BuchbesprechungAlbrecht Beutel, Johann Joachim Spalding. Meistertheologe im Zeitalter der Aufklärung

Auch im Bewusstsein theologisch gebildeter und interessierter Zeitgenossen ist die Aufklärungstheologie heute kaum noch präsent. Damit wird sie, wie jetzt das Buch des in Münster lehrenden evangelischen Kirchenhistorikers Albrecht Beutel über Johann Joachim Spalding belegt, unter Wert gehandelt. Spalding war einer der herausragenden Exponenten der so genannten „Neologie“, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im protestantischen Deutschland einen Weg zwischen den Extremen suchte: zwischen einer dogmatisch verhärteten Orthodoxie und radikaler Kritik der Offenbarung in Gestalt deistischer Strömungen wie zwischen Rationalismus und einem gefühlsbetont- schwärmerischen Christentum.

Beutel geht chronologisch vor, zeichnet den Weg Spaldings vom vorpommerschen Pfarrer zum obersten lutherischen Geistlichen Preußens (Propst von Berlin) nach und stellt dabei die wichtigsten und einflussreichsten Werke des Theologen vor, der nie ein akademisches Lehramt bekleidet hat. Die Titel sprechen für sich: „Die Bestimmung des Menschen“, „Gedanken über den Wert der Gefühle in dem Christentum“ , „Über die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung“ oder „Religion, eine Angelegenheit des Menschen“. Daneben wird auch Spaldings umfangreiche Predigtproduktion gewürdigt. Den Predigtdienst habe er stets in der Absicht erbracht, „bei den Kirchgängern eine aus dem Geist des aufgeklärten Christentums genährte authentische Frömmigkeit möglich zu machen und anhaltend zu kultivieren“ (241).

In seinem vor allem für damalige Verhältnisse extrem langen Leben (1714–1804) war der „preußische Kirchenfürst“ Spalding ein „kommunikationsfreudiger Zeitgenosse“ (186); seine Schriften fanden große Verbreitung. Das Buch von Albrecht Beutel bietet sozusagen einen Blick in die Werkstatt der protestantisch-theologischen Aufklärung mit ihren Freundschaften und Spannungen, spart auch die privaten Umstände nicht aus (Spalding verlor zwei Ehefrauen; die dritte überlebte ihn nur kurz).

Der Autor kommt zu dem zusammenfassenden Urteil, Spalding habe in der neuzeitlichen Umformungskrise des Protestantismus wie kaum ein anderer „elastische und damit zukunftsfähige Identität“ (307) erwiesen. Als feinsinniger religiöser Schriftsteller und Stilist des Aufklärungszeitalters vermittle er bis heute historisches Lese- und Bildungsvergnügen. Empfehlenswert bleibt auf jeden Fall Spaldings Ratschlag, was für die Religion an eigener Tätigkeit unentbehrlich sei: „Nachdenken und Gebet“ (137). 

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Albrecht Beutel

Johann Joachim SpaldingMeistertheologe im Zeitalter der Aufklärung

Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2014.