Modelle der Kirchenfinanzierung in der DiskussionReizthema Geld

Das Finanzgebaren des ehemaligen Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst hat zu einer deutlichen Verschärfung der Diskussionen über den Umgang der Kirchen mit Geld geführt. Von der Vermögens- und Finanzverwaltung über die Kirchensteuer und die Staatsleistungen bis hin zu den kirchlichen Stiftungen stehen dabei ganz unterschiedliche Themen zur Debatte. Hilfreich ist hier allerdings auch ein Blick auf die Kirchenfinanzierung in anderen Ländern.

Obwohl beide großen Kirchen in Deutschland sich seit mehr als einem Jahrzehnt darauf einstellen, mit weniger Finanzmitteln auskommen zu müssen, sind die Kirchensteuereinnahmen zuletzt wieder gestiegen: „Kirchen schwimmen im Geld“ titelte daraufhin Anfang Oktober zugespitzt die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“.

Auf der anderen Seite waren da zuletzt die Finanzskandale, vor allem jener im Bistum Limburg, die das Misstrauen gegenüber dem kirchlichen Umgang mit Geld verschärft haben. Aber auch auf Seiten der evangelischen Kirche gab es wie in der Evangelischen Kirche im Rheinland oder im Stadtdekanat München mit jeweils gescheiterten Anlagegeschäften zuletzt genügend Vorfälle, die den Kritikern Oberwasser gegeben haben. Die ARD sendete bereits Mitte September einen entsprechend angeschärften Film über den „verborgenen Reichtum der katholischen Kirche“.

Es ist deutlich zu spüren, dass derzeit noch genauer hingeschaut wird, wie viel Geld die Kirche hat, wie sie es verwaltet und wofür sie es verwendet. In Leipzig wie in Münster beispielsweise muss heftiger als bisher um den üblichen städtischen Zuschuss für die beiden nächsten Katholikentage gerungen werden. Auch andere Finanzverantwortliche berichten, dass die Verhandlungen über die staatliche Refinanzierung kirchlicher Aufgaben schwieriger geworden sind. Und während länger schon die laizistischen Kräfte in den Parteien die historisch begründeten Staatsleistungen an die beiden großen Kirchen in Frage stellen, empfinden zwischenzeitlich auch manche Kirchenmitglieder selbst die Zahlungen nicht mehr als plausibel.

Insgesamt, so jüngst Petra Bahr, bisher Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und seit kurzem Leiterin der Hauptabteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung, sei die Vertrauenskrise angesichts der Kirchenfinanzen dabei, die Religionskrisen in Westeuropa zu verstärken. Dass der Blick auf die Finanzierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in anderen Ländern auf der anderen Seite auch helfen kann, die Diskussionen zu versachlichen, war freilich ebenfalls bei einer Tagung der Stiftung im norditalienischen Cadenabbia zu lernen. Unter dem Titel „Geld, Gott und Glaubwürdigkeit. Finanzierung öffentlichen religiösen Handelns in der Diskussion“ fand dort Mitte Oktober ein Expertengespräch mit großer internationaler Beteiligung statt (vgl. Karlies Abmeier u. a., Religion im öffentlichen Raum, Religion – Staat – Gesellschaft, Band 1, Paderborn 2013).

Vergleichsweise unaufgeregt noch lässt sich die theologische Seite des Verhältnisses von Kirche und Geld diskutieren. Das gilt für die durchaus vielfältigen Stimmen des biblischen Zeugnisses, das keine kohärente Theorie bietet. Der Reichtum von Salomon oder der Königin von Saba wird in der hebräischen Bibel unkritisch geschildert, Jesu Gleichnisrede selbst nimmt mehrfach Bezug auf den erfolgreichen Umgang mit Geld.

Auf der anderen Seite gilt, so haben Vertreter aller drei monotheistischen Religionen deutlich gemacht, dass das jeweilige Zinsverbot, das heute je nach Hermeneutik der Heiligen Schriften unterschiedlich ernst genommen wird, darauf abzielt, Verarmende nicht systematisch in den Ruin treiben zu dürfen. Eine Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem oder einer ungerechten Verteilung von Boden und Ressourcen kann hier immerhin anknüpfen.

