juden aus ganz Europa, 1943 so genannte „Zigeuner“, Sinti und Roma, und viele andere: politische Gegner, Kriminelle, so genannte Asoziale, Zeugen Jehowas, Homosexuelle, aus der Tschechoslowakei, Weißrussland, Frankreich, Russland, Jugoslawien, der Ukraine und anderen Ländern, darunter auch Deutschland. Hinter diesen Fakten begegnen uns unter den Opfern Zeugnisse von hoffnungsloser Verzweiflung – aber auch von siegreicher Liebe und tiefem Glauben.

Das „KL Auschwitz“ war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager des Dritten Reiches, aber keinesfalls das einzige. Es steht in seiner Bedeutung deshalb symbolisch auch für größere Zusammenhänge.

In Auschwitz denken wir nicht nur an die Juden, die hier ermordet wurden, sondern an die ganze Tragödie der Juden Europas während der Herrschaft Adolf Hitlers. Auschwitz wurde deshalb zum Symbol für den jüdischen Holocaust, die Shoa. Auschwitz ist aber auch ein Symbol für das Schicksal Polens während des Zweiten Weltkrieges, das Schicksal der Roma und Sinti während des Zweiten Weltkrieges und für eine fortdauernde Diskriminierungsgeschichte. Die Sowjetarmee hat die letzten Häftlinge 1945 befreit; es ist deshalb in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ein wichtiges Symbol in der Erinnerung an den „Großen Vaterländischen Krieg“, an die Befreiung Europas vom Faschismus.

Für politische Häftlinge vieler Länder, Sozialisten, Kommunisten und anderen Widerstandsgruppen hat Auschwitz wichtigen Symbolwert für ihren Kampf. Für die Zeugen Jehowas, damals Bibelforscher genannt, ist die Erinnerung an Gewaltfreiheit, Verfolgung und Tod als Glaubenszeugnis in Auschwitz ebenso wichtig. Eine Häftlingskategorie waren schließlich Homosexuelle: Wenn es hier auch nur einige wenige als solche registrierte Häftlinge gab, hat Auschwitz für die Homosexuellenbewegung eine symbolische Bedeutung. Für Deutschland insgesamt ist Auschwitz eine mahnende Erinnerung an das größte Versagen und ein Ruf zur Umkehr in gute Beziehungen zu den ehemaligen Opfergruppen.

Neben diesen symbolischen Bedeutungen, die sich direkt von den geschichtlichen Zusammenhängen ableiten, hat für viele Besucher Auschwitz vor allem eine universale Bedeutung: als Symbol des Bösen an sich, als Symbol einer Welt ohne Gott, als Symbol für entartete Religion, als Symbol für die Folgen von Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Faschismus, politischem Machtmissbrauch und so weiter.

All das hat eine Bedeutung für die Begegnung und den Dialog im Kontext von Auschwitz. Denn wir verstehen konkrete Erfahrungen immer im Kontext eines größeren Zusammenhangs und reden oft aneinander vorbei, weil wir nicht ver­stehen, was der Kontext der Anderen ist. Drei wichtige theologische Perspektiven auf Auschwitz sind deshalb zu unterscheiden.

Der ständige Gewissensbiss ist Teil der deutschen Identität

Wenn Deutsche heute nach Auschwitz kommen, dann nicht, um der Ihren ehrend zu gedenken und ihnen treu zu bleiben. Im Gegenteil. Wir sind keine Nazis, wir sind andere Deutsche, und wenn wir hier jemandes ehrend gedenken wollen, dann nicht der Täter, sondern der Opfer. „Auschwitz“ haben wir nicht gemacht und nicht gewollt, es tut uns leid, wir schämen uns und wollen eine andere Welt gestalten. Wir, die wir heute leben, sind unschuldig, aber es gibt diese deutsche Schuld, und irgendwie haben wir mit ihr zu tun. Dies ist die deutsche Wunde „nach Auschwitz“. Auschwitz erinnert daran, dass etwas entsetzlich falsch gelaufen ist. Diese Erinnerung ist als ständiger Gewissensbiss heute Teil der deutschen Identität.

