„Ich glaube an Christus, so wie ich glaube, dass die Sonne aufgegangen ist, nicht nur, weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehen kann.“ Dieses „Credo“ des Schriftstellers, Literaturwissenschaftlers und Apologeten Clive Staples Lewis kann auf einem Gedenkstein entdecken, wer heute die „Poets’ Corner“ der Westminster Abbey in London besucht. Am 22. November 2013, auf den Tag genau 50 Jahre nach seinem Tod, war der Gedenkstein im Rahmen einer liturgischen Feier zu Ehren von Lewis enthüllt worden. C.S. Lewis reiht sich nun in die lange Reihe der dort geehrten Dichter ein – darunter Shakespeare, Milton, Keats und T.S. Eliot.
Wenn Lewis’ 50. Todestag zwar nicht so viel Aufmerksamkeit in der Welt erregte wie der John F. Kennedys, des am 22. November 1963 ermordeten Präsidenten der USA, so wurde doch seiner in Großbritannien, den USA und anderswo unter anderem mit wissenschaftlichen Tagungen gedacht. Im Mai letzten Jahres veranstaltete die 1983 gegründete „Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik e.V.“ ein zweitägiges Symposium in Aachen unter dem Thema „C.S. Lewis – 50 Jahre nach seinem Tod. Werk und Wirkung zwischen Huldigung und Kritik“. Die in Aachen gehaltenen Vorträge sind vor kurzem im Inklings-Jahrbuch erschienen.
Im Juni 2013 richtete die „Josef Pieper Arbeitsstelle“ an der Theologischen Fakultät Paderborn eine Tagung zum Thema „Tod und Unsterblichkeit. Erkundungen mit C.S. Lewis und Josef Pieper“ aus. In den deutschen Medien allerdings hat der Gedenktag kaum Resonanz gefunden.
Mit ihrem Namen verweist die Inklings-Gesellschaft auf eine Gruppe von Schriftstellern und Geisteswissenschaftlern, die mit der Universität von Oxford verbunden waren und sich eben „Inklings“ nannten. Das Wort bedeutet einerseits in selbstironischem Understatement „Tintenkleckser“ und andrerseits „Ahnungen“ – in diesem Fall davon, dass mit dem Irdischen nicht alles zu Ende ist. Zur Gruppe gehörten neben C.S. Lewis sein Bruder Warren Lewis sowie J.R.R. Tolkien, Charles Williams und Owen Barfield. Von der Gründung 1933 bis Ende der vierziger Jahre trafen sie sich wöchentlich in einem Pub der Stadt. Dabei lasen sie sich ihre je neuesten Werke vor und kritisierten einander freimütig.
Lewis’ Weg zum Glauben
Clive Staples Lewis, von seinen Freunden auf eigenen Wunsch Jack genannt, wurde am 29. November 1898 als Sohn eines Rechtsanwalts in Belfast (Nordirland) geboren. Mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Warren wuchs er in einem christlich geprägten Haushalt auf, der vor Büchern überquoll. Lewis war neun Jahre alt, als seine Mutter an Krebs verstarb – wie auch später seine Frau Joy Davidman. Mit ihr war er von 1956 bis 1960 verheiratet. Sie brachte ihre zwei Söhne aus erster Ehe in die Verbindung mit. Sir Richard Attenboroughs Film Shadowlands (1993) mit Anthony Hopkins als „Jack“ und Debra Winger als „Joy“ handelt von dieser Ehe.
Schon im Alter von 14 Jahren war Lewis zum überzeugten Atheisten geworden. Noch lange sprachen für ihn Leid und Grauen gegen die Existenz Gottes. In einem seiner Gedichte heißt es: „lasst uns Gott den Höchsten verfluchen“. Als junger Mann studierte er in Oxford Latein, Griechisch, Philosophie und Englisch. Im Ersten Weltkrieg, in dem er als Soldat in Frankreich diente, wurde er schwer verwundet. Danach nahm er sein Studium wieder auf, legte glänzende Prüfungen ab. Dann war er zeitweilig als Philosophiedozent tätig, wurde aber schon 1925 Fellow für englische Sprache am Magdalen College in Oxford. Diese Position hatte er bis 1954 inne.