Ralf Meister, Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, hat in Cadenabbia darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es Jesus grundsätzlich um das Aufzeigen der Alternative Gott oder Mammon als letztem Ziel gegangen sei. Weil Geld niemals Selbstzweck sein dürfe und in erster Linie Mittel zum Dienst an den Schwächsten der Gesellschaft bleiben müsse, bleibe die prophetische Kritik aktuell. Hier gab es auch keine wesentlichen Differenzen zwischen den Konfessionen, wie die Freiburger Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer in ihrem Durchgang durch die katholische Soziallehre bis zur Kritik am Geld-Fetischismus des gegenwärtigen Papstes unterstrich.

Die entscheidende Frage dabei ist allerdings, inwieweit die Kirchen diese theologischen Erkenntnisse einschließlich ihrer Wirtschaftskritik auch auf den Binnenraum beziehen und dort selbst anwenden, betonte der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip. 

Auch in Europa ist die finanzielle Situation sehr unterschiedlich

Hier wiederum stellt sich die Situation weltweit höchst unterschiedlich dar. Die Verhältnisse in Nigeria beispielsweise knüpfen insofern eng an die biblische Lebenswelt an, als – auch gespeist durch die afrikanischen Naturreligionen – das Verständnis vorherrscht, dass das Eigentum letztlich der Gemeinschaft gehöre. So wie Kreditverträge immer auch von Familienmitgliedern mitunterzeichnet werden, wie der langjährige Generalvikar des Bistums Enugu, Obiora Ike, berichtete, wird das, was der Pfarrer und die Gemeinde benötigen, von allen aufgebracht. Da bringt jeder, was er kann – und wenn es ein Huhn ist. Israel-Peter Mwakyolile, Bischof der Konde-Diözese der Evangelisch-lutherischen Kirche in Tansania, klagte freilich auch mit Blick auf seine Region, dass angesichts schlechter Bezahlung und ausfallender Altersvorsorge kaum gute Mitarbeiter gefunden werden könnten.

Guillermo Léon Escobar Herrán, ehemals Botschafter seines Landes beim Heiligen Stuhl und jetzt Direktor des Instituts „Fe y Paz“ in Bogotá, resümierte mit Blick auf Kolumbien, dass die katholische Kirche auch nach den Enteignungen des 19. Jahrhunderts immer noch beträchtliche Besitztümer aus der spanischen Kolonialzeit ihr Eigen nennt. Die regionalen Unterschiede führen allerdings dazu, dass Priester im Süden nur den Mindestlohn von rund 250 Euro im Monat verdienen, während sie im Norden bis zu 3000 Euro erhalten können. Der Prozess einer Wandlung der „Prinz-Bischöfe zu Hirten-Bischöfen“ verlaufe nur sehr langsam.

In Südkorea, wo es erst seit 1886 eine freie Religionsausübung gibt, macht wiederum ein monatlicher Kirchenbeitrag zwei Drittel der Einnahmen aus. Immerhin 41 Prozent aller 5 Millionen Katholiken überweisen jeweils drei bis fünf Prozent ihres Einkommens, was durchschnittlich 35 Euro entspricht. Zusammen mit den Sonntagskollekten und anderen Opfergaben beruht die Finanzierung der katholischen Kirche demnach zu 95 Prozent auf Spenden. Auch der Anteil der Einnahmen durch Messstipendien ist daneben mit weiteren 20 Prozent erheblich, wobei – wie Michael Jeong-Hun Shin, Dozent am Priesterseminar in Seoul, kritisch anmerkte – Missverständnisse über den Zusammenhang zwischen Gottesdienst und Geldleistung nicht ausgeschlossen seien. Bei den 232 evangelischen Denominationen bezahlen 40 Prozent der Familien ihren Zehnten, der in der Summe 70 Prozent der Einnahmen dieser Kirchen bedeutet. Gelegentlich werde auch hier auch ein recht enger Zusammenhang von der Begleichung des Zehnten und der Erfahrung der Gnade Gottes hergestellt.