Das prägt auch die deutsche Theologie nach Auschwitz. Das Ringen mit dem tief empfundenen Versagen der eigenen Kirche prägt diejenigen, die sich mit „Theologie nach Auschwitz“ beschäftigen. Selbst wenn Christen im Widerstand auch ihr Leben gegeben haben, so gilt das doch nur für eine sehr kleine Minderheit. Warum haben die deutschen Bischöfe geschwiegen, als die jüdischen Geschäfte boykottiert wurden und die Synagogen brannten? Warum haben sie seelsorglich den Krieg unterstützt? Fast alle deutschen Soldaten waren Christen. Ihrem Wesen nach ist deshalb deutsche Theologie nach Auschwitz kritisch. Sie sucht die Fehler in der Theologie, die zu dem Versagen geführt haben, und sie sucht nach neuen Ansätzen, die eine Wiederholung der Fehler unmöglich machen.

Ein Ansatz ist die Entdeckung und Betonung des Jüdischen in der christlichen Theologie. Jesus war Jude. Der Bund Gottes mit dem jüdischen Volk ist nicht durch das „Neue Testament“ abgelöst worden, sondern besteht weiter und hat als Bund des lebendigen Volkes Israel auch für Christen wesentliche Bedeutung.

Das Leiden der Juden auch theologisch vergegenwärtigen

Schwieriger ist die Integrierung der Erinnerung an die Tragik der Opfer in die Theologie. Das versucht Johann Baptist Metz, der betont, dass nach Auschwitz Theologie nicht mehr anders möglich ist als gemeinsam mit den Opfern, die dort oft ihren Glauben an die Güte Gottes verloren haben. Nötig ist eine Theologie als „Memoria Passionis“, die nicht nur das Leiden Jesu am Kreuz, sondern auch das der Juden in Auschwitz vergegenwärtigt. Diese Theologie betont nicht die ­Gottesbeziehung und das Gebet, sondern die für die Opfer notwendige konkrete Hilfe und wird so zur Politischen Theologie.

Das Thema Vergebung wird in der deutschen Theologie nach Auschwitz kaum thematisiert, weil es den Verdacht weckt, sich selber entschuldigen zu wollen. Auch die Frage nach den Tätern muss vom Ernstnehmen der Opfer ausgehen. Ich selbst habe mich mit der Biografie des Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, beschäftigt und versucht, das Gewissen, also den Bezug zum Anderen in der eigenen Identität, als verdrängte Stimme Gottes aufzuzeigen (Manfred Deselaers, „Und Sie hatten nie Gewissensbisse“? Die Biografie von Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz und Frage nach seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen [1997], Auschwitz-Birkenau State Museum, Oświęcim 2014).

Anders als in Israel und in Polen gibt es in Deutschland heute keinen theologischen Bezug zum eigenen Volk. Der Nationalsozialismus versuchte, eine quasireligiöse deutsche nationale Identität aufzubauen. Große Teile der evangelischen Kirche versuchten, sich eine neue Identität als „Deutsche Christen“ zu geben. Diese Versuche sind heute völlig diskreditiert. Auf nationalreligiöse und „völkische“ Tendenzen wird mit großem Misstrauen geschaut, wo immer sie auftauchen.

Die Treue der Erinnerung an die Ermordeten wird zum Ausgangspunkt für die Juden

Vor 1939 war das Judentum vor allem in Europa zu Hause. Diese jüdische Welt gibt es nicht mehr. In gewisser Weise ist Hitler und den Seinen gelungen, was sie wollten – die so genannte „Endlösung der Judenfrage in Europa“. Das war vorher unvorstellbar gewesen und bleibt bis heute schwer zu verstehen. Juden waren nicht nur vertrieben und ermordet worden, sondern zuvor von Deutschen zu Unmenschen, Nicht-Menschen, Ungeziefer, Krankheitserregern erklärt worden, die zu vernichten seien. Dieser Schock sitzt sehr tief. Juden erinnern die totale Vernichtung im christlichen Europa.