Lewis lernte 1926 Tolkien kennen, der Professor für Angelsächsisch war und später den „Herrn der Ringe“ verfasste. Der Katholik Tolkien wurde sein Freund und hatte 1931 maßgeblichen Einfluss auf seine Bekehrung zum Christentum. Lewis aber wurde Mitglied der Church of England.
An der katholischen Kirche störten ihn besonders das Papsttum und die marianischen Dogmen. Zu seiner Bekehrung hatte auch ganz stark die Lektüre von Gilbert Keith Chestertons (1874 –1936) apologetischem Buch „The Everlasting Man“ beigetragen. Später wird Lewis in Wort und Schrift versuchen, „apologetisch (…) die Rationalität des christlichen Glaubens auch Nichtglaubenden plausibel zu machen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!“ (Wolfgang Klausnitzer, Inklings-Jahrbuch 2013, 99). 1955 erhielt Lewis den Lehrstuhl für Literatur des Mittelalters und der Renaissance in Cambridge.
Bildung, Belesenheit und Formulierungsgabe
Schon zu Lebzeiten war Lewis berühmt. 1947 stellte ihn das „Time Magazine“ in einer Titelgeschichte als gottgläubigen „Häretiker unter den Intellektuellen“ vor. Sie nannte ihn zudem den „populärsten Dozenten der Universität.“ Die Popularität lag neben seiner intellektuellen Brillanz und fesselnden Vortragsweise daran, dass er ein hervorragender Pädagoge war. Er zog talentierte Schüler an, zum Beispiel den späteren Benediktinermönch Bede Griffiths (1906–1993); dieser setzte sich in Süd-Indien von 1968 bis zu seinem Tode für den christlich-hinduistischen Dialog ein.
Lewis wandte sich mit anderen Inklings gegen den pessimistischen Modernismus, gegen einen arroganten Szientismus und Fortschrittsglauben, gegen die Reduktion von Mensch und Welt auf das Materielle. Mit Darwin, Marx und Freud setzte er sich deshalb kritisch auseinander. Lewis nannte sich seiner konservativen Grundhaltung wegen einmal selbstironisch „Dinosaurier“. Dies bezog sich aber nicht etwa nur darauf, dass er die Priesterweihe der Frau ablehnte. Lewis war ein bescheidener, humorvoller und generöser Mensch. Einen Teil der Gewinne aus seinen religiösen Werken spendete er für karitative Zwecke.
Schon als Junge hat Lewis Gedichte und Erzählungen geschrieben. Im Laufe seines Lebens verfasste er knapp 40 Bücher. Mehr als sechs Millionen englischsprachiger Exemplare verkaufen sich jährlich. Vieles wurde ins Deutsche übersetzt. Wenn die Forschung auch einer kritischen Gesamtausgabe seiner fiktionalen und nicht-fiktionalen Werke bedürfte, so wird dies der schwierigen Nachdruckrechte wegen wohl noch lange nicht möglich sein. Sein Gesamtwerk lässt sich außer in die nicht sehr umfängliche Lyrik in autobiografische, in fiktionale Literatur, in literatur- und sprachwissenschaftliche sowie in Werke zu philosophischen und religiösen beziehungsweise theologischen Fragen einteilen.
Seinen Werken merkt man eine sehr gediegene klassische Bildung, große Belesenheit und vorzügliche Formulierungsgabe an, oft auch einen gewissen (ethischen) Rigorismus. Nicht ohne Grund bezeichnete ihn Dorothy L. Sayers (1893–1957), Autorin von Krimis und christlichen Essays und Dramen, einmal als „Gottes Terrier“. Häufig werden dieselben Grundthemen von Lewis sowohl fiktional wie auch nicht-fiktional dargestellt. Ihm geht es um das Wahre, Gute und Schöne.