Auch in Europa selbst ist die finanzielle Situation der Kirchen sehr unterschiedlich. In den Transformationsländern Ost- und Südosteuropas unterstellten sich die orthodoxen Kirchen freiwillig der staatlichen Macht, kritisierte der orthodoxe Theologe Radu Preda, inzwischen in Bukarest Direktor des rumänischen Instituts für die Erforschung der kommunistischen Gewaltverbrechen. In Rumänien beispielsweise werde nicht nur, wie auch in Ländern mit einer stärkeren Trennung von Staat und Kirche, die Seelsorge an Mitarbeitern hoheitlicher Aufgaben (Militär, Gefängnis etc.) direkt vom Staat bezahlt, sondern auch viele kirchliche Angestellte bis hin zu den Bischöfen, die ein Minister-Gehalt bezögen, was der Glaubwürdigkeit nicht zuträglich sei. Mit Blick auf die rege Bautätigkeit angesichts der finanziellen Unterstützung spreche man nicht zu Unrecht von der „Betonphase der rumänischen Orthodoxie“ – während es kritische Stimmen schwer hätten.

Das erinnert daran, dass in der „laizistischen“ Türkei die Moscheegemeinden sich keine Sorgen um die Anstellung ihrer Imame machen müssen, die vom staatlichen Religionsministerium „Diyanet“ finanziert und in der Ära von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan nach Einschätzung Bekir Albogas, Vorstandsmitglied der DITIB in Köln, auch anständig bezahlt werden – während die Gebäude von den rund 26 000 religiösen Stiftungen unterhalten werden müssen.

Für und Wider der Kirchensteuer

Annäherungen an die westeuropäische Situation sind in Polen zu beobachten. Einerseits gibt es die enge Verbundenheit zwischen katholischer Kirche und Gesellschaft, aufgrund derer die Seelsorger mit ihren Besuchen etwa in der Weihnachtszeit erhebliche Spenden einwerben können. Gelegentlich findet man auch noch eine eigene „Preisgestaltung“ für den Sakramentenempfang. Insgesamt, so Wojciech Sadłon, Mitarbeiter des Statistik-Instituts der Katholischen Kirche in Warschau, stammen 80 Prozent der Einkünfte aus freiwilligen Spenden. Daneben werden kirchliche Aktivitäten inzwischen auch staatlich finanziert. So gibt es heute sechs theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten und fünf zumindest teilweise staatlich finanzierte katholische Universitäten und Hochschuleinrichtungen.

Viel diskutiert wurde zuletzt in Polen über eine neue Regelung, der zufolge – vergleichbar dem italienischen Modell – die Größenordnung von 0,5 Prozent der Steuerschuld mit der Steuererklärung an die katholische Kirche oder andere Religionsgemeinschaften abgetreten werden. Bisher schon ist es möglich, eine Summe in Höhe von 1 Prozent der Einkommenssteuer an gemeinnützige Organisationen, darunter auch katholische, zu spenden und den Betrag von der Steuer abzusetzen.

Dass die in Polen ausdrückliche abgelehnte Kirchensteuer nach deutschem Vorbild auch ihre Vorteile hat, zeigt auch die Situation in der Schweiz. In den 26 Kantonen des Landes gibt es 26 verschiedene Regelungen, sodass es in Bistümern mit mehreren Kantonen zu großen Unterschieden kommt. Für immerhin ein knappes Drittel der Schweizer, jene im frankophonen Teil, gibt es gar keine verpflichtende Kirchensteuer. Und wo, wie im Kanton Neuenburg, die staatliche Finanzverwaltung den Betrag ausrechnet, woraufhin er auf freiwilliger Basis überwiesen werden kann, gehen letztlich nur 10 Prozent der errechneten Summe ein, berichtete der Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, Daniel Kosch

Dort wo die Kirchensteuer fließt, wird sie von den Gemeinden eingenommen und zu einem kleineren Teil an die nächst höheren Ebenen weitergegeben. Letztlich kommen 13 Prozent auf kantonaler Ebene – verwendet etwa für die Kategorial-Seelsorge oder die Erwachsenenbildung – und rund 1 Prozent auf der Ebene der Diözesen beziehungsweise der Bischofskonferenz an, die dadurch immerhin in punkto finanzieller Verantwortung und Verwaltung entlastet werden.

