Der „Genderismus“ zerstört Identität und FamilieEine Top-down-Revolution

Im Septemberheft der Herder Korrespondenz (457 ff.) setzte sich der in Wien lehrende theologische Ethiker Gerhard Marschütz mit der in jüngster Zeit in der Kirche häufig geäußerten Kritik an der vermeintlichen „Gender-Ideologie“ auseinander. Im Zentrum seiner Kritik an dieser „Ideologiekritik“ stand dabei das Buch der Publizistin Gabriele Kuby „Die globale sexuelle Revolution“. Kuby nimmt im Folgenden Stellung.

Gerhard Marschütz lehrt theologische Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. In der Gender-Theorie sieht er „Ein Wachstumspotenzial für die eigene Lehre“. Er würdigt die Einrichtung des „Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und Theologie“ der Evangelischen Kirche in Deutschland, welches „die Integration von Genderperspektiven in kirchliches Handeln unterstützen und sie für die Entwicklung in unserer Kirche fruchtbar machen“ soll. „Von solcher Integration ist die katholische Kirche weit entfernt.“

Den Widerstand gegen eine solche Integration, wie er durch die Broschüre „Gender-Ideologie“ des katholischen Hilfswerkes Kirche in Not und mein Buch „Die globale sexuelle Revolution – Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit“(GSR) geleistet wird, bemüht sich der Autor zu delegitimieren, indem er mein „methodisches Vorgehen“ als „unwissenschaftlich“ kritisiert. Eine „nähere Diskussion der Gender/Queer Studies als solche“ sei nicht intendiert.

Das enthebt ihn einer Stellungnahme zu den inhaltlichen Positionen der Gender-Studies und deren gesellschaftspolitischer Durchsetzung mittels „Gender Mainstreaming“. Diese aber sind der Grund, warum ich überhaupt schreibe und rede, denn sie bewirken die Zerstörung des Wertefundaments und der sozialen Grundformen der Gesellschaft, nämlich der binären Geschlechterordnung, der Heterosexualität als Norm, der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, der Familie und der Unverfügbarkeit des Kindes vor und nach der ­Geburt.

Der erste Vorwurf von Marschütz besteht darin, „dass stets von Gender-‚Ideologie‘ die Rede ist, ohne den Begriff der Ideologie zu präzisieren“. Im Kapitel „Politische Vergewaltigung der Sprache“ (GSR, 175) schreibe ich: „Ein System unwahrer, korrumpierter Worte nennen wir Ideologie. Sie ist ein Denksystem, das den Interessen einer Minderheit dient; diese werden hinter Zeitgeist konformen ‚Werten‘ verschleiert, um Akzeptanz zu erlangen.“

In der Tat verwende ich den Ideologie-Begriff genauso, wie er bei Wikipedia beschrieben wird: „Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Ideologie zumeist abwertend (pejorativ) nur für weltfremde, unzulängliche oder nicht wissenschaftlich begründete Ideen-Systeme und Theorien verwendet, die im Interesse weltanschaulicher, wirtschaftlicher oder politischer Zielsetzungen der Verschleierung und Rechtfertigung von zweckdienlichen Interessen dienen. Meinungen und Werturteile werden als Tatsachen hingestellt, wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet, Kritiker verunglimpft und Anspruch auf Allgemeingültigkeit, Wahrheit und Alternativlosigkeit erhoben.“

Das alles trifft in meinen Augen auf die diversen Gender-Theorien zu, weshalb sie mit dem Begriff „Genderismus“ bezeichnet werden können. Dass es sich dabei nicht um eine in sich geschlossene Theorie handelt, sich diese vielmehr immer weiter in zunehmend bizarre Formen verzweigt, ist kein Argument gegen die Bewertung als Ideologie, denn der gemeinsame Nenner ist die Entfernung von der unwandelbaren Realität der zweigeschlechtlichen Existenz des Menschen.