Wenn Lewis, ein hervorragender Kenner der europäischen Lyrikgeschichte, auch nicht selbst zu den großen Lyrikern gehört, so haben doch auch seine Gedichte mit ihrer Bandbreite von Themen, darunter erschütternde Kriegsgedichte, gerade in letzter Zeit Beachtung gefunden. Malcolm Guite (Cambridge) argumentiert, dass besonders die Zunahme von ökologisch bewusster Lyrik in der Gegenwart auch Lewis’ Rezeption zugutekommt. Das Gedicht „The Future of Forestry” (1938) richtet sich gegen die (industrielle) Zerstörung der Natur.
Das erste Buch, das Lewis nach seiner Bekehrung veröffentlichte, war „The Pilgrim’s Regress. An Allegorical Apology for Christianity, Reason and Romanticism“ (1933; deutscher Titel: Flucht nach Puritanien, 1983). Es ist gewiss nicht sein bestes. Selbstkritisch wirft er sich im Nachwort einer späteren Auflage „Unklarheit und lieblose Härte“ vor. Das Buch ist eine scharfe Satire, die sich unter anderem gegen Atheismus, Materialismus, Nihilismus, Hegelianismus, Freudianismus richtet. Es hat autobiographische Züge. Lewis christliche Allegorie ist recht dick aufgetragen.
Noch heute andauernden Erfolg hat Lewis mit seinem Büchlein „The Screwtape Letters“ (1942; dt. Dienstanweisung für einen Unterteufel, 1958). Auch hierbei handelt es sich um eine Satire, um eine witzige zumal. „Unser-Vater-in-der-Tiefe“ etwa heißt der oberste Teufel. In 31 Briefen wendet sich darin Oberteufel Srewtape an seinen Neffen Wormwood mit dem Auftrag, einen Mann dem Teufel zuzuführen. Immer wieder weist Screwtape seinen Neffen wegen dessen Fehlern zurecht, weil dieser nicht seinen Ratschlägen zur Überlistung des Mannes folgt. Dabei werden Themen wie Maßlosigkeit, Stolz, Sex, Liebe, Tod und Krieg berührt. Ein wichtiger Ratschlag für Wormwood lautet: „Der sicherste Weg zur Hölle ist der allmähliche, der sanfte Hang angenehm für die Füße, ohne plötzliche Kurven, ohne Meilensteine, ohne Wegweiser.“ Eine besondere Pointe: Der Mann fällt im Krieg und ist als gläubiger Christ auf ewig gerettet.
Großer Tanz – Lobpreis Gottes
Die so genannte „Space-Trilogy“ (Perelandra-Trilogie) besteht aus den Bänden „Out of the Silent Planet“ (1938; Der verstummte Planet, 1948), „Perelandra“ (1948; Perelandra, 1957) und „That Hideous Strength“ (1945; Die böse Macht, 1954). Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen H. G. Wells, dem Autor des Romans „The Time Machine“ (1895), und vielen anderen Autoren von Science-Fiction, die auf Technik, Naturwissenschaft und das Weltbild der Evolution Wert legen, geht es Lewis vor allem um christlich geprägte Spiritualität und Religion.
