Bei seiner Sitzung Ende Dezember 2013 verabschiedete der Heilige Synod der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) ein Dokument über den Primat in der Kirche. Die ROK nimmt damit Stellung zum 2007 in Ravenna verabschiedeten Dokument der katholischorthodoxen Dialogkommission über die ekklesiologischen und kanonischen Konsequenzen des sakramentalen Wesens der Kirche. Beim Treffen in Ravenna war die russische Orthodoxie seinerzeit nicht vertreten.
Das Dokument über den Primat behandelt diesen auf den verschiedenen Ebenen der kirchlichen Struktur in der Orthodoxie: Diözese, autokephale Kirche und Universalkirche als Gemeinschaft der autokephalen Kirchen. In den Diözesen liege der Primat seit frühchristlichen Zeiten beim Bischof, in einer autokephalen Kirche bei dem Bischof, der als Primas von einem Konzil oder einer Synode gewählt wurde: Hierbei handle es sich um eine Vollmacht des Ersten unter gleichberechtigten Bischöfen. Er leite die Kirche nicht im Alleingang, sondern in der Zusammenarbeit mit anderen Bischöfen.
Auf der Ebene der Universalkirche werde der Primat als Ehrenprimat und in Übereinstimmung mit der „Tradition der heiligen Diptychen“ ausgeübt. Seit dem Bruch der eucharistischen Gemeinschaft zwischen Rom und Konstantinopel im 11. Jahrhundert liege der Ehrenprimat in der Orthodoxen Kirche auf der gesamtkirchlichen Ebene beim Patriarchen von Konstantinopel. Die Orthodoxe Kirche habe die Lehre der Römischen Kirche über den päpstlichen Primat abgelehnt; die orthodoxen Theologen hätten immer betont, die Kirche von Rom sei eine der autokephalen Kirchen und habe nicht das Recht, ihre Jurisdiktion auf das Territorium anderer Ortskirchen auszuweiten. Im gesamten zweiten Jahrtausend und bis zum heutigen Tag habe die Orthodoxe Kirche die für die Östliche Kirche des ersten Jahrtausends charakteristische administrative Struktur bewahrt: „In der Orthodoxen Kirche gab es niemals ein einziges Zentrum der Kirchenverwaltung auf der universalen Ebene.“
Der Primat als Ehrenprimat sei von großer Bedeutung für das orthodoxe Zeugnis in der modernen Welt. In diesem Sinn könne die Kirche von Konstantinopel Initiativen auf der Ebene der Gesamtchristenheit ergreifen und sich an die Welt in Namen der ganzen Orthodoxie wenden, dazu ermächtigt von allen orthodoxen Lokalkirchen. Das Dokument schließt mit dem Hinweis, der Primat in der Kirche Jesu Christi sei dazu berufen, einen Dienst an der geistlichen Einheit ihrer Glieder zu leisten und die rechte Ordnung für ihr Leben aufrechtzuerhalten, weil Gott nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens sei (1 Kor 14,33).