Der wichtigste religiöse Bezugspunkt für die jüdische Perspektive ist die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und an den Bundesschluss am Sinai. Im Laufe der Geschichte haben viele Katastrophen Gottes Bundestreue in Frage gestellt. Aber die religiösen Vordenker haben immer wieder zu zeigen versucht, dass es Untreue und Schuld des Volkes war und nicht Gottes, die zur Katastrophe geführt haben. Das galt vor allem für die Deutung der zweifachen Zerstörung des Jerusalemer Tempels (586 vor und 70 nach Christus), die darauf folgende Verbannung ins Exil und das Ende der Existenz des Staates Israel.

Aber es ist nicht möglich, Auschwitz als Strafe Gottes anzunehmen. Die versuchte Ausrottung des ganzen Volkes, sechs Millionen Ermordete, darunter fast die ganze orthodoxe jüdische Welt Osteuropas und unendlich viele Kinder, sind nicht vorstellbar als angemessene Antwort auf eine entsprechende eigene Sünde. Was ist mit dem Bund geschehen? Wo war Gott? Die alten Kategorien passen nicht mehr.

Aber wenn Israel den Bezug zur Bibel und ihrer Verheißung verliert, verliert es seine Identität. Das wäre der endgültige Sieg Hitlers, die endgültige Vernichtung Israels. Das nicht zuzulassen, ist das neue, das – so Emil Fackenheim – 614. Gebot für Juden nach Auschwitz. Elie Wiesel streitet mit Gott. Er lässt die Beziehung nicht los, aber bevor er sich von Gott nach seinen Taten fragen lässt, fragt er Gott, wo er war, als seine Schwester, seine Mutter, sein Volk ermordet wurden. Die Treue der Erinnerung an die Ermordeten wird zum Ausgangspunkt für alles.

Vielleicht geht es nicht darum, Gott zu verstehen, sondern ihm trotz allem treu zu bleiben. Juden sind für ihr Judesein ermordet worden, ob sie wollten oder nicht, nicht für ihr Nicht-mehr-Jude-sein. Haben sie nicht so, selbst wenn gegen ihren Willen, ein Zeugnis für Gott abgegeben? Den Namen Gottes geheiligt: Kiddusch Ha Schem?

Anders als Polen haben Juden den Holocaust nicht im Kontext eines Kampfes um nationale Unabhängigkeit erlebt. Zwar gab es den Zionismus schon, aber die meisten Juden wollten weiter als Nachbarn unter Nachbarn leben, dort wo sie waren. Die Shoa bedeutet nicht nur einen Schock für das Verhältnis zu Gott, sondern auch zu den Nachbarn. Kann man ihnen wirklich trauen? Viele Juden hatten während des Krieges nicht einmal einen Ort gefunden, wohin sie fliehen konnten. Deshalb ist für viele Juden die wichtigste Antwort auf Auschwitz die Entstehung des Staates Israel. Endlich eine Heimat, die immer aufnahmebereit sein will. Vielleicht auch ein Zeichen, dass Gott sein Volk doch nicht vergessen hat. Und vielleicht geht es um Kiddusch Ha Chaim, Leben. „Am Israel chai“ – das Volk Israel lebt. Umso mehr tut es weh, dass in Israel der Traum vom Schalom so schwer zu verwirklichen ist und eine Wiederholung von Auschwitz, von Vernichtung nicht unmöglich scheint.

Aber es geht nicht nur um Israel und das eigene Volk. Es geht im Grunde um Menschenwürde weltweit, auch zum Beispiel für Palästinenser. Denn Gott ist der Schöpfer der Welt und der Vater aller Menschen.

Die nationalsozialistische Ideologie war auch antichristlich, aber kam nicht der Gedanke, dass die Juden die Quelle allen Übels sind, indirekt aus der christlichen Tradition, Juden als Feinde Christi und dadurch als Feinde Gottes zu sehen? Hat das Christentum nicht eine Mitverantwortung für den Weg nach Auschwitz? Dies sind zentrale Fragen im christlich-jüdischen Dialog und somit auch der christlichen Gewissenserforschung „nach Auschwitz“ geworden.