Die Trilogie ist gekennzeichnet vom Kampf zwischen Gut und Böse. Meisterlich schildert Lewis fremdartige Landschaften, lässt seinen Helden Ransom schreckliche Abenteuer bestehen und auf der Venus (d. i. Perelendra) ein „erstes Paar“ mit Gottes Hilfe vor einem neuen Sündenfall bewahren. Im Schlusskapitel von „Perelandra“ inszeniert Lewis einen „großen Tanz“, der die ganze Schöpfung zum Lobpreis Gottes einbezieht. In „Die böse Macht“ geht es besonders stark um eine von ethischer Orientierung freie Naturwissenschaft, die das personhafte Individuum zugunsten eines Artefakts abzuschaffen sucht. Im Vorwort erwähnt Lewis sein themenverwandtes Büchlein „Die Abschaffung des Menschen“. Das ironisch N.I.C.E. (National Institute for Co-ordinated Experiments) abgekürzte, in England gelegene Forschungsinstitut, spielt eine diabolische Rolle. Die guten Mächte aber siegen schließlich.
Christlich in ganz anderer Weise grundiert Lewis den Roman „Till We Have Faces. A Myth Retold“ (1956; Du selbst bist die Antwort, 1958). „Retold“ wiedererzählt heißt es im Titel, weil der angesprochene „Mythos“ auf die Erzählung von Amor und Psyche in Apuleius’ (125–170 n. Chr.) komischem Roman „Der goldene Esel“ zurückgeht. Gisbert Kranz bezeichnet Lewis’ Neuinterpretation des Mythos als „eine gelungene Darstellung der Liebe Gottes, die den Menschen zu sich emporzieht“ (Studien zu Lewis, Lüdenscheid 1983, 113). Das Thema Glaube und Zweifel beziehungsweise Glaube und Vernunft macht den Roman zu einem modernen Werk.
Die Narnia-Bände sind als „Vorschule des Glaubens“ bezeichnet worden
Wie in anderen Werken von Lewis ist die Bewahrung der Schöpfung auch in den zwischen 1950 und 1956 publizierten „The Chronicles of Narnia“ (Die Chroniken von Narnia) Thema. Sie umfassen sieben Bände, die sich vor allem an Kinder richten. Über 100 Millionen Narnia-Bände in rund 50 Sprachen (darunter Arabisch) sind verkauft worden. In „The Lion, the Witch and the Wardrobe“ (1950; Der König von Narnia, 1977) gelangen vier im Zweiten Weltkrieg von London aufs Land evakuierte Kinder durch einen Wandschrank in das magische Reich Narnia. Dort hilft ihnen Aslan, ein majestätischer sprechender Löwe, Narnia von der bösen „Weißen Hexe Jadis“ zu befreien und selbst Könige zu werden. Ein goldenes Zeitalter bricht an.
„The Last Battle“ (1956; Der letzte Kampf, 1974) schildert – mit einer überraschen Auflösung am Schluss der Erzählung – das dramatische Ende von Narnia. Die „Kinder-Helden“ kommen in Aslans ewiges Land, lassen ihre Welt, die „Shadowlands“, endgültig zurück. Narnia ist mit verschiedenen phantastischen, auch aus Mythen bekannten Wesen bevölkert. Aslan ist eine Christus-Gestalt. So opfert er sich in „Der König von Narnia“ stellvertretend für Edmund, einen Jungen. Dieser hatte einen Verrat begangen. Die Parallelen – auch die Auferstehung Aslans – zum Christentum sind sehr deutlich. Auch auf den Stall zu Bethlehem wird angespielt „in unserer Welt barg auch einmal ein Stall etwas in sich, das größer war als unsere Welt.“
Die Narnia-Bände sind mit Recht als „Vorschule des Glaubens“ bezeichnet worden. Die recht negative Darstellung eines dunkelfarbigen Volkes und auch die einiger weiblicher Figuren ist kritisiert worden, auch von Joanne K. Rowling, der Verfasserin der Harry-Potter-Bände. Diese äußerte allerdings auch, dass sie von Lewis beeinflusst sei.
Der atheistische Fantasy-Autor Philip Pullman dagegen übte äußerst scharfe Kritik an der christlichen Prägung der Narnia-Bände. Er nannte sie „eines der hässlichsten, giftigsten Dinge, die ich je gelesen habe“. Von einigen Bänden gibt es Verfilmungen (vgl. Hk, Februar 2006, 93 ff.). Kein filmisches Meisterwerk aber ist darunter. Bei den neueren drei Kinoverfilmungen (2005–2010), für die christliche Fundamentalisten vehement geworben haben, sind von Disney riesige Gewinne eingespielt worden.