In der Tat halte ich meine eigene Position für „unideologisch“, nämlich für wahr, was einen sinnvollen Diskurs erst ermöglicht. Der Philosoph Robert Spaemann spricht im Geleitwort zu meinem Buch von einem sich ausbreitenden Wahrheitsrelativismus. „Wahrheit beanspruchen gilt als Intoleranz. Dabei ist das Gegenteil richtig. Wahrheitsansprüche erheben heißt, eine Meinung der diskursiven Prüfung aussetzen. Wenn es Wahrheit nicht gibt, dann kann es eine solche Prüfung gar nicht geben, dann sind Diskurse nur verschleierte Machtkämpfe, eine Meinung ist dann nicht wahr oder falsch, sondern herrschend oder abweichend und im letzteren Fall der Ächtung ausgesetzt.“ (Ich verweise auf mein erstes Buch zum Thema Gender: „Die Gender Revolution – Relativismus in Aktion“, Kisslegg 2006.)

Die Gender-Ideologie leugnet die Vorgaben der menschlichen Existenz, nämlich, dass die Geschlechtsidentität als Mann oder als Frau unhintergehbar ist, wenn sie sich auch in verschiedenen Kulturen und geschichtlichen Epochen unterschiedlich ausformt, und dass die Reifung zur Vaterschaft und Mutterschaft das Normalprogramm des Menschen ist. Konkret zeigt sich der Angriff auf die Geschlechtsidentität in den Strategien zur „Veruneindeutigung“ „Verunsicherung“, „Denaturalisierung“ von Geschlecht (vgl. Nina Degele, in: Freiburger Frauen Studien, Ausgabe 12: Dimensionen von Gender Studies, 79–102), etwa in dem Bemühen der Kindergarten-Pädagogik, Kinder aus den „Stereotypen“ der Geschlechtsidentität zu „befreien“, oder im Menschenbild der Grünen Jugend, welche „einen Menschen nicht als eine Person“ versteht, „die ihr Leben lang einer Geschlechtsidentität als Mann oder Frau ausgesetzt ist“ (Queere Resolution, März 2013).

In den Yogyakarta-Prinzipien, einem einflussreichen strategischen Dokument zur totalitären Umgestaltung der Gesellschaft im Dienste der LGBT-Interessen (Abkürzung für „lesbian, gay, bisexual, and transgender“), findet sich eine Definition der neuen Begriffe „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtliche Identität“ (gender identity). Diese Definitionen zeigen, dass die Saat des Genderismus aufgeht:

„Der Begriff sexuelle Orientierung bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, sich emotional und sexuell intensiv zu Personen desselben oder eines anderen Geschlechts oder mehr als einen Geschlechts hingezogen zu fühlen und vertraute und sexuelle Beziehungen mit ihnen zu führen“ (Yogyakarta-Prinzipien, 11, Anm. 1).

In dieser Definition ist keine Art von sexueller Präferenz und Aktivität ausgeschlossen, als da sind: Pädophilie (Sex mit Kindern), Inzest (Sex mit Blutsverwandten), Polygamie, Polyandrie, Polyamorie (Sex mit mehreren Personen) oder Zoophilie (Sex mit Tieren). „Unter geschlechtlicher Identität versteht man das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das mit dem Geschlecht, das der betroffene Mensch bei seiner Geburt hatte, übereinstimmt oder nicht übereinstimmt; dies schließt die Wahrnehmung des eigenen Körpers (…) sowie andere Ausdrucksformen des Geschlechts, z. B. durch Kleidung, Sprache und Verhaltensweisen, ein“ (Yogyakarta-Prinzipien, 11, Anm. 2). Welches Geschlecht einer hat, soll also eine Frage des Gefühls und der willkürlichen, subjektiven Entscheidung sein.

„Sexuelle Orientierung“ und „sexuelle Identität“ werden in Antidiskriminierungsgesetzen unter den Schutz des strafbewehrten Gesetzes gestellt. Die Gender-Ideologie missachtet das der Sexualität innewohnende „telos“ (griechisch: Bestimmung, Ziel), nämlich die Zeugung neuen Lebens, indem der Sexualakt durch Verhütung und Abtreibung systematisch von der Fruchtbarkeit getrennt und Sexualität auf Lustgewinn – in welcher Form auch immer – reduziert wird. Kinder werden durch den obligatorischen Sexunterricht in Schulen nach diesem Menschenbild geformt.

Die Gender-Ideologie ignoriert, dass das kleine zerbrechliche Wesen Mensch des Biotops der Familie bedarf, welche auf dem Bund eines Mannes und einer Frau beruht. Sie nennt Ehe, was niemals eine Ehe sein kann, die Partnerschaft zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen, die nicht akzidentiell, sondern ontologisch zur Zeugung neuen Lebens unfähig sind.