Die polnische Perspektive

Während Christen in Deutschland sich in der Geschichte der Täter wiederfinden, finden sich die Christen in Polen vor allem unter den Opfern von Auschwitz. Es existieren viele christliche Glaubenszeugnisse aus der Kriegszeit. Waclaw Stacherski schrieb in einem Brief aus einer Gefängniszelle des Blocks 11 in Auschwitz an seine Frau vor der Hinrichtung am 18. September 1944: „O Iris! Es gibt Gott, auch wenn es hier so schwer ist, daran zu glauben. Gestern, am Sonntag, habe ich durch das Kellerfenster eine Messe gehört, die man geheim im Erdgeschoss gefeiert hat. Das erinnert an die urchristliche Zeit der Katakomben. Gott allein weiß, wo es mehr Heilige und Märtyrer gab – in Rom oder in Auschwitz“ (zitiert nach: Irena Pająk, Mieszkańcy Śląska, Podbeskidzia, Zagłębia Dąbrowskiego w Auschwitz. Księga Pamięci, Band 1, Katowice 1998, 3).

Polen erinnern ein doppeltes Gesicht des Zweiten Weltkrieges, der vor 75 Jahren am 1. September 1939 mit dem Einmarsch Nazideutschlands begann und am 17. September desselben Jahres zur Invasion der Sowjetunion führte. Beide Systeme waren antichristlich – der neuheidnische Nationalsozialismus und der atheistisch-materialistische Kommunismus. Beide Systeme versuchten die Vernichtung polnischer Unabhängigkeit und polnischer Identität. Beide Systeme liquidierten die militärische Opposition und die Elite des Volkes. Diese Erfahrungen reihen sich ein in eine lange Geschichte des Kampfes um eine unabhängige Existenz auf der europäischen Landkarte. Nach dem Ersten Weltkrieg, nach 123 Jahren Abwesenheit und vielen Aufständen, war sie endlich errungen. Nur für 21 Jahre.

Wichtige Rolle in der offiziellen kommunistischen Erziehung

In der Nachkriegszeit spielte Auschwitz eine wichtige Rolle in der offiziellen kommunistischen Erziehung als Symbol der Sow­jetunion, die das Lager und Europa vom Faschismus befreit hatte. Bewusst wollte man nicht, dass sich mit dem Lager eine religiöse Dimension verband. Vor diesem Hintergrund repräsentierte der Kult um Maximilian Kolbe, der sich seit seiner Seligsprechung 1971 verbreitete, eine andere, religiöse Sicht der Erinnerung an Auschwitz. Pater Maximilian Kolbe, der im Lager sein Leben für einen Mithäftling gab, wurde in Polen zum Symbol des Sieges der Liebe aus der Kraft des Glaubens in einer Welt des Hasses.

Die größte katholische Jugendbewegung in Polen, „Oase“, wurde nach dem Krieg von dem Priester Franciszek Blachnicki, einem ehemaligen Auschwitzhäftling, gegründet. Er war überzeugt, dass wahre Freiheit innerlich ist und dass Menschen, die im Gebet verwurzelt sind und Christus vertrauen, keine Angst vor Machthabern zu haben brauchen. Das ist der Ausgangspunkt für eine polnische Befreiungstheologie, die mit Gebet beginnt und nicht mit Politik. Später spielten Mitglieder der Oase-Bewegung eine große Rolle bei der Revolution der Solidarność.

Karol Wojtyla verstand seine Sendung als Bischof der Diözese Krakau, zu der Oświęcim gehörte (seit 1992 gehört Oświęcim zur neu gegründeten Diözese Bielsko-Biała), und seit 1978 als Papst Johannes Paul II. als Antwort auf die Erfahrungen des Krieges. Die Heiligsprechung von Maximilian Kolbe im Jahr 1982, die nach der ersten Polenreise des Papstes (1979), nach dem Entstehen der freien Gewerkschaft Solidarność (1980) und nach der Einführung des Kriegsrechtes (1981) stattfand, wirkte wie ein Aufruf, sich nicht besiegen zu lassen und Böses durch Gutes zu überwinden.