Die Folge davon ist, dass in erster Linie die Kirchengemeindemitglieder über den Mitteleinsatz entscheiden und die von ihnen gewählten Behörden diese Beschlüsse umsetzen sowie darüber öffentlich und transparent Rechenschaft ablegen müssen. Das führt zu einer größeren Nähe der Finanzverantwortlichen zu den Steuerzahlern, bei allen Entscheidungen müssen sie die Frage der Resonanz bei den Gemeindemitgliedern bedenken. Überzeugungsarbeit und die Suche nach Mehrheiten werden dadurch wichtiger.

Den größten öffentlichen Druck gab es zuletzt beim Thema Staatsleistungen

„Obwohl das ein sehr stichhaltiges Argument für ein basisnahes Kirchensteuersystem wäre: Die Kirchenaustritte reduziert es im Vergleich mit dem deutschen System nicht“, räumte Kosch auf der anderen Seite ein. Immerhin sei das System relativ stabil. Akzeptanzprobleme hätten eher jene „Kräfte der Bischofskonferenz und in den Bistumsleitungen, die behaupten es zu verbessern, de facto aber seine Demontage betreiben“, weil sie es als nicht vereinbar mit der katholischen Ekklesiologie ansehen (vgl. HK, Oktober 2013, 491 f.).

Wenig überraschend, dass Jens Petersen, Referent für Steuerfragen in der Finanzabteilung des Kirchenamtes der EKD, das Finanzierungsinstrument Kirchensteuer angesichts dieses Rundblicks als seit 100 Jahren zuverlässig, planbar und – bei 4,8 Milliarden (evangelisch) beziehungsweise 5,5 Milliarden Euro (katholisch) im Jahr 2013 mit weiterhin steigender Tendenz – als ergiebig würdigte. Sie habe sich trotz aller Konjunktureinflüsse und Steuerreformen bewährt, nicht zuletzt wegen des geringen Verwaltungsaufwands. Während in Österreich die Kirchen selbst den Kirchenbeitrag auf der Grundlage der Einkommenssteuer einziehen, wird der Betrag in Deutschland den Kirchen von der staatlichen Finanzverwaltung überwiesen. Die Steuer sei darüber hinaus fair, weil sie sich an der Leistungsfähigkeit orientiere und letztlich eine moderate Belastung sei. Bereits die zehn Prozent Einkommensstärksten zahlten 60 Prozent des Aufkommens.

Auch diese Zahlen muss man jedoch relativieren. Trotz des nominellen Anstiegs liegt das Aufkommen inflationsbereinigt auf dem Niveau des Jahres 1991 und ist strukturell weiter rückläufig, sodass mittelfristig Alternativen notwendig sein werden. Doch weder das Fundraising noch gar das nur hier und da existierende Kirchgeld (vgl. HK, Februar 2006, 83 ff.) werden die Lücken schließen können, sodass man sich ausgehend von jenem hohen Niveau mit Rückgängen wird abfinden müssen.

Kontroverser ging es auf der Tagung bei der aktuellen deutschen Spezialfrage der ab kommenden Januar einbehaltenen Kirchensteuer auf Kapitalerträge zu, nachdem bereits die Ankündigung zu einer Kirchenaustrittswelle geführt hat (vgl. HK, Oktober 2014, 490). Allgemein kritisch angemerkt wurde die suboptimale Information einschließlich der Frage, warum man überhaupt die Kommunikation in die Hände der Banken gelegt habe. Es sei ein Fehler gewesen, nicht seinerzeit bei der Einführung der Abgeltungssteuer bereits auf die Pflichtabgabe zu drängen, weil diese ja – selbst zuzüglich Kirchensteuer – im Vergleich mit dem persönlichen Steuersatz in der Regel eine deutlich geringere Belastung zur Folge hatte.

Den größten öffentlichen Druck bei Fragen der Kirchenfinanzierung gab es zuletzt beim Thema Staatsleistungen (vgl. HK, Februar 2014, 79 ff.). Gerade weil es auch innerkirchlich einen Stimmungswechsel gegeben habe, könne man nicht einfach auf ein Bundesgesetz warten, dass den Rahmen für entsprechende Verhandlungen zwischen den Ländern und den Kirchen setzt, forderte Norbert Feldhoff, ehemaliger Kölner Generalvikar und scheidender Dompropst. Er warnte nachdrücklich vor der Annahme, dass eine ärmere Kirche eine per se glaubensstärkere werde, wies aber auch in Cadenabbia darauf hin, dass der Entweltlichungs-Topos der Freiburger Rede von Benedikt XVI. gerade angesichts dieser Frage an das Zweite Vatikanische Konzil anknüpfen könne (vgl. auch seinen Beitrag in „Stimmen der Zeit“, Nr. 10/2014, 657–666).