Der Begriff der Normalität ist unverzichtbar

Die Grundtatsachen der menschlichen Existenz sind in unseren Körper, unser Gehirn, unser Herz und unsere Seele eingeschrieben. Wer sie verleugnet, bezahlt mit Leiden. Die ersten, unschuldigen und ohnmächtigen Opfer sind die Kinder, die, wenn unerwünscht, vor der Geburt getötet werden, bei Fehlen eines gegengeschlechtlichen Partners mittels Samenspende und Leihmutterschaft produziert werden, im Falle des Verlustes von Vater und Mutter gleichgeschlechtlichen Paaren per Adoption übereignet werden, und, sofern sie das Licht der Welt erblicken, bereits als Baby in kollektive Aufbewahrung abgeschoben werden.

All das sind nur einige der konkreten Verwerfungen in einer Gesellschaft, welche, wie Spaemann sagt, „den Begriff des Normalen tabuisiert und unter Ideologieverdacht“ stellt. „Dabei ist Normalität für alles Lebendige konstitutiv (…) Der Begriff der Normalität ist unverzichtbar, wenn es um den Umgang mit Lebensvorgängen geht. Irrtümer auf diesem Feld sind lebensgefährlich für die Menschheitsfamilie“ (GSR, Geleitwort).

Marschütz führt in seinem Artikel Joseph Ratzinger ins Feld, um die naturrechtliche Argumentation zu diskreditieren. In einem Artikel von 1964 soll er im Kontext der Naturrechtslehre von „ideologischen Elementen“ gesprochen haben – die Quellenangabe fehlt. Näher hätte die Rede Papst Benedikt XVI. im Bundestag am 22. September 2011 gelegen, in der er die für den Gesetzgeber entscheidende Frage stellt: „Wie erkennt man, was recht ist?“ Der Papst plädiert dafür, dass aus dem Sein ein Sollen folgt, dass es „eine Brücke zwischen Natur und Ethos“ gibt, „dass Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern dass die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen“. Teil dieser Erde ist der Mensch. Der Papst fährt fort: „Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten (…). Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann.“

Diese Ökologie des Menschen wird von einer kleinen, radikalen, sexuell definierten Minderheit, welcher seit 1968 der Marsch durch die Institutionen bis an die Schalthebel der Macht in den UN und der EU gelungen ist, missachtet, ja, außer Funktion gesetzt. Das eigene Geschlecht zu „wählen“, die „heterosexistischen Signaturen“ in der Gesellschaft auszumerzen, jede Art von sexueller Identität und sexueller Praxis gesetzlich zu legitimieren und durch Strafverfolgung vor „Diskriminierung“ zu schützen, die Partnerschaft zwischen zwei Männern oder zwei Frauen der Ehe gleichzusetzen, entspricht nicht den Bedürfnissen und Forderungen einer Massenbewegung, vielmehr handelt es sich um eine top-down Revolution, die hinter dem Rücken der Bevölkerung nach allen Regeln der Kunst des social engineering durchgesetzt wird.

Wen interessiert das philosophische Kauderwelsch, mit dem Genderisten ihre radikalen gesellschaftspolitischen Ziele verbergen? Bei Judith Butler klingt das so: „Das ‚biologische Geschlecht‘ ist ein ideales Konstrukt, das mit der Zeit zwangsweise materialisiert wird. Es ist nicht eine schlichte Tatsache oder ein statischer Zustand eines Körpers, sondern ein Prozess, bei dem regulierende Normen das ‚biologische Geschlecht‘ materialisieren und diese Materialisierung durch eine erzwungene ständige Wiederholung jener Normen erzielen“ (Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Berlin 1995, 21).

