Der emeritierte Mainzer Pastoraltheologe hat mit diesem Band eine Streitschrift im besten Sinne vorlegt, leidenschaftlich im Anliegen und äußerst gewissenhaft in der theologischen Argumentation. Anlass und Ausgangspunkt bildet die häufige Rede von der Gottlosigkeit des Zeitgenossen, die Klage über Glaubensverlust und religiöses Unwissen oder gar über die „Gotteskrise“, Letzteres oft in polemischer Absetzung von allen, die eine „Kirchenkrise“ monieren. Dem hält Knobloch entschieden entgegen: Das „tradierte affirmativ- statisch-metaphysische Gottesbild, das mit den Problemen und Fragen der heutigen Zeit nicht belastbar ist“, mag kaum noch Zuspruch finden, die Suche nach (dem immer und in allen Zeiten „unverfügbar“ bleibenden) Gott sei heute aber keinesfalls erstorben (165).
Vielmehr zeigt sich für ihn in solcher Klage ein Verständnis von Offenbarung, das die wechselseitige Verwiesenheit von menschlicher Erfahrung und göttlichem Zuspruch, wie sie das Zweiten Vatikanischen Konzil betont hat, übersieht oder gar leugnet. Eindringlich wirbt der Kapuziner dafür, den nach wie vor Gott suchenden Zeitgenossen zu verstehen (oder ihm allererst wirklich zuzuhören), auch wenn sich diese Suche in einer verstörend anderen als der herkömmlichen (Kirchen-)Sprache artikuliert – ein Plädoyer für eine neue Sensibilität gegenüber der Vielfalt religiöser Rede, religiöser Praxisformen insgesamt.
Sein Gewährsmann ist dabei der französische Jesuit, Soziologe und Kulturhistoriker Michel de Certeau, auch er ein Streiter wider die Behauptung von der Gottlosigkeit der modernen Welt und ein sensibler Beobachter von Transformationsprozessen in der Glaubenspraxis wie in der (Neu-)Artikulation des Glaubens, die in Wechselwirkung mit den jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten geschieht. Für de Certeau waren es vor allem die Mystiker und Mystikerinnen, die sich, oftmals angefeindet und missverstanden, in neuer, ungewohnter und unverbrauchter Sprache Gott zu vergewissern suchten. Mit hoher Plausibilität veranschaulicht Knobloch seine Thesen in der Auseinandersetzung mit Interviews, in denen Schweizer Jugendliche nach ihrem Glauben befragt worden waren und erwartungsgemäß Antworten gaben in ungewohnten „neuen Sprachcodes“. Dabei dreht Knobloch schließlich den Spieß sozusagen um: Der Wahrnehmungshorizont der Jugendlichen beziehungsweise Menschen von heute müsse von entscheidender Bedeutung für die kirchliche Verkündigung sein, nicht die Klage über dessen Gottlosigkeit.