Immerhin hat die Pastoral-Konstitution formuliert: Die Kirche setze „ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden“: „Sie wird sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, dass durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist oder wenn veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung fordern“ (GS 76). Feldhoff stellte deswegen die Frage: „Wäre es nicht an der Zeit, mit neuen, kreativen Vorschlägen auf die Länder zuzugehen, um zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen? (665).

Oberkirchenrat Thomas Begrich, Leiter der Finanzabteilung der EKD in Hannover, beklagte demgegenüber, dass die Kirchen hier Opfer des Nichthandelns des Staates geworden seien. Obwohl es sich nicht um Privilegien handele, seien es die Kirchen, die inzwischen in Legitimationsschwierigkeiten geraten sind. Immerhin fordert die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bereits die Ablösung. Sie habe sie allerdings auch mit einer Ausgleichspflicht verknüpft, wie Ansgar Hense, Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, in seinem Vortrag über „Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Ablösung“ erinnerte.

Während einige Landeskirchen beziehungsweise Bistümer kaum Zahlungen erhalten, können vor allem die südlicheren Bistümer nicht so ohne Weiteres auf die historisch gewachsenen Verpflichtungen verzichten. Die Bereinigung teils skurril anmutender kleinerer Verpflichtungen sei leicht zu erreichen, so Hense – ganz im Gegenteil zur Lösung des Großthemas. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag eines Fonds für die Denkmalpflege, sodass einerseits die oft mit Staatsleistungen abgedeckten Baulasten weiter finanziert werden können, ohne dass das Geld einfach der Kirche zufließen würde.

Schließlich ging es auf der Tagung auch um das zweite derzeit heiß diskutierte Thema des kirchlichen Vermögens. Marlehn Thieme, EKD-Ratsmitglied und Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, mahnte hier freilich gerade mit Blick auf Pensions- und Baulastrückstellungen auch eine „Entmystifizierung“ an. Feldhoff wies darauf hin, dass das Ansammeln eines Kapitals von inzwischen mehr als 16 Milliarden Euro der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK), mit dem die Altersvorsorge der Mitarbeiter gewährleistet werde, letztlich sozialer sei als die Politik des Bundes und der Länder, die nicht in ausreichendem Maße Pensionsrückstellungen getätigt hätten. Angesichts des derzeitigen Zinsniveaus seien selbst diese kirchlichen Rücklagen knapp. 

Im Zusammenhang mit dem viel gescholtenen Reichtum der Kirchen in Deutschland berichtete der Dresdener Juraprofessor Martin Schulte über die Professionalisierung kirchlicher Stiftungen. Die 30 000 kirchlichen Stiftungen in beiden christlichen Kirchen hätten beachtliche Vermögen, seien allerdings bisher noch zu wenig transparent. Hinzu komme das Problem der Spannung zwischen der vom Stiftungsgedanken gebotenen Autonomie und der Notwendigkeit kirchlicher Aufsicht, die gerade bei Finanzgeschäften die Besonderheiten von Unternehmensstiftungen oft nicht erkenne und dann gegen die fachlich überlegenen Stiftungsorgane Risiken eingehe – oft genug mit fatalem Ausgang.

Schulte wertete hier das Motu proprio „Intima Ecclesia Natura“ Benedikts XVI. vom 11. November 2012, das sich den Organisationsstrukturen kirchlicher Wohlfahrtspflege widmet, als Fortschritt, weil es die bischöfliche Aufsicht beschränke und entlaste. Grundsätzlich ist die Stiftungsaufsicht nur noch für die Umsetzung des kirchlichen Arbeitsrechts, Umstrukturierungen, Satzungsfragen und grundsätzliche Rechtsgeschäfte zuständig, was der Professionalisierung der Stiftungen zugutekomme.