In dem 1955 erschienenen Buch „Surprised by Joy. The Shape of my Early Life” (Überrascht von Freude. Biographie der frühen Jahre, 1968) beschreibt Lewis eindringlich sein Leben bis zu seiner Bekehrung zum Christentum. Er schildert seine geistige Auseinandersetzung mit prägenden Einflüssen, mit Lehrern und Lektüren. Unter „joy“ (Freude) versteht er „ein unerfülltes Begehren, das an sich schon begehrenswerter ist als jede andere Erfüllung“. „Joy“ beziehungsweise Sehnsucht treibt ihn zu Christus. Mit dem 1961 publizierten Büchlein „A Grief Observed“ (Über die menschliche Trauer, 1967) verarbeitet Lewis auch die Trauer über den Verlust seiner Frau. Trost spendet in der Tiefe menschlicher Dunkelheit und des Zweifels das Bewusstsein von der Gegenwart Gottes.
Lewis war „hauptberuflich“ Literaturwissenschaftler. Noch immer werden seine einschlägigen Werke gelesen, vor allem von Fachleuten. Er war jedenfalls ein gründlicher, begeisterter und kompetenter Leser. Sprache war seine Leidenschaft. In seinem Buch „An Experiment in Criticism“ (1961; Über das Lesen von Büchern. Literaturkritik ganz anders, 1966) schreibt er: „Beim Lesen großer Literatur werde ich zu tausend Menschen und bleibe doch ich selbst. Gleich dem Nachthimmel in einem griechischen Gedicht sehe ich mit zahllosen Augen, aber ich bleibe derjenige, der sieht. Hier wie bei der Anbetung, der Liebe, beim moralischen Handeln und beim Erkennen, transzendiere ich mich selbst – und bin doch niemals mehr ich selbst, als wenn ich dies tue.“
Wenn auch Lewis’ fiktionale Werke von seiner christlichen Überzeugung geprägt sind, so erläutern seine apologetischen Essays und Bücher das christliche Weltbild unmittelbar in diskursiver Weise. Wenn er auch kein akademischer Theologe ist, so bestätigt ihm der baptistische Theologe Paul S. Fiddes (Oxford) dennoch „exzellente theologische Instinkte“ und die Vorwegnahme so mancher Entwicklungen im Bereich der Trinitätslehre.
Lewis kritisierte Theologen seiner Zeit, die die Geschichtlichkeit biblischer Inhalte verneinten, zum Beispiel Rudolf Bultmann. Manchen wissenschaftlichen Bibelkritikern warf er „chronologischen Snobismus“ vor, hielten sie doch jeweils frühere Bibelinterpretationen für überholt. Er hat sich mit vielen religiösen Themen befasst, auch mit dem der Stellvertretung. Der katholische Dogmatiker Karl-Heinz Menke (Bonn) geht in seinem Buch „Stellvertretung. Schlüsselbegriff christlichen Lebens und theologische Grundkategorie“ (1991) nicht ohne Grund auf Lewis ein.