Marschütz zitiert nur meine „Übersetzung“ dieser Gender-Sprache, die ebenso willkürlich ist, wie die Inhalte, die sie ausdrückt, nämlich: „Männer und Frauen gibt es gar nicht. Das Geschlecht ist eine Phantasie, etwas, das wir nur deswegen glauben, weil es uns so oft gesagt wird. Gender ist nicht an das biologische Geschlecht gebunden, dieses spielt überhaupt keine Rolle, es entsteht nur, weil es durch die Sprache erzeugt wird und die Menschen glauben, was sie ständig hören. Identität ist im Blick Judith Butlers freischwebend und flexibel, es gibt kein männliches oder weibliches Wesen, sondern nur eine bestimmte performance, also ein Verhalten, das sich jederzeit ändern kann.“ Um zu zeigen, dass dies von Butler nicht so gemeint sein könne, rekurriert Marschütz nicht auf seine Kenntnis des Werkes Judith Butlers, sondern zieht ein Interview heran, das Butler dem „Philosophie Magazin“ gab, als ihr am 11. September 2012 in der Paulskirche der Theodor W. Adorno Preis mit 50 000 Euro verliehen wurde. Sie hatte Grund, sich nicht noch weiter ins Abseits zu stellen, denn wegen ihres Aufrufs zum Boykott von Israel und der Unterstützung der Hamas – eine überraschende Position für eine Jüdin – hatte ihr der Wind heftig ins Gesicht geblasen.

Im Interview sagte sie: „Ich bin ja nicht verrückt. Ich bestreite keineswegs, dass es biologische Unterschiede gibt“. Aber dass diese eine Relevanz für den Menschen haben, das bestreitet sie mit dem Ziel, ihre Relevanz zu zerstören. „Gender Trouble – Subversion of Identity“ heißt der Originaltitel ihres Buches, Deutsch: „Das Unbehagen der Geschlechter“ (UG). Wie untergräbt man die Identität des Menschen? Indem man den „Phallogozentrismus und die Zwangsheterosexualität dezentriert“ (UG,9), „die starren sexuellen Codes wirksam de-reguliert“ (UG,11), die „Körper-Kategorien denaturalisiert und resignifiziert“, performative „gender acts“ inszeniert, welche „die Kategorien des Körpers, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und der Sexualität stören und ihre subversive Resignifizierung und Vervielfältigung jenseits des binären Rahmens hervorrufen“ (UG, 12).

Auch das Inzesttabu möchte Judith Butler abschaffen – eine Sicht, die sich neuerdings der Deutsche Ethikrat zu eigen gemacht hat –, denn darin sieht sie die Ursache für das „Phantasma“ geschlechtlicher Identität als Mann oder Frau und für das Tabu gegen Homosexualität. Sie sagt: „Das Inzesttabu ist genau jenes juridische Gesetz, das angeblich die Inzestbegehren verbietet und zugleich durch den Mechanismus der Zwangsidentifizierung gewisse geschlechtlich bestimmte Subjektivitäten (gendered subjectivities) hervorbringt“ (UG, 118). Es soll auch deswegen aufgehoben werden, weil es „ein Tabu gegen die Homosexualität einschließt“ (UG, 115). Warum ignoriert Marschütz solche Aussagen?

Marschütz findet es unstatthaft, mitzuteilen, dass Genderistinnen häufig lesbisch sind, woraus auch Judith Butler keinen Hehl macht. Ein Moraltheologe nenne dies einen „genetischen Fehlschluss“, dass also von der „Genese eines Arguments“ (womit unter diesen Begriff hier die sexuelle Identität des Autors einer Theorie subsumiert wird) auf deren Wahrheitsgehalt geschlossen werde. In der Tat interessiert mich, wie jemand lebt, der Theorien entwickelt, welche die Geschlechtsidentität untergraben. Nur allzu leicht kann der Intellekt zum Büttel persönlicher Interessen und persönlicher Leidenssituationen gemacht werden, anstatt der Wahrheitsfindung zu dienen – wenn es ein großer Intellekt ist, kann daraus eine philosophische Theorie werden.

„Selektives Heranziehen von Quellen“ und das Ignorieren und Verzerren von Studien wird mir vorgeworfen – ohne dass dies auch nur in einem Fall belegt wird. Der Autor müsste sich die Mühe machen, am einzelnen Argument zu zeigen, dass eine Behauptung ein „Fehlurteil“ ist, weil ich relevante Quellen ignoriert habe.

Die Einforderung von Wissenschaftlichkeit, worunter ich eine Verpflichtung auf die vernünftige Erkenntnis von Wahrheit verstehe, scheint der Autor jedoch seinerseits selektiv zu adressieren. Es scheint ihn nicht zu stören, dass Feministinnen objektive Wissenschaft über Bord werfen, weil sie der feministischen Agenda im Wege steht. Was mit der „Kritischen Theorie“ der Frankfurter Schule begann, nämlich die Instrumentalisierung der Wissenschaft zur Gesellschaftsveränderung, treiben die Genderistinnen auf die Spitze.