Nicht auf den nächsten größeren Skandal warten

Auch in Cadenabbia ist deutlich geworden, dass alle Alternativen zur Kirchensteuer mit eigenen Abhängigkeiten verbunden sind: von besonders wohlhabenden Gläubigen, vom Staat oder vom Finanzmarkt. Umso wichtiger ist es, dass die Kirche mit dem ihr anvertrauten Geld umsichtig wirtschaftet, sich dabei kontrollieren lässt und die Erträge wie das Vermögen offenlegt.

Auf absehbare Zeit bleibt dabei als Problem, dass es weder ohne weiteres möglich ist, neben den Diözesanhaushalten und bischöflichen Stühlen sowie diözesanen Stiftungen einen Überblick über das Vermögen aller einschlägiger Rechtsträger gebündelt zu geben – zumal die Diözesen (wie die Landeskirchen) momentan über die Arbeitsbelastung klagen, ihre Haushaltsführung von der Kameralistik mit einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung auf die kaufmännische Buchhaltung (Doppik) umzustellen. Einmal abgesehen davon, dass der Handelswert aller Kirchengebäude nahe Null sein dürfte, wäre auf der Ebene der Pfarrgemeinden eine Zusammenstellung eher leistbar, schwieriger wird es schon bei weiteren kirchlichen Stiftungen bis hin zum Vermögen der exemten Orden.

Das Problem: Anfang November wurde etwa ein nicht zuzuordnender Betrag in Höhe von 4,4 Millionen Euro auf dem Konto des verstorbenen Abtes des Klosters Neresheim bekannt und darüber auch in der Presse entsprechend kritisch berichtet, nachdem die Sensibilität bei diesem Thema stark angestiegen ist. Das ist nur das jüngste Beispiel dafür, wie die katholische Kirche als Ganze in – moralische – Mithaftung genommen wird.

Mit Blick auf die Wohlfahrtsverbände rechnete Begrich im Übrigen vor, dass deren weitgehend staatlich refinanziertes Finanzvolumen rund das Vierfache von dem der verfassten Kirchen ausmache. Auch hier gebe es keine Alternative. Mit Spenden allein sei bei der Größenordnung dieser Aufgabe nicht viel auszurichten, sodass die kritischen Anfragen von laizistischen Aktivisten wie Carsten Frerk (Violettbuch Kirchenfinanzen) hier nicht greifen. An dieser Stelle werde am deutlichsten, dass der Staat vielfach nicht kirchliche, sondern gesellschaftliche Aufgaben finanziere.

Immerhin, so der Luzerner Politikwissenschaftler Antonius Liedhegener, sei es heute unumstritten, dass Kirchen und Religionen zur Zivilgesellschaft gehören und zusammen mit den kirchennahen Organisationen wichtige Leistungserbringer in einer pluralen Gesellschaft sind und sich auch entsprechend positionieren sollten. Ein Systemwechsel wäre sehr teuer. Liedhegener plädierte für „einen Mix aus kooperativer Trennung, zivilgesellschaftlicher Verankerung, religiösem Revival und modernem Leistungsstaat“.

Zu einer transparenteren und besser kontrollierten Finanzverwaltung, die der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller angemahnt hat, gibt es im Übrigen auch dann keine Alternative, wenn dadurch Manches schwerer wird: Sowohl mit Blick auf Stellenstreichungen oder die Ablehnung von Baumaßnahmen ist ein erhöhter Argumentationsbedarf gegeben, wenn das Vermögen einmal offengelegt ist.

Marlehn Thieme, forderte in ähnlicher Weise verbesserte Regeln für kirchliche „Governance in wirtschaftlichen Kontexten“ an, einschließlich von Vorgaben ethisch korrekter Geldanlagen. Insbesondere der Habitus des Besserwissens auf dem Feld der Wirtschaftsethik, ohne dann auch Konsequenzen im eigenen Verantwortungsbereich zu ziehen, sei kontraproduktiv. Man solle jetzt aus Eigeninitiative handeln und nicht auf den nächsten größeren Skandal warten, bevor man wieder lediglich reagieren könne. Dies ist umso mehr zu beherzigen, weil die Deutungshoheit, ob die Kirchen mit Blick auf ihrer Finanzen Wort und Tat in Einklang bringen und deshalb glaubwürdig sind, gerade nicht bei ihnen selbst liegt (Meister).

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