Die große Rolle, die der polnische Papst, die Kirche und der Glaube auf dem Weg der gewaltfreien Revolution spielten, die die Diktatur des Kommunismus in Europa beendete, hat zusätzlich zu der Überzeugung beigetragen, dass das Christentum aus diesen Erfahrungen siegreich hervorgegangen ist, grundsätzlich bestätigt nach Auschwitz und dem Gulag. Diese Perspektive, die das Christentum so tief verbindet mit der Würde der Menschen und der Freiheit der Nationen, unterscheidet Polen deutlich von anderen Ländern Europas.

Versöhnungsarbeit am Rande von Auschwitz

Und es gibt noch viele weitere Perspektiven. In das katholische „Zentrum für Dialog und Gebet“ am Rande der Staatlichen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Oświęcim kommen Gäste aus Frankreich, England, den USA, Russland, Ukraine, Israel, Palästina, aus Japan, aus Burundi, es kommen Sinti und Roma und viele andere. Fast immer löst die Begegnung mit dem Ort Auschwitz tiefe Betroffenheit aus, die im Zusammenhang der jeweils sehr verschiedenen eigenen Kontexte und Sensibilitäten verarbeitet werden. Wie kann da Dialog gelingen? Wer Auschwitz ernst nimmt, berührt eine Wunde, die noch nicht geheilt ist. Und wenn eine offene Wunde berührt wird, ist die Reaktion vor allem emotional und es ist nicht leicht, sachlich darüber zu reden.

Diese Wunde betrifft unsere Identität und ist doch wesentlich in unseren verletzten oder zerstörten Beziehungen begründet. Deshalb kann niemand Auschwitz allein verarbeiten. Heilung kann nur Heilung von Beziehung bedeuten. Beziehungen haben mit Vertrauen zu tun. Vertrauen wächst langsam, vor allem in Begegnungen von Angesicht zu Angesicht. Die wichtigste Aufgabe des Dialogs ist das Vorbereiten dieser Vertrauensebene, sozusagen des Vorzimmers, damit Vertrauen entsteht, einzutreten und dann im Wohnzimmer miteinander zu reden. Wir brauchen Orte, wo jeder sich gern gesehen fühlt – unabhängig von seiner Herkunft – mit seiner Identität und mit seinen Wunden. Das ist die wichtigste Antwort auf Auschwitz.

Solch ein Ort will das „Zentrum für Dialog und Gebet“ in Oświęcim sein, eine Einrichtung der Erzdiözese Krakau (www.cdim.pl). In den vergangenen Jahrzehnten ist, oft in einem schmerzlichen Prozess, viel an Versöhnungsarbeit am Rande von Auschwitz geschehen. Oświęcim ist heute mit verschiedenen Friedensinitiativen nicht mehr nur ein Ort der Erinnerung an die Macht des Bösen, sondern hier wird auch die Macht der gegenseitigen Achtung, der Versöhnung, der Hoffnung und der Liebe erfahrbar. Das ist auch ein Zeichen der Gegenwart Gottes.

Papst Benedikt sagte 2006 in Auschwitz: „Gottlob wachsen im Umkreis dieser Stätte des Grauens mit der Reinigung des Gedächtnisses, zu der sie uns drängt, vielfältige Initiativen, die dem Bösen eine Grenze setzen, dem Guten Kraft geben wollen. Eben durfte ich das Zentrum für Dialog und Gebet segnen. Ganz nah dabei vollzieht sich das verborgene Leben der Karmelitinnen, die sich besonders dem Geheimnis des Kreuzes Christi verbunden wissen und uns an den Glauben der Christen erinnern, dass Gott selbst in die Hölle der Leiden abgestiegen ist und mit uns leidet. In Oświęcim besteht das Zentrum des heiligen Maximilian und das Internationale Zentrum für die Erziehung über Auschwitz und den Holocaust. Es gibt das Internationale Haus für Jugendbegegnungen. Bei einem der alten Gebetshäuser besteht das Jüdische Zentrum. Schließlich ist die Akademie für die Menschenrechte im Aufbau begriffen. So dürfen wir hoffen, dass aus dem Ort des Grauens Besinnung wächst und dass das Erinnern hilft, dem Bösen zu widerstehen und der Liebe zum Sieg zu verhelfen.“

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