Sexueller MissbrauchDer Vatikan wehrt sich gegen einen Bericht der Vereinten Nationen mit massiven Vorwürfen

Der Umgang mit sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute innerhalb der katholischen Kirche weltweit wird von den Vereinten Nationen heftig kritisiert. In einem Anfang Februar veröffentlichten Bericht des UN-Komitees für Kinderrechte wird dem Vatikan vorgeworfen, dass die katholische Kirche immer noch versuche, entsprechende Vorwürfe selbst aufzuklären, anstatt sie den Staatsanwaltschaften weiterzuleiten. Es gebe weiterhin Schweigegebote, Taten würden systematisch vertuscht, Täter einfach in andere Gemeinden oder gar andere Länder versetzt. Der Vatikan nehme das Ausmaß der Taten und die Notwendigkeit der Prävention nicht ernst genug, die Richtlinien verhinderten weiterhin, dass Missbrauch genügend bekämpft wird. In dem Bericht wird angemahnt, dass das Kirchenrecht so geändert werden solle, dass es der Kinderschutzkonvention der Vereinten Nationen entspricht, die der Vatikan bereits 1990 als einer der ersten unterzeichnet hat. Dem Vatikan wird weiter vorgeschlagen, dass die von Papst Franziskus geschaffene Kinderschutzkommission sowohl die Fälle sexuellen Missbrauchs als auch den Umgang der Verantwortlichen damit umfangreich untersuchen solle. 

Der Veröffentlichung des Berichts war eine Befragung von Vatikanvertretern Mitte Januar vorausgegangen. Der Vatikangesandte bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Silvano Tomasi, der die Delegation geleitet hatte, beklagte, dass der Bericht offensichtlich vor dieser Befragung fertig gestellt worden war. Denn dort habe man bereits auf eine Reihe von Vorwürfen antworten können. Außerdem werde in dem Bericht das Thema Missbrauch mit einer grundsätzlichen Kritik an der kirchlichen Sittenlehre verknüpft. So fordere der UN-Bericht Änderungen bei der Bewertung von Abtreibungen, künstlicher Empfängnisverhütung und Homosexualität. Entsprechend interessierte Gruppierungen hätten dem Bericht der Vereinten Nationen einen ideologischen Stempel aufdrücken können. Eine Einmischung in die Ausgestaltung der katholischen Lehre verbitte man sich jedoch. 

Auch der Jesuit Klaus Mertes, der mit einem Brief den Missbrauchskandal in Deutschland 2010 ins Rollen gebracht hatte, kritisierte den UN-Bericht. Zwar stoße dieser sich mit Recht an manchen offenen Punkten. Die Kritik sei aber überzogen, würdige nicht die Fortschritte und vermenge Fragestellungen, die nicht zusammengehörten. Im Übrigen warnten auch Opferverbände vor einer automatischen Meldepflicht. Der Jesuit Hans Zollner, der den großen Missbrauchskongress des Vatikans an der Gregoriana im Frühjahr 2012 organisiert hat, wies mit ähnlicher Stoßrichtung darauf hin, dass der Vatikan nicht einfach per Erlass die Arbeit der katholischen Kirche weltweit im Einzelnen regeln könne. In vielen Ländern sei Kinderschutz noch ein Fremdwort. Es sei allerdings auch ein Fehler gewesen, nicht früher schon mit den Vereinten Nationen intensiver zusammenzuarbeiten.

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