Lewis hat in seinem Leben auch persönlich viel Leid und Schmerz erfahren. Sein Buch „The Problem of Pain“ (1940; Über den Schmerz, 1954) ist zum Klassiker geworden. Es handelt nicht nur von menschlichem Schmerz, sondern besonders auch vom Leiden des Gottessohnes und sucht den Sinn von Leid zu erschließen: „Gott flüstert in unseren Freuden, er spricht in unserem Gewissen; in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megaphon, eine taube Welt aufzuwecken.“
Immer treibt ihn die Sorge, dass der Mensch, dass er selbst sein Ziel bei Gott verfehlen könnte: „Bei allen Erörterungen über die Hölle müssen wir uns ständig vor Augen halten, dass sie wahrhaft möglich ist– nicht für unsere Feinde, nicht für unsere Freunde (beide trüben den klaren Blick der Vernunft), nein: für uns selbst.“ Judith Wolfe (Oxford) schreibt: „All seine Aufrufe zu ethischer Vervollkommnung und christlichem Gehorsam haben einen äußersten Beweggrund: eine Sehnsucht nach den letzten Dingen – danach Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Eschatologie – ein Interesse an den letzten Dingen – ist das brennende Zentrum von C.S. Lewis’ Denken” (Inklings-Jahrbuch, 2013, 39).
Droht die Abschaffung des Menschen?
„The abolition of man or Reflections on education with special reference to the teaching of English in the upper forms of schools“ (1943; Die Abschaffung des Menschen, 1979) zählt zu den kürzesten und gleichzeitig gewichtigsten Schriften von Lewis. Das Büchlein geht auf eine dreiteilige Vorlesungsreihe zurück. Die Leugnung objektiver, universaler Werte in bestimmten zeitgenössischen Schulbüchern bringt Lewis dazu, umso entschiedener für deren Existenz zu argumentieren.
Hans Urs von Balthasar hat das Büchlein ins Deutsche übersetzt. In seinem Vorwort heißt es über Lewis: „Er verwahrt sich ausdrücklich dagegen, hier Propaganda für das Christentum zu treiben.“ Dazu passt, dass Lewis den chinesischen Begriff „Tao“ („Weg“, im Daoismus als universales, alles durchdringendes Prinzip verstanden) benutzt, mit dem er einen wahren Begriff vom Naturrecht bezeichnet. Allen Kulturen seien bestimmte Werte gemein.
Lewis zufolge droht folgendes Szenario: “Die Menschengestalter des neuen Zeitalters werden dagegen mit der Macht eines zu allem befugten Staates und einer unerbittlichen wissenschaftlichen Technik bewaffnet sein; wir werden endlich eine Rasse von Konditionierern haben, die tatsächlich die ganze Nachwelt nach ihrem Belieben formen können.”
Bioethische Fragen sind heute aktueller denn je. Lewis befürchtete eben, dass die Menschen zu künstlichen Produkten gemacht und damit abgeschafft werden könnten. Seine Argumentation ist zwar scharf, aber nicht überzogen. Das ist nicht selbstverständlich. In ihrer Dresdner Rede „Von der Machbarkeit. Die wissenschaftliche Bestimmung über Geburt und Tod“ gebrauchte Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff im März dieses Jahres menschenverachtende Begriffe, als sie im Zusammenhang mit künstlich gezeugten Menschen von „Halbwesen“ sprach, die „zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“ seien.