Dona Haraway, welche in ihrem „Cyborg Manifesto“ Hybride aus Mensch und Maschine als Zukunftsvision entwickelt, will den Objektivitätsanspruch der Wissenschaft dekonstruieren. Ein neuer Objektivitätsbegriff sei notwendig. „Dies müsse ein Begriff sein, der ‚den Standpunkt der Unterworfenen‘ einnimmt und ‚eine Perspektive aus der Position der weniger Mächtigen‘ sei“ (Christian Fuchs, Der Feminismus Donna Haraways und die materialistisch-feministische Kritik der Postmoderne; http://fuchs.uti.at/wp-content/uploads/infogestechn/haraway.htmlw). Klar, wer die Unterworfenen sind: alle Frauen dieser Welt.

Marschütz lässt nur zwischen den Zeilen erkennen, wo er steht, und löst so auf seine Weise die Quadratur des Kreises: als katholischer Theologe im Gender-Mainstream zu schwimmen. Er beschreibt das Anliegen der Queer Studies ohne Andeutung eines differierenden Standpunkts als das Bestreben, die heterosexuelle Matrix aufzulösen, auf dass es keine „verworfenen Wesen“ mehr geben möge, „die geschlechtlich nicht richtig identifiziert zu sein scheinen“. Erscheinungsformen dieser queeren Wesen sind drag queens und kings, leather queens, cross dressers, transsexuelle Lesben. Dem neuen akademischen Forschungszweig Queer Studies geht es um „gender fluidity“, nämlich um die Schaffung „neuer Individualitäten und Einzigartigkeiten, um die alten, ausgedienten sozialen Normen über den Haufen zu werfen“ (Riki Wilchins). „Wachstumspotenzial für die eigene Lehre“ des katholischen Theologie-Professors Marschütz?

Die Gender-Ideologie hat keine Zukunft

Papst Benedikt XVI. beleuchtete am 21. Dezember 2012 in einer Ansprache an das Kardinalskollegium und die Römische Kurie die „tiefe Unwahrheit“ dieser Theorie: „Wenn es aber die von der Schöpfung kommende Dualität von Mann und Frau nicht gibt, dann gibt es auch Familie als von der Schöpfung vorgegebene Wirklichkeit nicht mehr. Dann hat aber auch das Kind seinen bisherigen Ort und seine ihm eigene Würde verloren (…) Wo die Freiheit des Machens zur Freiheit des Sich-selbst-Machens wird, wird notwendigerweise der Schöpfer selbst geleugnet und damit am Ende auch der Mensch als göttliche Schöpfung, als Ebenbild Gottes im Eigentlichen seines Seins entwürdigt. Im Kampf um die Familie geht es um den Menschen selbst. Und es wird sichtbar, dass dort, wo Gott geleugnet wird, auch die Würde des Menschen sich auflöst. Wer Gott verteidigt, verteidigt den Menschen.“

Wir sind im Begriff, in den unaufhaltsamen demografischen Winter hineinzu­schlit­tern. Die Kernursache ist die systematische Trennung der Sexualität von der Fruchtbarkeit. Das wird jeder spätestens dann als Irrweg erkennen, wenn der Sozialstaat in absehbarer Zeit unter dem Druck der demografischen Krise seine Pufferfunktion verliert. Warm halten werden die Familien, aber nur jene, die Familie haben. Auch andere Zukunftsindikatoren zeichnen keinen rosa Streifen an den Horizont: Die ­wirtschaftliche Entwicklung, die Migration, der Verteidigungsfähigkeit, der psychosoziale Zustand der Menschen in den zerbrochenen Familien. Warum, um Himmels Willen, betreibt die westliche Welt das Gender-Projekt zur Zersetzung der Geschlechtsidentität von Mann und Frau, der Deregulierung der sexuellen Normen, der Auflösung der Familie? Die Gender-Ideologie zerstört die Zukunft und hat keine Zukunft, denn sie richtet sich gegen die Natur, die Vernunft und Gott. Sie wird verschwinden, so bald materielle Not die Menschen zwingt, sich der Wirklichkeit der irdischen Existenz zu fügen.

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