Das Buch „Mere Christianity“ (1952; Christentum schlechthin, 1956) geht auf im Zweiten Weltkrieg in der BBC gehaltene Radiovorträge zurück. Seine Zuhörerschaft ging in die Hunderttausende. Das Buch war und ist einflussreich, auch, weil es sich nicht einer Fachsprache bedient. Lewis verbindet darin missionarischen Geist mit Humor: „Und wenn Christus sagt, wir sollen sein wie die Tauben, meint er damit etwa, wir sollen gurren?“
Von der englischen Ausgabe verkaufen sich weiterhin jährlich rund 250 000 Exemplare. Lewis stellt Gemeinsamkeiten der Konfessionen in den Vordergrund und spricht so sehr viele Christen an. Mit dem so genannten „Trilemma“ versucht er Hörer beziehungsweise Leser von der Göttlichkeit Christi zu überzeugen: „Ein bloßer Mensch, der solche Dinge sagen würde, wie Jesus sie gesagt hat, wäre kein großer Morallehrer. (…) Entweder war – und ist – dieser Mensch Gottes Sohn, oder er war ein Narr oder Schlimmeres. Wir können ihn als Geisteskranken einsperren, wir können ihn verachten oder als Dämon töten. Oder wir können ihm zu Füßen fallen und ihn Herr und Gott nennen. Aber wir können ihn nicht mit gönnerhafter Herablassung als einen großen Lehrer der Menschheit bezeichnen.“
Eine einprägsame englische Kurzfassung des Trilemmas lautet „Lunatic, Liar, or Lord“ (Geisteskranker, Lügner oder Herrgott). Die Stichhaltigkeit des „Trilemmas“ aber ist vielfach bezweifelt worden. Leichter findet seine Betonung der Freiheit des Gewissens Zustimmung. „Der neue Mensch“ (vgl. Kolossserbrief 3,10) lautet die Überschrift des letzten Kapitels. Am Ende steht ein Ratschlag: „Suche dich selbst, und du wirst auf die Dauer nur Hass, Einsamkeit, Verzweiflung, Zorn, Auflösung und Verfall finden. Doch suche Christus, und du wirst ihn finden, und mit ihm alles andere als Zugabe.“
Mit „The Four Loves“ (1960; Vier Arten der Liebe, 1961) hat Lewis dem Thema Liebe einen eigenen schmalen Band gewidmet. Die vier Arten sind Zuneigung, Freundschaft, Eros und Agape, wovon die ersten drei „natürliche“ Arten der Liebe seien. Diese drei, so Lewis, seien in Gefahr, ins Egoistische umzuschlagen. Kritisch ist zu fragen, ob seine Art der „Vierteilung“ der „einen“ Liebe gerecht wird.
Vieles bleibt zu tun
Lewis wird von einer wachsenden Zahl von Theologen und Philosophen und auch Literaturwissenschaftlern ernst genommen, besonders in Oxford und Cambridge. Die „C.S. Lewis Foundation“ wurde 1986 in Oxford gegründet. Sie verbindet Forschung und Mission. Im ehemaligen Haus von Lewis befindet sich ihr Studienzentrum. Die „C.S. Lewis Society“ an der Universität Oxford hingegen zielt nicht auf Evangelisierung.
Das ist bei dem Salesianer-Pater Stefan Oster, der im April dieses Jahres zum Bischof von Passau ernannt wurde, sicherlich anders. In seiner Habilitationsschrift „Person und Transsubstantiation. Mensch-Sein, Kirche-Sein und Eucharistie – eine ontologische Zusammenschau“ (2010) hat er den „Erfahrungsweg von C.S. Lewis in den Glauben und im Glauben“ (so eine Kapitelüberschrift) einschließlich vieler Werke dieses Autors für seine Argumentation fruchtbar gemacht. Man kann aber auch einfacher „Mit C.S. Lewis den Staub aus dem Alltag klopfen“. Das ist der Titel einer 2006 von Arnd Brummer, dem Chefredakteur von „Chrismon“, erstellten Anthologie.
Leider aktuell auf andere Weise ist Lewis’ Frage nach der ethisch begründbaren Notwendigkeit von Krieg. Er nimmt dazu Stellung in seinem Essay „Why I am not a Pacifist“ (1940). Vor dem Hintergrund des Erlebnisses des Ersten Weltkriegs und des Beginns der Nazizeit begründet er das Recht zum Verteidigungskrieg mit dem Hinweis auf das Naturrecht. Ein Befürworter des Kriegs ist er damit nicht.
Vieles bleibt zu tun. Wie Lewis müssen auch wir uns heute eines teilweise aggressiven Materialismus und Atheismus, aber auch religiöser Fundamentalismen erwehren. Wenn der Anglikaner Lewis auch seine Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche hatte, so hätte ihn bestimmt allein der Titel von Papst Franziskus’ Apostolischem Schreiben „Evangelii gaudium“ erfreut, ging es ihm damals doch auch um „die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute“.